Alle Sterne scheinen für Roger Federer

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Die Entscheidung für Roger Federer im Final von Melbourne fiel im dramatisch verlaufenden fünften Satz.

Von Marcel Hauck, Melbourne

In den ersten vier Sätzen des Australian-Open-Finals 2017 hatte jeweils das erste Break bereits die Entscheidung bedeutet. Entsprechend war das 0:1 im fünften ein harter Schlag gegen Federer. Der Basler steckte jedoch nie auf und schaffte das scheinbar Unmögliche, ein Sieg gegen seinen «Angstgegner» Nadal in einem Grand-Slam-Final, noch dazu in fünf Sätzen. «Er ist die ultimative Herausforderung für mich», stellte Federer zu Recht fest.

Ausgerechnet nach einer sechsmonatigen Verletzungspause nach einer Meniskusoperation gelang Federer der erste grosse Triumph seit Wimbledon 2012, nachdem er in der Zwischenzeit drei Finals (alle gegen Novak Djokovic und meist knapp) verloren hatte. Die aussergewöhnlichen Marken, die er am Sonntag aufstellte, sind ellenlang: ältester Grand-Slam-Sieger seit Ken Rosewall am Australian Open 1972 (37-jährig), tiefstgesetzter Sieger seit Pete Sampras am US Open 2002 (ebenfalls Nummer 17), längster Abstand zwischen zwei Australian-Open-Titel (sieben Jahre zwischen 2010 und 2017), erster Sieg gegen Nadal an einem Grand-Slam-Turnier seit Wimbledon 2007. Und er gewann erstmals an einem Grand-Slam-Turnier vier Partien gegen Top-Ten-Spieler (Berdych, Nishikori, Wawrinka, Nadal).

Am Schluss sein bestes Tennis

All das war Federer aber völlig unwichtig, auch dass er mit 18 zu 14 Grand-Slam-Titel wieder etwas Luft gegenüber Nadal hat. «Am wichtigsten ist, dass ich einen epischen Match gegen Nadal gespielt und gewonnen habe», erklärte er. Denn seine Bilanz gegen Nadal (12:23 insgesamt, 3:9 bei Grand-Slam-Turnieren) war ja bei Weitem nicht die beste … Er sei etwas überrascht, dass er am Schluss sein bestes Tennis gespielt habe. Und das, obwohl er ab Mitte des dritten Satzes wieder Schmerzen in den Adduktoren spürte. Am Ende hatte er in seinem – wie Nadal – dritten Fünfsätzer des Turniers die grössere Frische, auch weil der Spanier nach seinem Marathon im Halbfinal gegen Grigor Dimitrov einen Tag weniger Erholungszeit hatte. «Ich war vielleicht ein wenig langsamer, aber sonst hatte ich mich gut erholt», spielte Nadal diesen Nachteil allerdings herunter.

Federer aber spürte, dass der Gegner ein paar Bälle weniger als sonst zurückbrachte und konnte sich so in seinem Angriffsspiel bestätigt fühlen. Im fünften Satz hatte er auch in den langen Ballwechseln Vorteile. Selbst die Willenskraft Nadals reichte nicht mehr. «Zum ersten Mal seit vielen Jahren dachte ich nicht, dass ich das Turnier gewinnen könnte.» Wahrscheinlich war er gerade deshalb in den entscheidenden Momenten entspannter.

Vergleichbar mit Paris 2009

«Es fühlt sich total surreal an, als Sieger hier zu sitzen», wunderte sich Federer noch zwei Stunden nach dem Sieg. Aber am Australian Open passte für einmal wieder alles zusammen. Ein Netzroller im richtigen Moment da, eine gewonnene Challenge hier (für Federer selten), der Tag mehr Pause vor dem Final, ein optimaler Verlauf in den fünften Sätzen gegen Nishikori und Wawrinka, die deutlich schnelleren Plätze und vor allem Bälle. Die Sterne schienen in Melbourne für Federer. «Ich werde etwas Zeit benötigen, um diesen Sieg zu realisieren», glaubte Federer am späten Sonntagabend. «Das ist höchstens mit dem Sieg in Paris 2009 vergleichbar, auf den ich auch lange warten musste.»(sda)

Australian Open 2017: Fakten und Resultate vom Finalwochenende

Serena gewinnt SchwesternduellSerena Williams gewann das Schwesternduell im Final des Australian Open gegen Venus Williams 6:4, 6:4. Für die 35-jährige Serena ist es der 23. Titel an einem Grand-Slam-Turnier. Serena Williams’ siebter Australian-Open-­Titel war historisch, der Final gegen Venus Williams war es nicht. Zu angespannt waren die beiden Schwestern, zu gut kennen sie sich, zu sehr sind sie nicht nur Konkurrentinnen, sondern auch beste Freundinnen. Als Venus nach 83 Minuten Spielzeit eine letzte Rückhand in Bedrängnis nicht mehr ins Feld zurückbrachte, ging Serena nur kurz in die Knie, ehe sich die beiden am Netz innigst umarmten. Dabei stellte Serena Williams mit dem 23. Titel eine Bestmarke in der Profiära auf. Bisher teilte sie sich diese mit Steffi Graf. Besser ist jetzt nur noch die Australierin Margaret Court, die von 1960 bis 1973 noch eine Grand-Slam-Tro­phäe mehr gewann.

