IWC gewinnt den Uhren-Oscar: «Als Schaffhauser dürfen wir darauf stolz sein»
Die beste Uhr des Jahres kommt zum ersten Mal aus Schaffhausen. Lorenz Brunner, Leiter der Innovationsabteilung, gibt Einblicke in die Entwicklung des Zeitmessers. Die Uhr muss erst im Jahr 3999 nachgestellt werden – und macht Brunner auch ein wenig demütig.
Was für Hollywood der Oscar ist, ist für die Luxusuhrenwelt der Aiguille d’Or: das Nonplusultra, die höchste Auszeichnung, von der sich träumen lässt. Am 13. November durfte IWC ebenjenen Preis im Genfer Théâtre du Léman in Empfang nehmen. Die vor allem aus der Westschweiz stammende Konkurrenz wurde von IWCs «Eternal Calendar» überstrahlt, der es im Vergleich mit den «Artgenossen» anderer Hersteller viel genauer nimmt. Doch dazu unten mehr.
Der Sieg ist eine Premiere: Zum ersten Mal kommt der «goldene Zeiger» nach Schaffhausen – von der Rhone an den Rhein. Die Manufaktur darf sich rühmen, die herausragendste Uhr der Show eingereicht zu haben, einen Zeitmesser, «welcher die Uhrenindustrie als Ganze am besten repräsentiert», wie die Veranstalter in ihrem Regelwerk schreiben.
«Ob die Idee tatsächlich funktioniert, erfährt man erst, wenn der Prototyp vorhanden ist.»
Dass der Preis einer grösseren Manufaktur verliehen wird, ist eher aussergewöhnlich. In den letzten Jahren wurde diese Ehre meist kleineren, unabhängigen Uhrmachern zuteil. Aufgehoben unter dem grossen Richemond-Dach, ist IWC mit seinen bekannten Portugieser- und Fliegeruhren eigentlich weniger auf aufmerksamkeitsheischende Neuigkeiten angewiesen – und hat die 26-köpfige Jury aus Journalisten, Sammlern und Uhrmachern trotzdem mit ihrem innovativen Zeitmesser überzeugt.
Viel Optimismus
Verantwortlich für die Entwicklung des «Eternal Calendar» ist Lorenz Brunner, Leiter der Innovationsabteilung. «Wir haben uns sehr gefreut: Es ist eine grosse Anerkennung für die Arbeit, die wir als Team machen. Wir haben auch heute noch geniale Ingenieure, die preisgekrönte Uhren entwickeln können.» Auch als Schaffhauserin und als Schaffhauser dürfe man auf diesen Preis ein wenig stolz sein. Völlig überraschend sei der Gewinn des höchsten Uhrenpreises für ihn nicht gewesen. «Ich muss ehrlich sein: Wir haben uns bei der Einreichung gedacht, wenn wir mit dieser Uhr nicht siegen, dann werden wir wohl nie gewinnen.»
«Viele geniale Ideen entstehen an einem Kaffeetisch.»
Die Uhr baut auf dem von Kurt Klaus entwickelten Ewigen Kalender auf und integriert in der Klaus’schen Erfindung ein Rädchen, das sich einmal in 400 Jahren dreht und so sämtliche (übersprungene) Schaltjahre bis ins Jahr 3999 berücksichtigen kann. Der Zeitmesser, der 150'000 Franken kostet, muss bis dann also theoretisch nie nachgestellt werden und zeigt ganz von alleine immer akkurat den Tag, den Monat und das Jahr an.
Einfach ist schwierig
«Wir sind nicht die Ersten, die einen säkularen Ewigen Kalender in einer Armbanduhr präsentieren», räumt Brunner ein. Nur hätten die anderen (darunter Franck Muller und Furlan Marri) die gleiche Aufgabe mit deutlich mehr Teilen gelöst. «Wir haben dem Ewigen Kalender von Kurt Klaus nur acht Teile hinzugefügt, während andere Hersteller mindestens 50 zusätzliche Teile verbauen mussten, um den Ewigen Kalender zu modifizieren.» Mit anderen Worten: Man habe für ein kompliziertes Problem nicht nur einfach eine Lösung gefunden, sondern eine einfache Lösung gefunden – was besonders schwierig sei.
«Entweder man hat die Idee oder man hat sie nicht.»
«Es ist ein bisschen wie mit dem Ei des Kolumbus, entweder man hat die Idee oder man hat sie nicht.» Immerhin lasse sich der kreative Prozess durch den persönlichen Austausch fördern. «Viele geniale Ideen entstehen an einem Kaffeetisch. Wir sind froh, dass wir nach dem Lockdown wieder vor Ort miteinander arbeiten können.» Am Anfang sei da noch ein bisschen Nervenkitzel gewesen.
«Ich war zwar optimistisch, weil ich den Ingenieur sehr gut gekannt und geschätzt habe. Aber ob die Idee tatsächlich funktioniert, erfährt man immer erst, wenn der Prototyp vorhanden ist.» Und dieser bestätigte, was zuvor auch Computersimulationen gezeigt hatten: Die Uhr tut, was sie soll.
Unvorstellbar genau
Von der Idee bis zum ersten funktionierenden Uhrwerk sei es verhältnismässig schnell gegangen: zweieinhalb Jahre. Durchschnittlich dauerten Projekte bei ihm deutlich länger, bis zu zehn Jahre, so Brunner. Neben dem modifizierten Ewigen Kalender ist die Uhr auch mit einer schier unglaublich genauen Mondphase ausgestattet. «Ursprünglich haben wir den säkularen Kalender und die Mondphase unabhängig voneinander entwickelt, es ergab aber Sinn, sie in einer Uhr zu vereinigen.»
«Die Uhr lässt träumen und macht ein Stück weit auch demütig.»
Gut 45 Millionen Jahre lang soll die Mondphase die wechselnden Lichtgestalten unseres Begleiters richtig wiedergeben. Das ist in der Uhrenwelt ein neuer Höchstwert, der kürzlich auch vom Guinness-Buch der Rekorde anerkannt wurde. Die unvorstellbar langen Zeiträume faszinieren Brunner. «45 Millionen Jahre – in diesem Zeitraum verschieben sich Kontinente. Das lässt träumen und macht ein Stück weit auch demütig. Wir sollten unser Bestes tun, dass es auch dann noch Uhrmacher gibt, die diese Uhr reparieren und sie einstellen können.»