EU-Rahmenabkommen: Bundesrat setzt auf Nachverhandlungen

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Der Bundesrat will das Rahmenabkommen mit der EU nur nach weiteren Klärungen unterzeichnen. Symbolbild

Es ist ein deutliches «Ja, aber...». Die Schweiz unterzeichnet das institutionelle Abkommen vorläufig nicht - eine klare Absage erteilt der Bundesrat der EU aber auch nicht.

Der Bundesrat will das institutionelle Abkommen mit der EU vorläufig nicht unterzeichnen. Er beurteilt das Verhandlungsergebnis zwar insgesamt positiv, verlangt aber Klärungen. Das hat der Bundesrat am Freitag entschieden. Dabei nahm er auch die Ergebnisse der Konsultationen mit Parteien und Verbänden der vergangenen Monate zur Kenntnis. Die meisten Teilnehmenden hatten einem institutionellen Abkommen grundsätzlich zugestimmt, jedoch Nachverhandlungen verlangt.

Den Begriff «Nachverhandlungen» vermeidet der Bundesrat in seinem Schreiben, das er am Mittwoch an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geschickt hat. Die Kommission hatte nach Abschluss der Verhandlungen Ende 2018 Nachverhandlungen kategorisch ausgeschlossen. In dem Schreiben des Bundesrats ist denn auch von «Klärungen» und «Präzisierungen» die Rede.

Volk redet mit

Darin erinnert der Bundesrat den EU-Kommissionspräsidenten daran, dass in der Schweiz auch die Bevölkerung ein Wort mitzureden hat zum institutionellen Abkommen (Insta). Eine Abstimmung sei so gut wie sicher, schreibt er. Zudem werde demnächst auch über eine Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit abgestimmt. Diese hat der Bundesrat am Mittwoch zur Ablehnung empfohlen.

In den Konsultationen der letzten Monate habe sich gezeigt, dass drei Elemente des Entwurfs für ein institutionelles Abkommen in der vorliegenden Form nicht mehrheitsfähig seien, schreibt der Bundesrat an Juncker. Es handelt sich um den Lohnschutz, die staatlichen Beihilfen und die Unionsbürgerrichtlinie. Der Bundesrat will daher festhalten, dass Regeln über staatliche Beihilfen nicht in einem Bereich wirksam werden dürfen, in denen die Schweiz keinen vertraglich abgesicherten Zugang zum EU-Binnenmarkt hat. Zudem müsse der Lohnschutz auf dem in der Schweiz geltenden Niveau garantiert werden. Schliesslich hält der Bundesrat fest, dass das Insta nicht so interpretiert werden dürfe, dass die Schweiz zur Übernahme der Unionsbürgerrichtline verpflichtet werden könnte. 

Der Bundesrat sei bereit, mit der EU in diesen drei Aspekten eine für beide Seiten befriedigende Lösung zu suchen, heisst es in einer Medienmitteilung. «Diese soll es erlauben, das Abkommen zu unterzeichnen und dem Parlament zu unterbreiten.» In den Prozess will er auch die Kantone und die Sozialpartner einbinden.

Unterschrift möglich

Der Entscheid des Bundesrats ist keine Überraschung. Der Schweizer Chefunterhändler Roberto Balzaretti hatte schon vor einem Monat durchblicken lassen, dass der Bundesrat das Abkommen in der ausgehandelten Form nicht unterzeichnen werde. Eine klare Absage an die EU war ebenfalls nicht zu erwarten. Dafür steht wirtschaftlich zu viel auf dem Spiel. Eine Unterzeichnung schien aufgrund der Ergebnisse der Konsultation ebenfalls keine Option. Insgesamt war die Zustimmung zwar grösser als erwartet. In der vorliegenden Form würde das Abkommen aber kaum jemand unterzeichnen. Die FDP stellt sich zwar klar hinter den Vertragsentwurf, verlangt aber Konkretisierungen. Ähnlich haben sich economiesuisse und die Arbeitgeber positioniert.

Die CVP will ein institutionelles Abkommen, aber nicht um jeden Preis. Sie knüpft ihre Zustimmung an Bedingungen, insbesondere zum Lohnschutz und zu den Beihilfen. Zudem will sie den Einbezug von Parlament und Volk bei der Rechtsübernahme sicherstellen. Auf einem ähnlichen Kurs sind die Wirtschaftskommissionen beider Räte. Sie verlangen Zusatzverhandlungen. In diesen soll das institutionelle Abkommen insbesondere beim Lohnschutz, bei den staatlichen Beihilfen und in Sachen Unionsbürgerrichtlinie verbessert werden. Die Ständeratskommission stellt weitere Forderungen in Bezug auf die Streitbeilegung und die demokratischen Mitspracherechte.

Die SP hat nach eigenen Angaben keine gefestigte Haltung zum Insta, dafür viele offene Fragen. Die meisten davon drehen sich ebenfalls um flankierende Massnahmen, staatliche Beihilfen, Unionsbürgerrichtlinie und Streitbeilegung. Für die Gewerkschaften gilt der Lohnschutz weiterhin als rote Linie. Die SVP lehnt den Entwurf als einzige Partei rundweg ab.

Wenig Rückhalt

In der Bevölkerung hat das Rahmenabkommen in der vorliegenden Form keinen Rückhalt. Gemäss einer Umfrage von «Le Matin Dimanche» und der «SonntagsZeitung» wollen lediglich 20 Prozent, dass der Bundesrat den EU-Rahmenvertrag rasch und ohne Änderungen unterschreibt. Grösser ist die Zustimmung in der Wirtschaft. Eine Umfrage von economiesuisse ergab, dass zwei Drittel der Unternehmen das Abkommen unterstützen. Der Wirtschaftsdachverband hatte allerdings nur Unternehmen mit 20 oder mehr Mitarbeitern. (sda/lex)

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