Bryan-Brüder verpassen RekordtitelDie Zwillinge Bob und Mike Bryan verpassten durch ihre Niederlage im Doppel-Final in Melbourne eine Grand-Slam-Bestmarke. Die 38-jährigen Amerikaner verloren 5:7, 5:7 gegen den Finnen Henri Kontinen und den Australier John Peers. Mit einem Sieg hätten die Bryans jeweils ihren 17. Titel bei einem Majorturnier gewonnen und den australischen Rekordhalter John Newcombe eingeholt. Die beiden Kalifornier, die letzte Woche ihren Rücktritt aus dem Davis-Cup-Team bekannt­gaben und in einer Woche nicht mit den USA gegen die Schweiz spielen werden, bleiben aber das erfolgreichste Duo der Geschichte. Die als Nummer 4 gesetzten Kontinen/Peers holten jeweils ihren ersten Grand-Slam-Titel und bezwangen die Bryans wie schon im Endspiel des ATP-Finals 2016 in London.

Masarova verliert FinalDie 17-jährige Baslerin Rebeka Masarova unterlag im Juniorenfinal der drei Jahre jüngeren Ukrainerin Marta Kostjuk 5:7, 6:1, 4:6. Masarova verpasste damit ihren zweiten Titel nach den French Open 2016. Viel fehlte allerdings nicht. Nachdem sie schlecht gestartet war und im ersten Satz 0:2 und 2:5 in Rückstand geraten war, wehrte sie insgesamt vier Satzbälle ab. Zwar verlor sie den ersten Durchgang doch noch, aber danach war sie im Match drin. Den zweiten Satz dominierte Masarova klar, der dritte war dann wieder ein ausgeglichener Kampf. Nach 1:55 Stunden besiegelte ein Vorhandfehler die knappe Niederlage der Schweizerin.

Grand-Slam-Turniere: Titel und Finals von Federer

Die meisten Grand-Slam-Titel bei den Männern:

1. Roger Federer (SUI) 18 Titel

2. Rafael Nadal (ESP) 14 Pete Sampras (USA) 14

4. Novak Djokovic (SRB) 12 Roy Emerson (AUS) 12

Ferner: 42. Stan Wawrinka 3; Andy Murray 3.

Federers Grand-Slam-Bilanz und alle Australian-Open-Finals. 2003: 1 Final, 1 Titel; Wimbledon: Federer s. Philippoussis 7:6, 6:2, 7:6. – 2004: 3 Finals, 3 Titel; Australian Open (AO): Federer s. Safin 7:6, 6:4, 6:2. – 2005: 2 Finals, 2 Titel. – 2006: 4 Finals, 3 Titel; AO: Federer s. Baghdatis 5:7, 7:5, 6:0, 6:2. – 2007: 4 Finals, 3 Titel; AO: Federer s. Gonzalez 7:6 (7:2), 6:4, 6:4. – 2008: 3 Finals, 1 Titel. – 2009: 4 Finals, 2 Titel; AO: Federer u. Nadal (ESP) 5:7, 6:3, 6:7, 6:3, 2:6. – 2010: 1 Final, 1 Titel; AO: Federer s. Murray 6:3, 6:4, 7:6 (13:11). – 2011: 1 Final, 0 Titel. – 2012: 1 Final, 1 Titel. – 2014: 1 Final, 0 Titel. – 2015: 2 Finals, 0 Titel. – 2017: 1 Final, 1 Titel; AO: Federer s. Nadal.

Bilanz: AO 6 Finals, 5 Titel; French Open: 5 Finals, 1 Titel; Wimbledon; 10 Finals, 7 Titel; US Open: 7 Finals, 5 Titel. – Total: 28 Finals, 18 Titel.

18. Titel ist wie ein Ritterschlag für Roger Federer

ein Kommentar von Hans Christoph Steinemann

Den Coup von Melbourne hatten Roger Federer nur kühne Optimisten zugetraut. Aber der momentan weltbeste Tennisspieler kam bei den Australian Open nach einer halbjährigen Verletzungspause in einer Form zurück, die alle Gegner, Experten und Fans beeindruckte. ­Federers Seriosität und Akribie in der täglichen Trainingsarbeit, in der Einschätzung seiner Kontrahenten und vor allem in tennistaktischer Hinsicht kann momentan niemand anders übertreffen.

Die nun 18 Grand-Slam-Titel sind der Lohn für dieses aussergewöhnliche Tennistalent, das noch (längst) nicht am Ende seines Wirkens angelangt ist. Dieser Titel ist eine weitere Krönung in einer Karriere, die ihresgleichen sucht. Wir sind gespannt, was noch kommen wird. Doch unter diesen Umständen kann Federer vielleicht gar 20 Majortitel erreichen und damit auch noch Ken Rosewall über­treffen, den mit 37 Jahren bisher ­ältesten Grand-Slam-Sieger aller Zeiten: 1972 gewann der inzwischen 83-Jährige aus Sydney nochmals sein Heimturnier.

Wer mit 35 Jahren eine solche Parforceleistung an den Tag legt, wie das Roger Federer bei den ­Australian Open gelungen ist – und das nach einer beachtlich langen Absenz von den Wettkampfplätzen –, der weiss sehr gut, wie er mit seinem Körper umgehen muss, um auf den Punkt genau topfit zu sein. Athletisch war der Schweizer während der zwei Wochen im Melbourne Park seinen Gegnern, wenn auch nicht überlegen, so doch ­zumindest ebenbürtig, wie er in den fünf Sätzen gegen Nishikori, Wawrinka und Nadal bewies.

In England würde ihn die Queen wohl schon bald in den Ritterstand erheben. Das ist eine Auszeichnung für Leute, die ganz Spezielles geleistet haben. Und das hat Roger Federer auf jeden Fall.

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