«Bin lieber Sekretär als General»

Anna Kappeler | 
Noch keine Kommentare

Er ist der neue Co-Generalsekretär der SP Schweiz: der Thaynger Michael Sorg. Was reizt ihn an diesem Job? Und wann vermeidet er Gespräche über Politik?

Am Abend vor dem Treffen schreibt Michael Sorg nochmals ein Mail. Es gebe einen Engpass mit dem Babysitter. Und so kommt es, dass Sorg zum Gespräch nicht alleine, sondern zusammen mit seinem achtmonatigen Kind erscheint.

Sorg ist aktuell im Vaterschaftsurlaub, den er sich mit der Freundin teilt. Ganz ohne Arbeit geht es trotzdem nicht. Seit er letzten Monat von den Genossen einstimmig zum Co-Generalsekretär gewählt wurde, muss seine Nachfolge als Pressesprecher der SP Schweiz geregelt werden. Unter anderem für diese Vorstellungsgespräche pendelt Sorg auch momentan regelmässig nach Bern ins Parteisekretariat. Etwas an entscheidender Stelle mitbewirken zu können, das gefällt Sorg am neuen Job. Die Kehrseite: «Immer im Rampenlicht zu stehen und nie Feierabend zu haben.» Damit aber könne er gut leben.

Aus einer SP-Familie

Aufgewachsen ist Sorg in Thayngen. Seine ganze Familie politisiert aktiv in der SP, und so hat auch Sorg seine politische Heimat früh gefunden: «Die SP steht für eine gerechte Verteilung des Wohlstands, für soziale Sicherheit und für Klimaschutz. Das sind auch meine Werte.» Als Teenager der FDP beizutreten, nur um die Eltern zu schockieren, habe er sich nie überlegt. «Obwohl», sagt er lachend, «das wäre durchaus eine effektive Rebellion gewesen.» Aber warum gerade die SP, die doch manchmal etwas altbacken und steif daherkomme? Das sieht Sorg erstens anders, und zweitens habe es zu seiner Jugendzeit in Schaffhausen die AL noch gar nicht gegeben. «Und die ÖBS war mir zu wenig links.» Als junger Linker sei man damals in Thayngen ein Exot gewesen. Schlimm fand Sorg das nie.

Mit 20 zieht Sorg nach Bern, um zu studieren. Die Wahl der Bundesstadt sei Zufall. «Ach, ich wollte einfach auf eigenen Beinen stehen und zu Hause ausziehen. Zürich war mir zu nahe. Basel blöd. Blieb Bern», sagt Sorg und nimmt einen Schluck Kaffee. Während des Geschichtsstudiums – «das war vor Bologna, entsprechend hatte ich nur wenige Pflichtstunden pro Woche» – beginnt Sorg als persönlicher Mitarbeiter des damaligen SP-Präsidenten Hans-Jürg Fehr zu arbeiten. Wie Fehr gerade auf ihn, das damals ganz gewöhnliche Basismitglied, kam? Sorg grinst: «Fehr ist der Nachbar meiner Schwiegereltern.»

«Selten grundlegende Dispute»

Nach dem Studium arbeitet Sorg einige Jahre in der Privatwirtschaft beim Online-Vergleichsportal Comparis in der Kommunikation. Bern wird ihm als Wohnort «zu eng und zu provinziell». Er zieht ins grössere Zürich. Bis heute schätzt er an der Limmatstadt auch die Anonymität, die sei im Vergleich zum dauernden Geschwätz in einem Dorf wie Thayngen eine Wohltat. Auch beruflich kündigt sich ein Wechsel an: Als die SP Schweiz via Inserat einen Pressesprecher sucht, zögert Sorg nicht lange. Bewirbt sich, stellt sich vor. Und hat den Job. Das Berufsprofil des Sprechers bringe es mit sich, dass man gegen aussen kommuniziere, was die Partei beschlossen habe. Auch wenn es mal nicht der persönlichen Haltung entspricht. «Das ist dann halt so», kommentiert Sorg lapidar. Da sei es von Vorteil, dass es in der SP selten grundlegende Dispute gebe. Moment, Herr Sorg, und was ist mit der Wirtschaftspolitik? Seit Jahren ringt die Partei darin um eine gemeinsame Richtung, und der linke und der liberale Flügel werden sich nicht einig. Ja, sagt Sorg, zum Glück sei das so: «Das zeigt, dass die Partei lebendig ist.» Sorg selber verortet sich in der Parteimitte, «im Zweifel links davon». Was aber nicht relevant sei, da er als ­Generalsekretär seine eigene Haltung ohnehin zurücknehmen müsse.

«Seit ich in einer Führungsposition arbeite, merke ich, Teilzeitler sind eine organisatorische Herausforderung.»

Überhaupt, sagt er, den neuen Job könne man als «General» oder als «Sekretär» ausüben, für Rebekka Wyler und ihn sei das Ziel klar Letzteres. Beide werden je in einem 70-Prozent-Pensum arbeiten. Sorg findet Teilzeitarbeit grossartig. Unausgesprochen schwingt dabei ein lautes Aber mit. «Aber», sagt Sorg dann auch tatsächlich nach einer kurzen Pause, «seit ich in einer Führungsposition arbeite, merke ich, dass Angestellte in Teilzeit eine organisatorische Herausforderung sind.» Früher habe er solche Aussagen stets als reines Jammern der Arbeitgeber abgetan.

Viele SVPler als Freunde

Schaffhauser ist Sorg «immer noch sehr gern», er vermisst in Zürich und Bern das Falkenbier sowie Familie und alte Freunde. Letztere übrigens wählen vielfach SVP oder sonst bürgerlich. Kein Problem? Sorg schmunzelt: «Manchmal versuche ich schon, Gespräche über Politik zu vermeiden. Weil ich weiss, da bin ich auf verlorenem Posten.» Sich gegenseitig missionieren zu wollen, bringe niemandem etwas. Für die eigene Horizonterweiterung seien solche Gespräche allerdings bereichernd. Sorg würde sich auch heute noch mit seinen ehemaligen Fussballgspänli befreunden, die Frage sei mehr, ob er ihnen noch begegnen würde. «Die Überschneidungspunkte im Alltag sind halt nicht mehr sehr gross.»

Sorg nimmt’s mit Humor. Wie er ganz allgemein für mehr Spass und weniger Verbissenheit in der Politik plädiert. «Die SP ist zugegeben manchmal etwas argwöhnisch.» Das höre er von Journalisten immer wieder. «Wir arbeiten daran, dass unsere Leute auch im Umgang mit den Medien lockerer werden.» Die junge Generation habe das bereits gut verinnerlicht. Es komme gut.

Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben

Diese Funktion steht nur Abonnenten und registrierten Benutzern zur Verfügung.

Registrieren