«Das ist absolut kein PR-Gag»

Iris Fontana | 
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Hansueli Graf will beides sein: Land- und Energiewirt. Bild: ZVG

Bauernhöfe als Energielieferanten? Hansueli Graf, Präsident von Landenergie Schaffhausen, ist überzeugt, dass das funktioniert und die Bauern ihren Teil zur Entspannung an der Energiefront beitragen können. Wir haben den umtriebigen Oberhallauer Kantonsrat zum Interview getroffen. Ein Gespräch über alternative Energieproduktion im Kanton, über nicht ausgeschöpfte Potenziale und die Tücken von Biogas.

Herr Graf, Sie wollen Bauernhöfe zu kleinen Energieunternehmen machen – ist das ein PR-Gag oder ein echter Beitrag zur Lösung der Energiefrage?

Hansueli Graf: Das ist absolut kein PR-Gag. Unser Ziel von Landenergie ist es, alle vorhandenen regionalen Ressourcen möglichst wirtschaftlich zu nutzen. Unser Fokus als Landwirte lag bisher auf unserem Boden, aber wir verfügen auch über ein riesiges ungenutztes Potenzial auf unseren Dächern. Eine wunderbare Möglichkeit, einen Beitrag zu den aktuellen Herausforderungen wie Energieknappheit und Unabhängigkeit mit regionalen Projekten zu leisten. Die sichere Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Energie sehen wir als Grundauftrag.

Sie sind Präsident von Landenergie Schaffhausen: Wie gross ist das Potenzial an erneuerbarer Energie im Kanton Schaffhausen?

Graf: Wenn wir alle bestehenden Dächer von allen Liegenschaften innerhalb und ausserhalb der Landwirtschaft mit Photovoltaik ausrüsten könnten, wäre das Potenzial im Sommerhalbjahr gigantisch. Leider scheitern wir im Bereich der Landwirtschaft, wo grosse Möglichkeiten bestünden, jedoch oft am Netzzugang. Viele Höfe sind nicht im verfügbaren Umfang erschlossen und können leider nur einen Teil der möglichen Kraftwerkleistung auf ihre Dächer packen. Meiner Ansicht nach bräuchte es einen klaren politischen Auftrag an die Netzbetreiber, bei Bedarf auch weniger attraktive Gegenden entsprechend zu erschliessen. Der Wille sein Dach zu nutzen ist meistens da, in der Praxis scheitert es dann oft am Einspeisepunkt.

Als Landenergie Schaffhausen nehmen Sie auch eine Beratertätigkeit wahr. Wie stark wird das Angebot von den Landwirten genutzt?

Graf: Seit einem Jahr spüren wir eine explosionsartige Zunahme an Anfragen, da mittlerweile allen bewusst geworden ist, dass die Energie ein erheblicher Kostenfaktor ist. Wenn die Möglichkeit zur Eigenproduktion von Strom vorhanden ist, muss diese genau analysiert werden. Neben dem Bewusstsein ist die Umsetzung auch stark von äusseren Rahmenbedingungen, konkret von Förderprogrammen, abhängig. So gab es von 2008 bis 2010 die kostendeckende Einspeisevergütung, welche damals viele Projekte angestossen hat. Die Förderspielregeln wurden geändert und in der Folge oft nur kleine Eigenverbrauchsanlagen gebaut. Am ersten Januar dieses Jahres startete ein neues Förderprogramm für Produktionsanlagen ohne Eigenverbrauch, da die Entwicklung zu langsam voranging. Dies trug ebenfalls zu diesem aktuell grossen Schub bei. Als Landenergie verstehen wir unseren Auftrag im Aufklären, Motivieren, Vernetzen und als Multiplikator.

Im Januar wurde vom Schaffhauser Parlament Ihr Vorstoss zur Steigerung der Energiegewinnung aus Biogasabfällen, den Sie zusammen mit Kantonsrätin Andrea Müller eingereicht hatten, abgesegnet. Was erhoffen Sie sich nun konkret?

