Ausländische Tiefstpreise: «Die heimische Industrie wird ausgebremst»

Iris Fontana | 
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Die lokalen Holzindustriebetriebe sind laut Branchenvertretern solide unterwegs. Archivbild: Roberta Fele.

Vergangenen Monat erklärte das SRF mit Bezug auf Zahlen des Wirtschaftsinformationsdienst Dun & Bradstreet, dass die Anzahl Firmenkonkurse im Vergleich zum Vorjahr überdurchschnittlich hoch liege und dass die Holz- und Möbelindustrie das höchste Risiko aufweise, davon getroffen zu werden. Was ist dran an dieser Aussage? Wir fragen nach beim Verband «Holzindustrie Schweiz» und bei Firmenvertretern aus dem Kanton. Tenor: Die Lage ist schwierig, aber nicht aussichtslos.

Herr Gautschi, Sie sind Direktor des Verbands «Holzindustrie Schweiz». Was sagen Sie zu den düsteren Einschätzungen von Dun & Bradstreet?

Michael Gautschi: Wir sind ehrlich gesagt etwas ratlos und haben beim Wirtschaftsinformationsdienst nachgefragt, wie sich diese Zahlen zusammensetzen. Die Antwort ist noch ausstehend. Ratlos sind wir, weil wir keine ungewöhnlich hohe Zahl an Austritten aufgrund von Firmenaufgaben zu verzeichnen haben und auch der Blick ins Handelsregister keine besondere Zunahme von Löschungen in unserer Branche zeigt. So gehen wir davon aus, dass sich die Zahlen nicht auf die Holzindustrie an sich beziehen, sondern eher auf kleinere Handwerksbetriebe wie Zimmereien oder Schreinereien.

Unabhängig von den Zahlen: Wie geht es der Schweizer Holzindustrie?

Gautschi: Was die allgemeine Lage betrifft, ist die Einschätzung korrekt: Die Rahmenbedingungen sind schwierig. Nach einem regelrechten Boom während der Coronazeit, in der die Preise aller Baumaterialien explodierten, haben wir nun mit tiefen Absatzmarktpreisen zu kämpfen. Dabei gehen die hohen Ausschläge vom Ausland aus, da die Holzindustrie global vernetzt und sehr volatil ist. Das momentane Tief führen wir auf den starken Rückgang der Baukonjunktur in Deutschland und Österreich zurück. Da die Branchenriesen nicht reagierten und ihre Produktion nicht im selben Mass zurückfuhren, in dem der Konsum zurückging, herrscht nun ein Überangebot und Tiefstpreise. Dies wirkt sich direkt auf die Schweiz aus.

Michael Gautschi

Michael Gautschi

Michael Gautschi absolvierte an der ETH die Ausbildung zum diplomierten Forstingenieur und später an der Berner Fachhochschule Biel das Nachdiplomstudium in Holzbau. Nach dem Studium war er für verschiedene Unternehmen in der Privatwirtschaft als auch beim Bundesamt für Umwelt BAFU tätig. Seit 2018 steht der 50-jährige als Direktor dem Branchenverband Holzindustrie Schweiz in Bern vor.
Gautschi ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Also trügt das Bild des momentan herrschenden Holzbaubooms in der Schweiz?

Gautschi: Nicht direkt. Der Holzbau läuft nach wie vor gut, wir verzeichnen immer noch eine gute Auslastung, wenn auch bei uns ein Rückgang spürbar ist. Dieser ist jedoch geringer als im Massivbau. Das Problem ist nicht der Nachfragerückgang nach Holz, sondern dass die eingesetzten Holzprodukte aufgrund der tiefen Preise vermehrt aus dem Ausland bezogen werden. Die heimische Industrie wird so ausgebremst.

Und wie versuchen Sie Gegensteuer zu geben?

Gautschi: Wir fahren unbeirrt unsere bewährte Strategie weiter, das Label Schweizer Holz zu stärken, indem wir die Vorteile einer regionalen Wertschöpfungskette aufzeigen. Im Bereich der öffentlichen Bauten wie beispielsweise Schulen und Altersheimen sind wir recht erfolgreich, die Bauherrschaft vom Schweizer Holz zu überzeugen. Den Zuschlag bekommen dabei eher die kleineren regionalen Betriebe. Die grossen, national oder gar international ausgerichteten Industrieunternehmen, die mehr Standardware wie Leimholzprodukte oder Brennsperrholz produzieren, haben grössere Mühe. Sie sind preislich chancenlos im Wettbewerb mit den grossen internationalen Marktakteuren.

