Er hat das Casino im Wohnzimmer

Andreas Fröhli ist professioneller Onlinepokerer. Wenn der Nationalrat heute über das Geldspielgesetz berät, geht es für den ehemaligen Lehrer um viel.
von Michel Burtscher
Ihn bringt nicht viel in Rage. Doch wenn Andreas Fröhli über das neue Geldspielgesetz spricht, das heute Thema im Nationalrat ist, dann wird er wütend. Er stört sich vor allem an den Netzsperren, mit denen der Zugriff aus der Schweiz auf die Internetseiten ausländischer Onlinecasinos künftig blockiert würde. Gleichzeitig könnten die hiesigen Casinos neu eigene Internetspiele anbieten. Fröhli nervt, dass die Sicht von Onlinespielern wie ihm nicht wirklich berücksichtigt wird in der ganzen Debatte.
Er sitzt in seinem Wohnzimmer im zugerischen Rotkreuz. Während draussen die Sonne scheint, leuchten auf dem Schreibtisch vor ihm drei Computerbildschirme. Darauf sind mehrere virtuelle Pokertische zu sehen, Fröhli ist gerade verbunden mit Spielern aus verschiedenen Ländern. Seit Anfang dieses Jahres ist das sein Arbeitsplatz. Seinen Beruf als Lehrer hat er an den Nagel gehängt, er will es jetzt als professioneller Pokerspieler versuchen. Manchmal macht er das im Casino oder an Turnieren auf der ganzen Welt, meistens aber spielt er zu Hause an seinem Computer, bei ausländischen Anbietern, im Schnitt zwischen 30 und 35 Stunden pro Woche.
Zu wenig Spieler in der Schweiz
Fröhli spricht schnell und viel, wenn er versucht aufzuzeigen, wie er spielt und was dahintersteckt. Für ihn ist Poker nur zum Teil ein Glücksspiel. Er hat eine Strategie mit standardisierten Spielzügen, die er ständig weiterentwickelt. Schon als Kind hätten ihn Zahlen fasziniert, erzählt der 28-Jährige. Nach der Kantonsschule hat er während der Ferien in Australien das Pokern entdeckt, damals noch ohne Geldeinsatz. Heute spielt er manchmal an zwölf virtuellen Pokertischen gleichzeitig. Da geht es dann teilweise um Gewinne von bis zu 10 000 Franken. Reich wird Fröhli mit dem Pokern im Internet aber nicht – jedenfalls noch nicht. Denn auch mit seiner Strategie ist Gewinnen nicht garantiert. In den letzten drei bis vier Jahren, als er nur nebenbei gepokert hat, habe er insgesamt zwischen 80 000 und 90 000 Franken verdient, sagt Fröhli. «Wenn ich auf meine Ausgaben achte, komme ich damit über die Runden.» Er wohnt in einer WG, leistet sich nicht viel Luxus.
Wenn der Nationalrat heute über die Netzsperren berät, dann geht es für Fröhli nicht um sein Hobby, es geht um seine Existenz – und am Schluss geht es auch darum, ob er in Zukunft weiterhin in der Schweiz wohnen wird. Denn für Fröhli ist klar: «Kommt das Gesetz so durch, ziehe ich ins Ausland.» Weit weg will er nicht, immerhin hat er noch Familie und Freunde hier. Doch in der Schweiz bleiben, das möchte er mit Netzsperren nicht. «Nur unter Schweizern zu spielen, bringt einfach nichts. Es gibt hierzulande zu wenig Spieler dafür», sagt Fröhli. Zudem gebe es dadurch wohl auch weniger hohe Preissummen.
Für technisch versierte Nutzer wie Fröhli ist es zwar kein Problem, solche Internet-Blockaden zu umgehen. Programme dafür gibt es zuhauf und kostenlos im Internet. Darum geht es ihm aber nicht. «Es würde die Legitimität fehlen, ich müsste mich in einem rechtlichen Graubereich bewegen, was beispielsweise die Besteuerung der Spielgewinne angeht – und das will ich nicht», sagt Fröhli. Für ihn gäbe es eine bessere Lösung als Netzsperren. Eine, die bereits in anderen europäischen Ländern eingeführt wurde: ein System, bei dem Betreiber einer Geldspielseite eine Lizenz lösen müssten, wenn sie ihre Plattform in der Schweiz anbieten wollen. «Seriöse Anbieter würden das machen», ist Fröhli überzeugt. So würden die Unternehmen dem hiesigen Recht unterstellt und müssten Steuern zahlen. Auch gegen die Spielsucht gebe es bei den seriösen ausländischen Anbietern bereits genügend Mittel. «Wie in einem richtigen Casino kann ich mich freiwillig sperren lassen», sagt er. Die Frage, ob er spielsüchtig sei, verneint Fröhli: «Ich kann ohne Probleme einmal eine Pause machen und kann auch in die Ferien, ohne dass ich Entzugserscheinungen bekomme.»
Kommission gegen Netzsperren
Fröhli hat nun versucht, die Menschen auf seinen Standpunkt aufmerksam zu machen. So hat er etwa ein Video produziert und im Internet veröffentlicht, in dem er seine Kritik am Geldspielgesetz äussert. «Ich könnte es mir nicht verzeihen, jetzt einfach ruhig zu sein», sagt er. Auch mit den Jungparteien hat er das Gespräch gesucht. Fröhli weiss aber: Es ist ein Protest in letzter Minute – und einer, dessen Wirkung begrenzt ist. Denn direkt auf die Bundesparlamentarier zugegangen ist er nicht. Schon so werde bei dieser Vorlage sehr viel lobbyiert, dagegen als Einzelperson anzukommen, sei schwierig, sagt er. Der Ständerat hat sich für die Netzsperren ausgesprochen. Die vorberatende Kommission des Nationalrates hat sie ganz knapp mit 13 zu 12 Stimmen abgelehnt. Das macht Andreas Fröhli wenigstens ein bisschen Hoffnung, dass er seinen neuen Beruf auch weiterhin von der Schweiz aus ausüben kann.