Graf: Die verschiedenen Hürden müssen abgebaut werden. Denn wir haben das Problem, dass die Errichtung von grösseren leistungsfähigen Biogasanlagen in der Landwirtschaftszone aufgrund gesetzlicher Vorgaben eigentlich gar nicht möglich ist. Andererseits möchte wegen der verschiedenen Emissionen auch niemand solche Anlagen in der Siedlungszone errichten. Gleichzeitig sollte die Energie aber dann doch in einen Wärmeverbund eingespeist werden können, das heisst, die Distanz zur Siedlung darf auch nicht zu gross sein. Dieser Spagat, zusammen mit den bestehenden gesetzlichen Hürden, ist schwierig. Hier wünschen wir uns politische und gesetzliche Hilfestellung.

Kritiker bemängeln die relativ hohen Kosten der Stromerzeugung aus Biogas. Was antworten Sie ihnen?

Graf: Diese haben leider recht, doch ist sie ein wichtiger Baustein. Grundsätzlich ist der Strom aus Photovoltaik am günstigsten, da hier auch die Technologie zur Verfügung steht, die eine günstige Produktion erlaubt. Dies gilt auch für Windanlagen, die je höher, je wirtschaftlicher sind. Biogas rechnet sich aufgrund der täglichen Arbeitsintensivität nicht ohne unterstützende Massnahmen. Ihr Vorteil ist jedoch, dass die Energie speicherbar ist – sowohl das Substrat als auch das Gas. Deswegen braucht es alle verfügbaren Komponenten: Wind, Sonne und Biomasse, welche speicherbare Energie produzieren. In der Schweiz werden grundsätzlich nur sogenannte Abfallstoffe der vor- und nachgelagerten landwirtschaftlichen Produktion wie beispielsweise von Müllereien, Rüstbetrieben und Kommunen vergast.

Man hört es heraus: Sie sind ein Photovoltaik-Fan und haben Ihre Wohn-und Betriebsgebäude damit bestückt. Lohnt sich die Investition?

Graf: Auf jeden Fall. Je nach Dachfläche und Erschliessungskosten ist sie sehr oder mässig wirtschaftlich, lohnen tut sie sich jedoch praktisch in jedem Fall. Dachunterhalt müssen wir sowieso betreiben und mit der Photovoltaikanlage haben wir eine grössere Wertschöpfung unserer Betriebsgebäude erreicht. Ausserdem produziere ich günstigeren Strom für den Eigenverbrauch und wenn ich damit gar noch Produktionsanlagen betreiben kann, profitieren alle noch stärker. Die aktuellen Förderprogramme helfen mit, allfällige Erschliessungskosten besser zu finanzieren.

Wie sieht das konkret auf Ihrem Hof aus?

Graf: Wir besitzen Produktions- und Eigenverbrauchsanlagen, einen Batteriespeicher und intelligente Steuerung. Damit können wir den Eigenverbrauch zu etwa 60 Prozent decken. Ohne Batterie und intelligente Steuerung läge der Wert durchschnittlich über das ganze Jahr zwischen 30-40 Prozent. Unsere Photovoltaikanlagen verfügen über eine Leistung von 150 Kilowatt-Peak (kWp) und damit produzieren wir rund 150'000 Kilowatt-Stunden (kWh) im Jahr, was einem Stromverbrauch von 40-50 Haushalten entspricht.

Hansueli Graf

Hansueli Graf

Der 60-jährige eidgenössisch diplomierter Meisterlandwirt Hansueli Graf ist hauptberuflich als Landwirt und als Berater im Pflanzenschutz tätig. Daneben hat er das Präsidium von Landenergie Schaffhausen inne und ist Kantonsrat der SVP Agro. Von 2009 bis 2020 amtete er in seinem Heimatort Oberhallau als Gemeindepräsident.

Hansueli Graf in der Rundschau

Spannender Beitrag aus der Rundschau zum Thema Agro-Photovoltaik mit Hansueli Graf: Hier ansehen

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