Die Inauguration – ein Tag voller Symbolik

Bevor sich Donald Trump an die Arbeit machen kann, muss der 45. Präsident der USA heute ein dicht gedrängtes Programm absolvieren – denn bei der Zeremonie der Amtsübergabe von Barack Obama zu Trump wird nichts dem Zufall überlassen.
VON RENZO RUF
Der Tag ist bis ins letzte Detail geplant. Wenn Donald Trump sich heute in Washington auf den Weg ins Weisse Haus macht, dann spult der Republikaner ein Programm ab, das in den Grundzügen seit Jahrzehnten besteht. Am Morgen folgt der obligate Kaffeeklatsch mit dem abtretenden Präsidenten Barack Obama und seiner Gattin Michelle im Weissen Haus, an dem auch Gattin Melania teilnehmen wird; anschliessend fahren die Obamas und die Trumps gemeinsam zum Parlamentsgebäude. Dann beginnt um Punkt 11.30 Uhr Ortszeit (17.30 Uhr Schweizer Zeit) die Zeremonie zur Amtseinführung des 45. Präsidenten.
Ein Grund für diesen dichten Fahrplan: Der 20. Zusatz der US-Verfassung, in Kraft gesetzt im Jahr 1933, hält fest, dass die Amtszeit des neuen Präsidenten jeweils am 20. Januar am Mittag beginnt. Die Verfassung schreibt zudem fest, dass der neue Bewohner des Weissen Hauses einen Amtseid ablegen muss, bevor er die Funktionen eines Präsidenten übernehmen kann. Der Wortlaut dieses Eides (in der deutschen Übersetzung): «Ich schwöre (oder gelobe) feierlich, dass ich das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten getreulich verwalten und die Verfassung der Vereinigten Staaten nach besten Kräften erhalten, schützen und verteidigen will.»
Amtseid auf zwei Bibeln
Administriert wird dieser Amtseid normalerweise durch den höchsten Richter des Supreme Court, des amerikanischen Verfassungsgerichts. Chief Justice John Roberts, im Amt seit 2005, hat dabei einige Erfahrung: Gleich viermal war Roberts nämlich zugegen, als der Demokrat Obama seinen Amtseid ablegte. Das kam so: Am 20. Januar 2009, während der Inauguration des 44. Präsidenten, an der 1,8 Millionen Zuschauer der bitteren Kälte in Washington trotzten, patzten Roberts und Obama während der öffentlichen Zeremonie. Die beiden fielen sich ins Wort und liessen wichtige Worte des Amtseides aus. Der Rechtsberater des Präsidenten entschied sich deshalb, die Zeremonie am nächsten Tag im Weissen Haus zu wiederholen, unter Anwesenheit Roberts’ – damit sollten allfällige Rechtsstreitereien verhindert werden. Vier Jahre später, zu Beginn der zweiten Amtszeit Obamas, fiel der 20. Januar auf einen Sonntag, und der Chief Justice schwor den Präsidenten zuerst in einer privaten Zeremonie ein, bevor dann am 21. Januar die traditionelle Feier für die Öffentlichkeit stattfand.
Trump wird den von Richter Roberts administrierten Amtseid auf zwei Bibeln ablegen. Die eine gehörte einst Abraham Lincoln, in den Augen vieler Historiker der beste Präsident, den Amerika je hatte. Auch Obama griff 2009 und 2013 auf diese Bibel zurück, als er den Amtseid ablegte. Die zweite Bibel befindet sich seit dem Jahr 1955 im Besitz von Trump. Er habe sie erhalten, als er in der First Presbyterian Church im New Yorker Stadtteil Jamaica die Sonntagsschule besucht habe, liess der künftige Präsident ausrichten.
Nach dem Amtseid folgt die traditionelle Rede. Trump habe sie in den Grundzügen selbst verfasst, behaupteten seine Berater gestern, anzunehmen ist aber, dass Stephen Miller – einst hochrangiger Mitarbeiter des künftigen Justizministers Jeff Sessions – für die ausformulierte Rede verantwortlich zeichnet. Miller ist der Redeschreiber Trumps, und er wird den Präsidenten über seinen Slogan «Make America great again» sprechen lassen. Die Rede wird aber wohl nicht viel länger als 10 oder 15 Minuten dauern – auch weil mit Niederschlägen zu rechnen ist.
