«Kopieren Sie, adaptieren Sie und machen Sie’s noch besser!»
Sich neu erfinden ist ganz schön mühsam. Und doch kommt kein Unternehmen um Innovation herum: Wer stehen bleibt, geht über kurz oder lang unter. Was also tun, um die richtigen Ideen zu finden und die clevere Umsetzung zu planen? Sie kennt die Antworten: Ina Goller, Professorin für Innovationsmanagement und Gründerin der Unternehmensberatung Skillsgarden AG. Wir fragen bei ihr nach und sahnen ein paar Tipps ab, gerade auch für kleinere Unternehmen. Prädikat: Hilfreich.
Im Rahmen einer Veranstaltung des Skill Hub am Rheinfall und der Schweizerischen Mobiliar sprach Dr. Ina Goller zum Thema «Bessere Resultate bei Veränderungen». Im Nachgang ihres Referats gewährte sie dem Zahltag einen vertieften Einblick in die spannende Welt der Innovationsförderung.
Frau Dr. Goller, was ist Ihre eindrücklichste Erfahrung in Sachen Innovationsprozess?
Ina Goller: Da gibt es zwei Punkte, die sich mir so richtig ins Gehirn eingebrannt haben. Erstens: Wenn man sich mit Menschen über Innovation austauscht, spricht man immer auch über die Zukunft. Es ist sehr interessant zu beobachten, was dann geschieht: Jeder Teilnehmer entwickelt seine ganz persönliche Zukunftsvision und merkt beim Teilen dieser mit der Gruppe, dass andere komplett andere Vorstellungen haben. So werden auf einmal ganz neue Gedankengänge eingeschlagen und schliesslich kommt es wie zu einer Art Abgleich der Gehirne: zusammen werden auf einmal ganz neue Szenarien entwickelt.
Und der zweite Punkt?
Goller: Mir liegt das Thema Teamarbeit und Zusammenarbeit sehr am Herzen und in diesem Zusammenhang berührt es mich immer wieder aufs Neue, erleben zu dürfen, wie gerade durch Innovationsprozesse Gemeinschaften entstehen und die gemeinsame Entwicklung Wert erhält. Die Beteiligten sehen: Gemeinsam geht es schneller, ist es viel interessanter und wir kommen zu besseren Ergebnissen.
Auch in kleineren und mittleren Unternehmen ist Innovation ein wichtiges Thema: Für viele dürfte aber ein externer Coach zu teuer und zu zeitaufwendig sein. Was entgegnen Sie?
Goller: Mein Rat: Informieren Sie sich. Es gibt eine ganze Reihe von Unterstützungsprogrammen für Start-ups und Kleinunternehmen in diesem Bereich – auf privater und staatlicher Basis. Ausser Zeit und Energie fallen da kaum Kosten an. Darum: Nachfragen! Und sollte doch einmal kein passendes kostenloses Angebot vorhanden sein, werden meiner Ansicht nach die Kosten oft überschätzt. Als Kleinunternehmen reicht es vielleicht auch einfach, einen Coach für drei Stunden zu buchen, um einen Impuls zu bekommen, etwas zu sortieren oder ein paar wesentliche Fragen zu klären.
Also irgendwie findet sich ein Weg?
Goller: Ja. Zudem glaube ich, dass viele KMU-Vertreter noch zu stark der Überzeugung sind, dass die Weisheit allein aus der Beratung kommt. Oft wäre es zielführender, wenn sie sich untereinander zusammenschliessen und austauschen würden. Klar, beim Thema Innovation ist der direkte Konkurrent vielleicht nicht gerade sehr gesprächig. Aber es kann oft auch sehr hilfreich sein, sich mit jemandem aus einer ganz anderen Branche über ein solches Thema auszutauschen und von dessen Erfahrungen zu lernen.
Was muss man an einen Ihrer Workshops mitbringen, damit man grösstmöglichen Gewinn daraus ziehen kann?
Goller: Man muss sich auf einen anspruchsvollen Tag gefasst machen, für den viel Hirnschmalz benötigt wird. Denn die eigenen Probleme kann man nur selbst lösen. Als Coach vermitteln wir Methoden und Tools, geben Anregungen und Inspirationen und begleiten auf dem Lösungsweg. Was ich KMU-Vertretern oft ans Herz lege, ist, Gegebenes schonungslos loszulassen, zumindest während des Workshops. Insbesondere, wenn es um Dinge geht, in die man viel Kraft, Zeit und Herzblut investiert hat. Dies löst zwar Verlustängste aus, aber ein Denken in Aufwand ist hinderlich, wenn es um Innovation geht. Ist der Ideenprozess abgeschlossen und geht es dann an die Umsetzung, müssen logischerweise die Realitäten wieder miteinbezogen und machbare nächste Schritte definiert werden.
Ein eher wenig bekannter Bereich Ihrer Arbeit ist die «psychologische Sicherheit». Was verstehen Sie darunter und weshalb ist das wichtig?
Goller: Der Begriff hört sich sperrig an. Einfach erklärt beschäftigt sich der Ansatz mit der Tatsache, wie Menschen sinnvoll und ergebnisorientiert zusammenarbeiten können, wenn sie in ihrer Arbeitsleistung voneinander abhängig sind. Studien zeigen, dass viele Menschen in Teams davor zurückscheuen, interpersonale Risiken einzugehen und sich verletzlich zu machen. Zum Beispiel haben sie Angst, eine Frage zu stellen, weil andere diese Frage und damit sie als Person doof finden könnten. Forschungen zeigen, dass dieses Problem verschwindet, wenn ein Mensch sicher ist, dass seine Beziehungen stabil sind und er sich auf den anderen verlassen kann. Dann kann gut auch einmal gestritten werden, ohne gleich das gesamte Beziehungssystem in Frage zu stellen. Ist diese Sicherheit erreicht, kann die so oft beschworene Diversität gelebt werden, welche für Kreativität und Innovation so wichtig ist. Aus diesem Grund ist «psychologische Sicherheit» im Team zentral.
Zum Schluss: Ihr wichtigster Tipp an unsere Leser?
Goller: Das mag jetzt vielleicht etwas schräg erscheinen, aber ich möchte sagen: Bitte machen Sie die Augen auf, scannen Sie Ihre Umgebung und überlegen Sie, was Sie bei anderen Anbietern toll finden. Viele Menschen glauben, dass Innovation eine weltweite Neuerung sein muss. Aber Innovation ist meistens nur neu für den eigenen Bereich. Überlegen Sie sich zum Beispiel, wo Sie Ihr bestes Kundenerlebnis erfahren haben und was der Anbieter getan hat, dass dieses Erlebnis so herausragend war. Kopieren Sie, adaptieren Sie für Ihre Organisation und machen Sie es falls möglich gleich noch besser.