«Wir Bauern sind keine Jammeri»

Iris Fontana | 
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Auch den Bauern machen die gestiegenen Produktionskosten das Leben schwer. Archivbild: Melanie Duchene

Wetterextreme und Düngemittel, deren Preise um 300 Prozent gestiegen sind – schwierig zu erfüllende Vorgaben der Politik und Konsumenten, die dem tiefsten Preis nachjagen: Die Schaffhauser Bauern haben mit einigen Problemen zu kämpfen. Wir fragen beim kantonalen Bauernpräsident Christoph Graf nach. Er findet, dass der Berufsstand trotz manchen Sorgen gut aufgestellt ist. Vor allem auch dank der jungen, innovativen Generation, die das Ruder übernimmt.

Herr Graf, Bauern haben zuweilen den Ruf, besonders gut jammern zu können – wie ist das bei uns in Schaffhausen? Haben die Schaffhauser Bauern Grund zu jammern?

Christoph Graf: Nein, ich finde, wir Bauern sind keine Jammeri, auch wenn wir oft diesen Ruf haben. Häufig wird einfach unser Faktenbericht als Jammern verstanden. So wurden wir zum Beispiel diesen Frühling nach dem vielen Regen von den Medien um einen Kommentar gebeten und in überfluteten Feldern abgelichtet. Ein paar Wochen später kam dann die grosse Trockenheit und wir wurden als Jammeri bezeichnet. Wir haben jedoch lediglich berichtet, was Sache ist.

In aller Kürze: Wie geht es der Schaffhauser Landwirtschaft?

Graf: Grundsätzlich sind wir zufrieden. Zu kämpfen haben wir allerdings mit den gestiegenen Produktionskosten aufgrund der zum Teil extremen Preisaufschläge bei Strom, Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Der Dünger hat sich bis zu 300 Prozent verteuert. Freude bereiten uns jedoch die vielen jungen, innovativen Betriebsleiter, welche die Herausforderungen motiviert anpacken und etwas erreichen wollen. Mit ihnen ist die Schaffhauser Landwirtschaft gut aufgestellt.

Was macht unseren Bauern am meisten Sorgen?

Graf: Neben der oben genannten Preisexplosion ist sicher die Agrarpolitik unser Sorgenkind. Zum Beispiel die Forderung nach starker Extensivierung. Einerseits müssen wir nächstes Jahr 3,5 Prozent des Ackerlandes als Biodiversitätsflächen ausscheiden, diese fallen also für die Produktion weg. Weiter steht nächstes Jahr die Biodiversitätsinitiative an. Gerade in einer so unsicheren geopolitischen Lage verstehen wir diese Flächenstilllegung nicht. Zudem kommen laufend neue Auflagen dazu und alle vier Jahre passt der Bundesrat die Politik zur Landwirtschaft neu an. Vier Jahre sind einfach eine zu kurze Periode, da politische Entscheide oft grosse Investitionen wie Bauprojekte oder Betriebsumstellungen nach sich ziehen können. Wenn dann nach vier Jahren alles wieder auf den Kopf gestellt wird, ist das tödlich. Dieses kurzfristige «Hü und Hott» nachzuvollziehen, bereitet uns wirklich Mühe.

Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Graf: Dieser spielt sicher auch eine Rolle, eine Zunahme der Trockenheit und Hitze betrifft uns natürlich direkt. Allerdings gilt bei uns die Devise: «Das hat es immer schon gegeben.» Speziell im Kanton Schaffhausen kennen wir trockene Sommer gut. Zudem hoffen wir auf die Agrarforschung, welche mit Spezialzüchtungen mithelfen wird, die schlimmsten Effekte abzumildern. Aber natürlich braucht dies Zeit.

Und was ist mit den allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen wie dem Fachkräftemangel, der Teuerung und der sich abzeichnenden Abflachung der Konjunktur? Trifft das die Branche?

