Schweizer Stromnetz trotzt der Eiseskälte

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Staudamm beim Lac de Salanfe im Wallis. Bild: Key

Im vergangenen Winter drohte der Schweiz ein Stromengpass. Nun ist es seit Wochen eiskalt, die Stauseen leeren sich, zwei Atomkraftwerks-Reaktoren stehen still. Dennoch gibt die Netzbetreiberin Swissgrid Entwarnung. Das liegt auch an den höheren Importkapazitäten.

von Dominic Wirth

Es ist eine Situation, wie sie nicht alle Jahre vorkommt: Seit Wochen schon braut sich für die Schweizer Stromversorgung ein Unwetter zusammen. Man könnte sagen, dass ihr der perfekte Sturm droht. So jedenfalls sieht es von aussen aus. Da sind die arktischen Temperaturen, die der Schweiz bereits den ganzen Januar zu schaffen machen. Sie kurbeln den Stromverbrauch im Land an. Da sind die stillstehenden AKW-Reaktoren in Leibstadt und in Beznau. Auf die Atomkraft ist die Schweiz im Winter besonders angewiesen, weil sie wertvollen Strom liefern, wenn wie jetzt andere Energieträger weniger zur Versorgung beitragen können.

Und dann sind da noch die leeren Speicherseen. Am Montag betrug ihr Speicherstand nur noch 33,3 Prozent. Allein seit Anfang Jahr ist er um 17 Prozent geschrumpft. In anderen Jahren war um diese Jahreszeit noch viel mehr Wasser in den Seen, 2014 etwa noch mehr als die Hälfte. Dazu kommen weitere Punkte, die sich auch auf die Stromversorgung in der Schweiz – einem Land, das im Winter stets auf Importe angewiesen ist – auswirken. Etwa die angespannte Lage in Frankreich, wo mehrere AKW ausfielen. Die Franzosen, sonst dank der Atomkraft ein zuverlässiger Exporteur von Strom, wurden so plötzlich selbst zum Importeur. Zu guter Letzt steht es wegen der Trockenheit auch um die Laufwasserkraftwerke nicht zum Besten.

Netzmassnahmen haben geholfen

Droht der Schweiz also erneut ein Stromengpass, so wie im letzten Jahr, als die Netzbetreiberin Swissgrid mit ihrer Warnung einiges Aufsehen erregte? «Nein», sagt der Swissgrid-Sprecher Patrick Mauron, «die Situation ist nicht kritisch. Aktuell besteht keine Gefahr eines Versorgungsengpasses.» Das liegt vor allem daran, dass die Importkapazitäten grösser sind als im letzten Winter. Damals traf sich gar der Bundesstab – ein Gremium, das nur in Krisenfällen zusammenkommt. Heuer war das auch wegen der zusätzlichen Kapazitäten nicht notwendig. In Laufenburg zum Beispiel steht eine Schaltanlage, die im letzten Jahr umgebaut wurde, wieder zur Verfügung. Sie ist ein wichtiger Knotenpunkt für die Schweizer Stromversorgung.

Dazu kommen weitere Massnahmen am Netz, die im Nachgang zu den Engpassängsten getroffen wurden. «Das Übertragungsnetz ist besser gerüstet», sagt Mauron. Das zeigt sich auch an der Nettoimportkapazität. Die ist insgesamt deutlich grösser als im Vorjahr – so gross, dass die Schweiz sie derzeit nur gerade zur Hälfte nutzt. Sie könnte also noch deutlich mehr Strom importieren, falls das notwendig werden sollte.

Stromknappheit lässt Preise steigen

Vor diesem Hintergrund kann es die Schweiz verschmerzen, dass die Stauseen in den letzten Wochen rasch geleert wurden. Ein Treiber dafür war die Stromknappheit in Frankreich, welche die Preise steigen liess und Exporte interessant machte. Die Kraftwerk- betreiber, die seit Jahren unter dem Preiszerfall am Strommarkt leiden, nutzten das. Laut Mauron wird sich die Versorgungssituation im Frühling zusätzlich verbessern. Das liegt auch daran, dass im März in Beznau ein weiterer Transformator in Betrieb genommen wird. «Damit steht bei Bedarf zusätzliche Importkapazität zur Verfügung», sagt Mauron.

Bleibt noch die Frage, was die derzeitige Situation für die Blackout-Frage bedeutet. Diese treibt die Schweiz schon länger um. Ihren Anfang nahm die Diskussion im Dezember 2015, als Swissgrid mit der Engpasswarnung vor allem das linksgrüne Lager verärgerte. Aus diesem hiess es, im Vorfeld der Abstimmung über die Atomausstiegs-Initiative werde Stimmungsmache betrieben, um die Bedeutung der AKW zu unterstreichen. Später, im Abstimmungskampf, deutete auch Energieministerin Doris Leuthard an, dass der Schweiz bei einem Ja der Saft ausgehen könnte. In den Augen von Nils Epp­recht von der linken Energie-Stiftung haben die letzten Wochen mit den vielen Exporten nun gezeigt, dass «die Warnungen vor einem Blackout definitiv verfehlt waren und sind».

Die Grafik zeigt den Speicherinhalt der Schweizer Stauseen in Prozent. Quelle: Bundesamt für Energie / Grafik STG

Energiemarkt: Konsumenten zahlen auch 2017 wenig für Strom

Es war die Gelegenheit für Schweizer Strombetreiber, die zuvor dürftigen Erlöse aus dem Jahr 2016 etwas aufzupolieren: Wegen Wartungsarbeiten standen in Frankreich Ende 2016 zahlreiche Stromwerke still.

Für einmal brauchte der Exporteur selbst Strom. «Insbesondere im letz-ten Quartal des vergangenen Jahres wurde überdurchschnittlich viel Strom aus Frankreich eingekauft», bestätigt Antonio Sommavilla, Mediensprecher des Schweizer Energiehändlers und -vertreibers Axpo.

Die erhöhten Preise für kurzfristige Energielieferungen werden sich seinen Einschätzungen zufolge allerdings nicht mehr lange halten. «Aktuell ist die Verfügbarkeit des französischen Kernkraftwerkparks bereits wieder sehr hoch», führt Sommavilla aus, «der Importbedarf von Frankreich kann deshalb nicht mehr als überdurchschnittlich bezeichnet werden.» Etwas erhöht bleibt der Strompreis zurzeit dennoch: «Im Winter, speziell bei tiefen Temperaturen wie in den vergangenen Wochen, ist der Strombedarf generell höher, was sich treibend auf den Strompreis auswirkt», so Sommavilla. «Der Effekt auf den Strompreis ist aber nur kurzfristig», relativiert er. Man stelle sich bei der Axpo bereits wieder auf tiefere Preise ein. «Im Terminmarkt liegt der Preis für die kommenden Wochen auf relativ tiefem Niveau – gerade auch für Frankreich. An dieser Situation dürfte sich kurzfristig nichts ändern.»

Dass der Strompreis tief bleiben wird, diese Einschätzung teilt auch der Bund. Das geht aus den Berechnungen der Eidgenössischen Elektrizitätskommission hervor. Dort geht man davon aus, dass 2017 die schweizerischen Strompreise in der Grundversorgung für Haushalte gar leicht sinken. Ein typischer Haushalt bezahlt im nächsten Jahr nach diesen Schätzungen 20,2 Rappen pro Kilowattstunde. Dies entspricht einer Reduktion von 0,4 Rappen oder 2 Prozent.

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