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Und wie sieht es im Privatbereich aus? Ist hier Schweizer Holz kein Verkaufsfaktor mehr?

Gautschi: Im Privatbereich ist wieder eine grössere Preissensitivität spürbar, die Leute sind vorsichtiger mit Investitionen, was natürlich mit der gegenwärtigen Teuerung zusammenhängt. Dies alles führt zu einem Rückgang der Bautätigkeit. Auch die Hauspreise sind immer noch sehr hoch. Es ist nicht so, dass das Schweizer Holz an Sympathie verloren hat, aber die Preisdifferenz zum Ausland ist einfach zu hoch.

Ist, gerade für die grösseren Industriebetriebe, ein Lichtblick am Horizont auszumachen?

Gautschi: Leider sehen wir momentan keine Anzeichen einer Entlastung. Wir rechnen damit, dass auch 2024 für die Produzenten hart werden wird. Aber irgendwann wird auch diese Phase wieder vorbei sein, so wie immer.

Und der Energie-Bereich ist keine Alternative, beispielsweise die Pellet-Produktion?

Gautschi: Nein, leider herrscht auch hier eher Flaute. Letztes Jahr boomte der Markt aufgrund der befürchteten Energiekrise. Aber da der Winter relativ mild war, fiel der Pellet-Verbrauch viel tiefer aus als erwartet und so sind auch hier die Lager noch gut gefüllt.

So schätzen Branchenvertreter aus dem Kanton die Lage ein

André Guldimann
André Guldimann erklärt, dass er die Abkühlung kommen sah, da seine Firma neben der eigenen Produktion auch Handelsprodukte aus Europa beziehe. Dort hätte man die Wirtschaftsabkühlung schon im Sommer 2022 gespürt. Die Durstperiode wird seiner Meinung nach die Branche die nächsten Jahre beschäftigen. Während der Coronazeit hätte sowohl im Gartenbereich wie auch in den Baumärkten ein Hype stattgefunden und jetzt habe sich die Lage abgekühlt, die Aufträge, die damals vergeben wurden, fehlten nun. Zudem sei eine gesellschaftliche Verunsicherung spürbar.
Allerdings versetzt ihn die Situation nicht in Panik. Wie viele seiner Kollegen sei auch sein Betrieb langfristig ausgerichtet. Für knappe Jahre sorge man in KMUs vor, indem das Geld in der Firma belassen werde, um in schwachen Jahren über ein finanzielles Polster zu verfügen. Die wirtschaftlich ruhigere Zeit will die Pletscher + Co. AG für Investitionen nutzen.
André Guldimann, Geschäftsführer und Inhaber der Pletscher + Co. AG in Schleitheim
Thomas Rüger
Auch Thomas Rüger spürt eine Eintrübung des Geschäfts, bezeichnet die Situation jedoch ebenfalls nicht als prekär. Seiner Ansicht nach ist man umsatzmässig wieder auf Vor-Corona-Niveau angelangt. Auch er ist der Meinung, dass alle im Kanton tätigen Holzindustriebetriebe stabil unterwegs seien und diese schwächere Geschäftslage verkraften werden. Ausserdem sieht er die Bemühungen rund um das Label Schweizer Holz und das Schaffhauser Haus Früchte tragen. Während der Pandemie, als die Holzimporte zum Erliegen kamen, sei ein grosses Bekenntnis zum Schweizer Holz vernehmbar gewesen. Nun habe zwar dieses Bekenntnis aufgrund des Preisunterschieds wieder nachgelassen, aber auch er konstatiert das öffentliche Bauwesen als grosse Stütze. So wollten heute viele Gemeinden mit ihrem eigenen Holz bauen und auch die Bemühungen im Kanton, eine gemeinsame Wertschöpfungskette vor Ort sicherzustellen, bestehe. Nicht zu vernachlässigen sei jedoch, wie komplex das Bauen mit Holz aus dem eigenen Wald aufgrund der vielen Beteiligten (Wald/Forst, Planer, Sägewerk, Holzbauer) sei. Es bedürfe einer weitsichtigen Vorausplanung, was nicht immer gelinge. Trotz aller konjunktureller Schwankungen und Komplexität ist Rüger überzeugt, dass der Holzbau in Zukunft weiter zunehmen wird. Sorgen bereitet ihm, wie auch Guldimann, viel eher die Frage, wo denn der Rohstoff für die erwartete Nachfrage hergenommen werden soll.
Thomas Rüger, Geschäftsleitungsmitglied der HedingerHolz AG sowie Vertreter der Schaffhauser Sägereien beim Ostschweizer Regionalverband von Holzindustrie Schweiz

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