«Das sind doch nur Allgemeinplätze» – «Ganz sicher nicht»

Beat Rechsteiner | 
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Peter Ziswiler, aufgenommen an der GF-Generalversammlung diese Woche, ist Personalchef des GF-Konzerns. Bild: Roberta Fele

Der GF-Konzern ist gross und über die ganze Welt verstreut – ein internationaler Industrieriese. Und trotzdem kam diese Woche an der Generalversammlung in Schaffhausen ein kleines bisschen Familienfeierstimmung auf: Mitarbeiter, Aktionäre, Konzernleitung und Verwaltungsrat scheinen mit sich und der Firma im Reinen. Was steckt hinter der Unternehmenskultur und wie wird sichergestellt, dass man das auch in China und Südamerika weiss? Was ist die Seele von GF und warum spricht der Konzern so viel über Nachhaltigkeit und Diversity? Wir vom Zahltag haben nachgefragt bei GF-Personalchef Peter Ziswiler.

Herr Ziswiler, GF ist ein Konzern mit 15'000 Mitarbeitern weltweit: Gibt es etwas, was all diese Menschen verbindet, einmal abgesehen vom Firmenlogo?
Peter Ziswiler: Selbstverständlich verbindet uns viel mehr als das Logo. Es gibt Werte in unserem Unternehmen, die alle teilen.

Würden Sie sagen, es gibt eine überall gültige Unternehmenskultur?
Ziswiler: Absolut. Ich denke hier an erster Stelle an den respektvollen Umgang miteinander, an gegenseitiges Vertrauen, an Zuverlässigkeit und Teamorientierung. Oder daran, dass die Mitarbeitenden auf jeder Stufe befähigt werden, Aufgaben in Selbstverantwortung zu erfüllen. Diese Werte werden gelebt, ob nun in China, in den USA oder in Schaffhausen.

Da gibt es aber doch auch viele kulturelle Unterschiede, die sich kaum überbrücken lassen.
Ziswiler: Unterschiede gilt es zu respektieren. Denken Sie beispielsweise daran, dass je nach Standort andere Gesetze gelten. Auch der Umgang mit Hierarchien ist je nach Land und Region sehr unterschiedlich. Das alles dürfen wir nicht ignorieren. Aber: Wir definieren Grundwerte, die für uns zentral sind.

Und das funktioniert wirklich global?
Ziswiler: Ja. Gerade wir hier in Europa sollten uns davor hüten, das Gefühl zu haben, unser Weg sei immer der beste. Machen wir ein Beispiel: Wenn der Kollege aus einem anderen Winkel der Erde wegen eines technischen Problems anruft, so ist es eine Frage des Respekts, zuzuhören und auf Lösungsvorschläge einzugehen. Solche Teamarbeit wird bei uns im gesamten Unternehmen gelebt. Ich bin übrigens der festen Überzeugung, dass dieser Umgang einer der Hauptursachen dafür ist, dass wir viele langjährige Mitarbeitende bei uns haben. Die gegenseitige Wertschätzung ist ein hohes Kulturgut.

Peter Ziswiler. Bild: ZVG
«Gerade wir hier in Europa sollten uns davor hüten, das Gefühl zu haben, unser Weg sei immer der beste.»
Peter Ziswiler, GF-Personalchef

«Caring, Learning, Performance» sind gemäss ihrem Nachhaltigkeitsbericht die drei Grundwerte, auf denen die GF-Unternehmenskultur aufbaut. Werte, die wohl jede Firma für sich in Anspruch nehmen würde: Das sind doch nur Allgemeinplätze.
Ziswiler: Ganz sicher nicht. Entscheidend sind nicht einfach Begriffe oder Etiketten, sondern, wie wir diese definieren und in die Organisation hineintragen. Hinter «Performance» stehen unter anderem unternehmerisches Handeln, Schnelligkeit, Effizienz und Exzellenz. «Learning» steht für die Bereitschaft, Neuem gegenüber offen zu sein, Wandel zuzulassen und Innovationen zu fördern. «Caring» beinhaltet die Grundlagen des Umgangs miteinander. In dem Wort steckt aber noch mehr – zum Beispiel Zugehörigkeit, Vertrauen oder die psychologische Sicherheit, in jeder Situation das sagen und fragen zu dürfen, was man möchte. Das ist Voraussetzung, um sich etwas zuzutrauen, etwas zu wagen. Sie sehen: Die Begriffe sind mit Inhalten gefüllt.

Hinter den Grundwerten steckt also viel Gedankenarbeit?
Ziswiler: Ja, wir haben bewusst im ganzen Unternehmen einen Veränderungsprozess angestossen, diesen nennen wir «Culture Movement». Es geht um ein Programm, in das sämtliche Mitarbeitende involviert sind. Ein wichtiges Element davon sind konzernweit rund 300 «Change Agents»: das sind eigene, speziell trainierte Mitarbeitende, welche mit den Kolleginnen und Kollegen wichtige Themen diskutieren und Widersprüche oder Probleme aufgreifen.

