15 000 Migranten in fünf Tagen

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In Italien kamen seit Anfang des Jahres 118 000 Flüchtlinge an. Der grösste Teil von ihnen stammt aus Afrika.Bild Key

In Italien landen derzeit Tausende Migranten. Die Aufnahmezentren befänden sich «unter Stress», eine Notsituation liege aber nicht vor, sagt die Regierung. Die Bürger sehen dies anders.

VON DOMINIK STRAUB

In den fünf Tagen seit dem vergangenen Samstag bis vorgestern Mittwoch sind in Italien nach Angaben der Küstenwache fast 15 000 Migranten angekommen – deutlich mehr als in den Wochen zuvor. «Wir befinden uns mitten im grossen Ansturm des Septembers – vor dem Beginn des Herbstes wollen die Schlepper noch von der letzten langen Schönwetterperiode des Jahres profitieren», zitierte die Zeitung «La Repubblica» gestern eine Quelle im italienischen Innenministerium. Insgesamt sind seit Anfang Jahr 118 000 Flüchtlinge angekommen – 2000 mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

«Keine Notsituation»

Derzeit werden in den zahlreichen, über das ganze Land verteilten Aufnahmezentren rund 145 000 Flüchtlinge versorgt, das sind 40 000 mehr als 2015. Die Aufnahmezentren seien zwar «unter Stress», räumte Vizeinnenminister Filippo Bubbico gegenüber der «Repubblica» ein. «Aber von einer Notsituation würde ich nicht reden.» Um die neu ankommenden Flüchtlinge unterbringen zu können, hat das Innenministerium in dieser Woche den Regionen einmal mehr neue Quoten zugeteilt.

Die Unterbringung und Versorgung der Tausenden Migranten, die täglich an Land gebracht werden, stellt die lokalen Behörden nicht selten vor fast unüberwindliche Probleme. So hat die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giusi Nicolini, am Mittwoch darauf hingewiesen, dass im Aufnahmezentrum der Insel derzeit über 1700 Personen untergebracht seien – bei einer offiziellen Kapazität von 450 Personen. «In dieser Situation kann man nicht mehr von Aufnahme sprechen – das ist eine Notlage.» Das Aufnahmezentrum von Lampedusa dient gleichzeitig als europäischer «Hotspot» zur Registrierung der Flüchtlinge.

Auch immer mehr Bürgerinnen und Bürger betrachten die hohen Flüchtlingszahlen als Notsituation, zumal vor allem in den grösseren Städten immer häufiger wilde Flüchtlingscamps und Ansammlungen von beschäftigungslosen Migranten anzutreffen sind, die in Bahnhöfen und Parks herumlungern.

Kritik an der Politik und an den Beschwichtigungen der Regierung von Matteo Renzi kommt inzwischen nicht mehr bloss von der fremdenfeindlichen Lega Nord und anderen Rechtsaussenparteien, sondern auch von Kreisen, die sich bisher grundsätzlich offen für die Aufnahme der Flüchtlinge gezeigt hatten. Gut lässt sich dies etwa an Leserkommentaren in der linksliberalen «Repubblica» ablesen. Es sei eine «Schande, dass illegal eingereiste Mi-granten in öffentlichen Gebäuden und Hotels untergebracht werden, während unsere Landsleute, deren Häuser vom Erdbeben zerstört wurden, nun in Zeltstädten leben müssen», schrieb eine Leserin in der gestrigen Ausgabe des Römer Blatts.

Zum Unmut trägt bei, dass es sich bei den Bootsflüchtlingen, die in Italien ankommen, zum weitaus grössten Teil um Migranten aus Afrika handelt, deren Asylgesuch ohnehin abgelehnt werden wird, da sie nicht aus Kriegsgebieten stammen – im Unterschied zu den in Griechenland ankommenden Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und Irak. Migranten aus nicht Bürgerkriegsländern Afrikas, so der Tenor, müssten umgehend wieder in ihre Heimat zurückspediert werden.

Renzi fordert Umverteilung

Auch Regierungschef Matteo Renzi hat gemerkt, dass die Stimmung im Land zu kippen droht. Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch betonte der italienische Premier, dass es «undenkbar ist, dass Europa jeden aufnehmen kann». Er forderte – nicht zum ersten Mal – eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Länder. Merkel sagte Renzi bezüglich der Lastenverteilung ihre Unterstützung zu – ebenso für gemeinsame Anstrengungen bei der Repatriierung abgelehnter Asylbewerber. «Wir werden unserer humanitären Verantwortung gerecht, aber die, die kein Bleiberecht erhalten, müssen wieder gehen», sagte die Bundeskanzlerin.

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