«Dann müssen wir es halt ab und zu selbst machen»

Iris Fontana | 
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Will alle Kunden mitnehmen: Martin Vogel, CEO der Kantonalbank. Bild Roberta Fele.

Jubelstimmung bei der Schaffhauser Kantonalbank – das Finanzinstitut hat diese Woche starke Geschäftszahlen präsentiert. Wir vom Zahltag wollen aber nicht zurück, sondern nach vorne blicken. Und zwar auf die wohl wichtigste Herausforderung überhaupt: die Digitalisierung. Um diese voranzutreiben, muss sich die Organisation teilweise neu erfinden. Und die Bank muss dafür viel Geld in die Hand nehmen. Um alle Kunden bei dieser Transformation zu begleiten, soll am Hauptsitz beispielsweise eine digitale Lounge entstehen. Nachgefragt bei CEO Martin Vogel.

Wann waren Sie das letzte Mal am Bankschalter? Gemäss Martin Vogel nehmen die physischen Kundenbesuche in der Bank seit vier Jahren rapide ab, wobei Corona diesen Prozess noch beschleunigte. Spätestens jetzt ist klar: Digitalisierung ist für jede Bank wichtigstes Pflichtfach. Doch wie sieht das genau aus?

Digitalisierung bedeute im Bankensektor vor allem eine tiefgreifende Erneuerung von Strukturen und Prozessen, erklärt Vogel: Automatisierte Abläufe, neue Angebote und digitale Beratungsunterstützungen. Dafür wurden am Schaffhauser Hauptsitz eine gute Handvoll Projekte initiiert, für die zusätzliche Spezialisten eingestellt wurden. 2002 verzeichnete die Bank eine Steigerung des Personalaufwands von drei Millionen Franken. Der Sachaufwand belief sich auf 14,2 Millionen Franken, unter anderem stark getrieben durch höhere Ausgaben für Informatikdienstleistungen. Und die Investitionen sind noch nicht abgeschlossen: Für aktuelle und neue Digitalisierungsprojekte stehen Reserven in der Höhe von 12,3 Millionen Franken bereit.

Vogel sieht drei Kernbereiche:

  • Die Neugestaltung der Abläufe, wofür in Robotics investiert wird. Grundsätzlich gelte: Je weniger Schnittstellen es zwischen den Systemen gebe, desto besser. Neue Workflow-Tools sollen zudem die Optimierung der internen Prozesse weiter vorantreiben.
  • Als zweiter Investitionsbereich werden digitale Hilfsmittel für die Beratung entwickelt. Das sind Tools, die die Kundenberater bei ihrer Tätigkeit unterstützen. Anhand von Simulationen, Grafiken und Bildern werden beispielsweise Anlagekunden umfassend informiert. Ein weiteres Tool hilft, dass im Rahmen des Beratungsgesprächs alle wichtigen finanziellen Themen angesprochen und gleichzeitig die Daten strukturiert erfasst werden. Und ein drittes Instrument – momentan noch in der Planung – wird in der Hypothekarberatung unterstützen, um Einsparpotenziale aufzuzeigen oder beispielsweise mögliche Entwicklungsszenarien im Immobilienmarkt zu skizzieren.
  • Als dritter Bereich werden das E-Banking und die Mobile-App laufend weiterentwickelt. Hier ist der Kunde selbst am Drücker. Daher soll alles so einfach wie möglich sein. «Dafür muss auch die Produktpalette neu gedacht, beziehungsweise vor allem reduziert werden, damit sich der Kunde optimal zurechtfindet», erklärt Martin Vogel.

Kunden nicht allein lassen

Auf weniger Begeisterung stossen bei Vogel hingegen Investitions-Apps, die mittlerweile auf dem Markt angeboten werden. «Ich bin kein grosser Fan dieser Lösungen und denke nicht, dass sie die Zukunft sind. Ich bezweifle, dass jemand, der sich das erste Mal mit Geldanlagen befasst, sich eingehend genug mit der Materie auseinandersetzt, um wirklich begründete Anlageentscheidungen zu treffen.» Bei kleinen Beträgen möge dies vielleicht einmal gehen. Er stelle jedoch oft fest, dass die Tools nicht das erhoffte Resultat brächten, wenn Fachunkundigen freie Hand gelassen wird. «Und dann kommt plötzlich die Frage: ‘Was ist denn jetzt passiert?’. Die App gibt darauf keine Antwort mehr.» Er verstehe, dass Kunden in einem Bereich, in dem sie sich auskennen, selbst investieren wollen. «Meiner Meinung nach sollte aber gerade bei einem anspruchsvollen Thema wie Anlegen eine Begleitung und Beratung stattfinden.» Darauf lege seine Bank grossen Wert.

Die Sache mit den Kooperationen

Wichtig ist bei der Digitalisierung, sich auf die richtigen Partner verlassen zu können. Grössere Kooperationsmodelle stossen bei Vogel jedoch auf Skepsis. Zwar sei es ein Vorteil, die Kosten mit Partnern teilen zu können, andererseits würden die Projekte erfahrungsgemäss dann doch teurer als zunächst angenommen und man sei oft zu Kompromissen gezwungen. Und manchmal dauere es auch einfach zu lange. «Wir suchen immer wieder Kooperationen, allerdings sind wir in Schaffhausen auf Geschwindigkeit und schnelle Entscheide bedacht und deshalb machen wir es dann halt ab und zu lieber selber.»

Digitale Lounge für Kunden

Neue Wege geht die Kantonalbank in Sachen Digitalisierung auch mit einer geplanten Lounge. Am Hauptsitz ist ein Begegnungsort angedacht, wo Spezialisten Kunden auf dem Weg in die digitale Welt begleiten und ihnen Schritt für Schritt aufzeigen, wie beispielsweise digitale Bezahlformen oder E-Banking funktionieren. «Und wenn die Kunden ein neues Konto eröffnen, installiert ihnen ein Mitarbeiter von uns auf ihren Mobilgeräten alles, was sie für den täglichen Gebrauch benötigen – und dies erst noch bei einem der besten Kaffee der Stadt.»
Klingt gut, doch geht es dabei nicht einfach um eine Sparmassnahme? Vogel findet, es handle sich um eine klassische Win-win-Situation: Die Bank investiere enorme Summen in die Digitalisierung und natürlich müsse sich das irgendwann rechnen. «Es gibt zwei Wege, um die Kunden mit dem digitalen Bankgeschäft vertraut zu machen: Mit Zwang, zum Beispiel mit Einführung von hohen Zusatzkosten, oder aber mit Begleitung. Wir wählen Letzteres.»

Zukunft ohne Schalter?

Bleibt die Gretchenfrage, ob es bei der Kantonalbank in zehn Jahren noch Bankschalter gebe. CEO Martin Vogel will sie nicht direkt beantworten. Dies hänge davon ab, wohin die Entwicklung in Sachen bargeldlosem Zahlen in der Schweiz gehe. Gewisse politische Kreise strebten die Abschaffung von Bargeld an und auch der Regulator sei froh über die Digitalisierung aufgrund der besseren Überwachbarkeit. Auf der anderen Seite gebe es Personen, die digitale Zahlungsmittel dezidiert ablehnten. «Sicher ist jedoch, dass in zehn Jahren viel weniger Bargeld im Umlauf sein wird als heute.»

 

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