Die bessere Altersvorsorge

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Das Erwerbseinkommen garantiert die Finanzierung des Staats und des eigenen Ruhestands. Mangels korrekter Anreize leiden Eltern und Staat gleichermassen.

von Dr. Veronica Weisser*

Nehmen wir an, alle entscheiden sich plötzlich, keine Kinder mehr zu haben. Der Schweizer Staat geht bankrott, lange bevor der letzte Einwohner verstirbt. Auch Kredite kann dieser Staat nicht aufnehmen ohne ein Volk, das den Kredit in Zukunft bedient. Bekanntlich sind die AHV und Gesundheitsversorgung im Umlageverfahren finanziert – faktisch gilt die Umlagefinanzierung aber für den gesamten Staatshaushalt (inklusive Ausgaben für Verkehr, ­Sicherheit, Landwirtschaft und Weiteres). Jede Generation finanziert durch ihre Wertschöpfung, Steuern und Abgaben die Generation ihrer Eltern. Generationen, die nie zu Eltern werden, sind in unserem System nicht finanziert.

Aus finanzieller Sicht des Staates ist der oder die gesunde und gut ausgebildete 18-Jährige der perfekte «Asset», da er oder sie noch viele Jahre erwerbstätig und somit abgabepflichtig sein wird. Zwar heisst es, Kinder seien Privatsache, doch in Tat und Wahrheit sind sie eine zwingende Notwendigkeit der staatlichen Finanzierungsstrukturen. Die Kehrseite der Vorteile von Kindern für den Staat zeigt sich bei den Nachteilen in der finanziellen Situation von Eltern.

«Generationen, die nie zu Eltern werden, sind in unserem System nicht finanziert.»

Ein durchschnittliches Paar mit zwei Kindern ist bei Erreichen des Rentenalters um gut 1 Million Franken schlechter gestellt als das identische Paar ohne Kinder, wie die Studie «Kinder und Altersvorsorge – Ein komplexes Kosten-Nutzen-Verhältnis» der UBS gezeigt hat. Der grösste Kostenpunkt für Eltern ist in der Regel die ­Reduktion des Erwerbseinkommens aufgrund der Betreuung und entschleunigter Karrieren. Dem folgen beispielsweise die Kosten für externe Betreuung, Wohnraum, Lebensmittel, Krankenversicherung und Bildungsausgaben. Dass Mütter im Durchschnitt bei Erreichen des Rentenalters nur etwa halb so hohe Pensionskassenrenten erhalten wie Männer, erklärt sich dadurch, dass ihre Arbeit während der Erziehungsphase aus finanzieller Sicht lediglich dem Staat zugutekommt.

Die Frage drängt sich auf, ob und in welcher Form Eltern für die Erziehungs­leistung ein staatliches Entgelt verlangen könnten. Müsste der Staat diese Kinder mit derselben Betreuungsqualität Tag und Nacht in Heimen erziehen lassen, so wäre der Staat wohl noch früher bankrott, als wenn niemand mehr Kinder hätte, denn ein äquivalentes Erziehungsentgelt würde gigantische Kosten verursachen. Auch entstünden für die Schweiz ungünstige Anreize, welche die traditionelle Rollenverteilung verschärfen dürften. Dabei würde sich der Fachkräftemangel zuspitzen, weil mehr Eltern dem Arbeitsmarkt länger fernbleiben würden. Schliesslich dürfte es auch politisch unmöglich sein, eine solche Forderung umzusetzen.

Realistisch und zielführend für die Schweiz wäre hingegen eine grosszügige staatliche Finanzierung der externen ­Kinderbetreuung. Die Familien würden höhere Erwerbseinkommen erzielen, dadurch mehr Steuern bezahlen, die Mütter (beziehungsweise Eltern) blieben dem Arbeitsmarkt in viel höherem Masse erhalten und würden ihre Erwerbskarrieren intakt ­halten und ihre 2.-Säule-Konten äufnen. Frauen müssten sich seltener zwischen Beruf und Familie entscheiden und könnten sich vermehrt in Unternehmen, Politik und Gesellschaft positionieren.

Mit einer staatlich finanzierten Kinderbetreuung können Mütter die staatlichen Strukturen durch Steuern und Kinder speisen und sich gleichzeitig eigenverantwortlich für das Alter absichern.

* Dr. Veronica Weisser ist Ökonomin und leitet den Bereich Retirement & Pension Solutions bei UBS Schweiz.

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