Graf: Der Fachkräftemangel trifft uns weniger stark als beispielsweise die Gastronomie. Erntehelfer finden sich im Moment zum Glück genug. Aber natürlich gibt es Betriebe, die Fachpersonal suchen. Was die Teuerung betrifft, kämpfen wir besonders mit dem Sparkurs der Bevölkerung. Es besteht weniger Bereitschaft, Geld für Lebensmittel auszugeben und viele steigen auf günstigere Produkte um. Dies schlägt sich bei uns in Absatzschwierigkeiten gerade von Label-Produkten nieder.

Christoph Graf

Christoph Graf

Der 54-jährige Christoph Graf übernahm den elterlichen Betrieb in Ramsen, nachdem er seine Ausbildung im Kanton Zürich absolviert und zwei Winter die Betriebsleiterausbildung an der landwirtschaftlichen Schule Charlottenfels angehängt hatte. Graf ist verheiratet und hat eine Tochter. Seit 2009 amtet er als Präsident des Schaffhauser Bauernverbands.

Im Jahr 2022 wurden in der Schweiz 48’344 Landwirtschaftsbetriebe gezählt, 1,1 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Waren die Rückgänge nicht schon dramatischer?

Graf: Das ist korrekt, die Rückgänge sind geringer als auch schon. Es ist ein normaler Strukturwandel im Gange. Dabei schliessen vor allem kleinere Betriebe oder Betriebe ohne Nachfolgeregelung. Rein wirtschaftliche Betriebsauflösungen haben wir relativ wenige. Das hat auch mit dem Nachwuchs zu tun. Im Moment erleben wir eher einen Boom, die landwirtschaftlichen Schulen sind sehr gut besucht, es finden sich wieder leichter Auszubildende.

Wie ist das in Schaffhausen mit der Anzahl Betriebe?

Graf: Wir haben heute im Kanton Schaffhausen knapp unter 500 direktzahlungsberechtigte Betriebe. Damit liegen wir in der Nähe des Schweizer Durchschnitts. Die Anzahl ist dem Strukturwandel geschuldet immer etwas rückläufig, aber nicht dramatisch. Ein extremer Rückgang erlebten wir jedoch bei den Milchwirtschaftsbetrieben.

Ist es tatsächlich so, dass langfristig nur noch die grossen Höfe überleben?

Graf: Das würde ich so nicht bejahen, da kleine Betriebe oftmals Nischen suchen wie einen Hofladen oder die Direktvermarktung. Eine gute Nische sind auch Spezialkulturen, bei der mit einer hohen Wertschöpfung produziert werden kann. So hat auch ein kleiner Betrieb, der sich strategisch verhält und eine Nische gefunden hat, gute Überlebenschancen.

Immer mehr Bauern setzen auf Biolandbau. Ist das der Ausweg für die Kleinen?

Graf: Hier sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: Auf der einen Seite ist Bio immer noch eine Nische, wobei diese Nische nicht nur kleinere Betriebe einnehmen. Wir haben auch grössere Biobetriebe im Kanton. Das grössere Problem sehe ich jedoch beim Absatz, gerade jetzt in Teuerungszeiten. Der Absatz von Bioprodukten bewegt sich seit Jahren bei rund zehn Prozent und erlebt momentan keine grosse Steigerung. Bio ist nicht die Lösung für alle.

Wie sieht es im Bereich Nutztierhaltung aus?

Graf: Bei der Nutztierhaltung fand ein Wandel statt: Weg von der Milchwirtschaft hin zu mehr Geflügelhaltung, sei es Mastpoulets oder Legehennen-Haltung. Dies insbesondere deshalb, weil bei Geflügel die Nachfrage immer noch stark von Importen gedeckt wird und damit noch Absatzpotential besteht.

Wo sehen Sie die Perspektive für die Schaffhauser Landwirtschaft – damit auch in Zukunft nicht gejammert werden muss?

Graf: Es gibt natürlich kein Allheilmittel, das auf alle Betriebe anwendbar ist. Es bleibt dabei, dass jeder Betrieb für sich selbst eine passende Lösung suchen muss. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir dabei im Kanton Schaffhausen sehr gute strukturelle Voraussetzungen haben. Mit Ackerbau, Tierhaltung, Spezialkulturen und dem Rebbau sind wir breit aufgestellt und können das Risiko durch verschiedene Standbeine reduzieren.

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