Zur Person

Peter Ziswiler ist seit 2013 Head Corporate HR von GF. Er ist seit über 30 Jahren im Personalwesen bei verschiedenen Industrieunternehmen tätig, darunter auch vier Jahre als Head HR in den USA für eine Division von Siemens.

War die Entwicklung der neuen Werte ein hierarchischer Prozes? Oder wurden die Mitarbeitenden früh miteinbezogen?
Ziswiler: Sowohl als auch. Wir haben 2020 mitten in der Corona-Zeit gespürt, dass es tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen gibt, denen sich auch unser Unternehmen stellen muss. Aufgrund dieser Erkenntnis starteten wir den Prozess mit einer weltweiten Befragung von etwa 900 Mitarbeitenden rund um das Thema bestehende und künftige Unternehmenskultur. Daraus haben wir die drei zuvor genannten zentralen Werte abgeleitet und mit Inhalten gefüllt.

Wie erfolgt die Kommunikation innerhalb des Konzerns?
Ziswiler: Zunächst einmal haben wir das Topmanagement eingehend geschult und dabei auch die aus der Umfrage resultierenden Erwartungen der Mitarbeitenden adressiert. In einer zweiten Phase haben wir die Arbeit mit den «Change Agents» begonnen. Seit 2021 waren mit Sicherheit schon rund 10'000 Mitarbeitende in irgendeiner Form in diese Arbeit involviert.

Welche Rolle spielt die Chefetage in einem solchen Prozess?
Ziswiler: CEO Andreas Müller und die gesamte Konzernleitung standen von Beginn weg an vorderster Front bei dieser Kulturinitiative. Ohne die aktive und kontinuierliche Unterstützung der Konzernleitung ist ein solches Projekt gar nicht durchführbar. Wir haben mehrmals mit internen Live-Events gearbeitet, in denen Andreas Müller mit der Konzernleitung gegenüber tausenden von Mitarbeitenden die Wichtigkeit des «Culture Movements» betont und ihre Fragen beantwortet hat.

Teil der GF-Unternehmenskultur ist auch ein Verhaltenskodex. Was hat es damit auf sich?
Ziswiler: Wir haben unseren zehn Jahre alten «Code of Conduct» soeben aktualisiert und den neuen Gegebenheiten angepasst. Teil davon sind Compliance-Vorschriften, in anderen Bereichen geht es um gesellschaftlich bedeutende Themen wie etwa Nachhaltigkeit oder Diversity. Letztlich also Verhaltensregeln.

Gibt es da auch Sanktionen, wenn sich jemand nicht an den Kodex hält?
Ziswiler: Natürlich. Verstösse gegen den «Code of Conduct» nehmen wir sehr ernst und handeln entsprechend. Das gilt gerade auch für den Diskriminierungsbereich. Darum haben wir beispielsweise eine Whistleblower-Hotline eingerichtet, bei der Fälle gemeldet werden können. Ich möchte aber schon betonen, dass dies nicht im Zentrum steht, sondern vielmehr das Selbstverständnis, wie wir als GF-Mitarbeitende nach innen und nach aussen handeln.

Was auffällt und Sie haben es ja auch schon angesprochen: GF informiert sehr viel über Nachhaltigkeit, Geschlechtergleichheit und Diversity – ist das für ein börsenkotiertes Unternehmen heute einfach Standard und Pflicht?
Ziswiler: Gewisse Berichte müssen tatsächlich aus rechtlichen Gründen bereitgestellt und veröffentlicht werden. Doch wir haben diesen Themen schon sehr früh viel Gewicht beigemessen, hatten beispielsweise 2016 schon Home Office, Vaterschaftsurlaub und Jobgarantien für Mütter, die aus dem Mutterschaftsurlaub zurückkehren. Und bereits seit über 25 Jahren veröffentlichen wir Berichte zur Nachhaltigkeit. GF ist hier ein Vorreiter.

Dass Sie viel über Nachhaltigkeit sprechen, liegt auf der Hand, denn unter anderem verdient GF mit Nachhaltigkeitslösungen Geld. Besteht bei den anderen Themen nicht die Gefahr von aufgeblähten Stäben – mit Diversity allein produziert man ja noch keine besseren technischen Lösungen.
Ziswiler: Die Gefahr mag bestehen, andererseits zeigt die Forschung ganz klar, dass viele Unternehmen mit einer hohen Diversity profitabler und innovativer sind und ein höheres Wachstum aufweisen. Wir sind noch nicht da, wo wir hin wollen, wir haben aber diesbezüglich deutliche Fortschritte gemacht.

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