Hummer zur Vorspeise
Trump ist nach Abschluss der Feierlichkeiten zwar offiziell Präsident und im Besitz sämtlicher Vollmachten eines amerikanischen Staatschefs. An die Arbeit machen kann er sich aber noch nicht. Zuerst folgt der Höflichkeitsbesuch im Parlamentsgebäude, an dem auch ein Mittagessen serviert wird. (Vorspeise: Hummer aus Maine und Krabben aus dem Golf von Mexiko; Hauptgang: Angus Beef vom Grill mit einem Kartoffelgratin; Dessert: Schokoladensoufflé mit Kirsch-Vanille-Glace.) Und dann die Parade entlang der Pennsylvania Avenue, die das Parlament und das Weisse Haus verbindet.
Erst am späten Nachmittag wird der 45. Präsident deshalb im Weissen Haus eintreffen und sich dort einrichten können. Aus seinem Umfeld heisst es, dass er von ersten Entscheidungen absehen werde, aber das kann sich noch ändern. Tatsache ist: Die neue Regierung wird in den ersten Tagen kopflos wirken. Die Chefetagen in den meisten Ministerien sind nach dem fast vollständigen Abzug der Obama-Mitarbeiter leer, weil die Trump-Vertrauten noch auf ihre Bestätigung durch den Senat warten. Ein neuer Präsident muss bei Amtsantritt Tausende von Posten in Ministerien und Amtsstellen neu besetzen. Zwar sorgen Karrierebeamte dafür, dass die Bürokratie nicht stillsteht, für die Durchsetzung seines Programms benötigt Trump aber Vertraute.
Immerhin: Der Senat will sich heute Nachmittag, nach dem Ende der Feierlichkeiten, zu einer Sitzung treffen, an der höchstwahrscheinlich die ersten Trump-Minister ein Vertrauensvotum erhalten werden. Ganz zuoberst auf dieser Liste: Verteidigungsminister James Mattis und Sicherheitsminister John Kelly, für die auch die meisten Demokraten stimmen werden.
Der Zeitplan: So läuft Donald Trumps heutige Amtseinführung ab
Heute wird Donald Trump offiziell als 45. Präsident ins Weisse Haus einziehen. Ein Überblick über den Tag der Amtseinführung (alle Zeiten sind in Ortszeit und Mitteleuropäischer Zeit angegeben).
- 6.30 Uhr (12.30 Uhr MEZ): Am Kapitol beginnen die Sicherheitsüberprüfungen.
- 7 Uhr (13 Uhr): Auf einem Platz direkt an der Route der Parade wollen sich erste Demonstranten sammeln. Die Protestaktion der «Answer Coalition» ist genehmigt und soll mehrere Stunden dauern.
- 8 Uhr (14 Uhr): Weitere Demonstranten treffen sich, um zur Mall zu ziehen. Die Proteste sind nicht genehmigt.
- Noch ohne Uhrzeit: Donald Trump, sein Vize Mike Pence und ihre Familien besuchen einen Gottesdienst in der St. John’s Church. Barack Obama und seine Frau Michelle empfangen den Republikaner und die künftige First Lady Melania anschliessend im Weissen Haus. Dann begleitet der scheidende Präsident seinen Amtsnachfolger zum Kapitol.
- 9.30 Uhr (15.30 Uhr): Am Kapitol beginnen die Feierlichkeiten mit Musik. Die Nachwuchssängerin Jackie Evancho singt die Nationalhymne.
- 11.30 Uhr (17.30 Uhr): Eröffnungsrede am Kapitol. Vertreter mehrerer Religionsgemeinschaften sprechen Gebete. Anschliessend wird Trumps Vize Mike Pence ins Amt eingeschworen.
- 12 Uhr (18 Uhr): Donald Trump legt auf den Stufen des Kapitols den Amtseid ab. Anschliessend wird er seine mit Spannung erwartete Rede halten. Dann isst er im Kapitol zu Mittag.
- 15 Uhr (21 Uhr): Die Parade zum Weissen Haus beginnt. Eine Gruppe von Demonstranten hat angekündigt, den Zug zu stören. Ihre Proteste sind nicht genehmigt.
- 19 bis 23 Uhr (1 bis 5 Uhr): Trump und seine Frau Melania nehmen an drei Bällen teil.