Martin Schmitt: «Simon spürt, dass er noch einiges leisten kann»

Tobias Erlemann | 
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Martin Schmitt spricht im Interview über seinen ehemaligen Dauerrivalen und heutigen Geschäftspartner Simon Ammann (Bild). Bild: Key

Olympiasieger, Weltmeister, Gesamtweltcup-Sieger. Martin Schmitt gehörte über mehr als ein Jahrzehnt zu den Top-Skispringern. Im Januar 2014 trat er vom Leistungssport zurück. Inzwischen betreibt der 38-Jährige eine Sportvermarktungsagentur – zusammen mit Simon Ammann.

Martin Schmitt, heute beginnt die Winter-Saison mit dem Springen in Kuusamo. Vor knapp drei Jahren beendeten Sie ihre aktive Karriere. Ist der Termin noch rot markiert in Ihrem Kalender?

Die Vorfreude ist natürlich noch da, ich schaue mir sicher auch viele Springen an. Zumal ich als TV-Experte für Eurosport auch noch direkt bei einigen Veranstaltungen dabei bin. Ich war so lange als Sportler dabei, da verlässt einen die Leidenschaft für diesen Sport nicht so schnell.

Juckt es denn noch in den Beinen, wenn Sie die Springer die Schanze runterspringen sehen?

Das habe ich inzwischen überwunden, das Kapitel ist abgeschlossen. Hätte ich diesen Reiz noch gespürt, wäre ich in den letzten beiden Jahren irgendwann noch mal gesprungen.

Zumal Skispringen eine sehr zeit- und trainingsintensive Sportart ist. Diese Qualen werden Ihnen wohl nicht fehlen, oder?

(lacht) Das harte Training im Sommer vermisse ich wirklich nicht. Um erfolgreich zu sein im Skispringen, braucht es enorm viel Einsatz. Und viel Disziplin. Wenn die Jungs dann im Sommer richtig hart trainieren müssen, bin ich manchmal schon froh, jetzt auch mal was anderes machen zu können.

«Was anderes machen» bedeutet, ein eigenes Unternehmen zu führen – zusammen mit Simon Ammann…

Wir führen zusammen mit unserem Partner Hubert Schiffmann eine Sportmarketing-Agentur. Hier kann ich mich jetzt voll ausleben.

Ein Schweizer und ein Deutscher haben eine Agentur in Österreich. Klingt fast schon so wie der Anfang dieser berühmten «Länder-Witze».

(lacht) Wenn Sie das so sagen… Wir betreiben aber seriöse Arbeit mit sehr viel Sachverstand und Wissen.

Ammann und Sie waren früher auf der Schanze Dauerrivalen. Wie kam es dann zu dieser Kooperation?

Wir hatten zu aktiven Zeiten in Hubert Schiffmann den gleichen Manager. Das ist die Verbindung. Ich habe mich an und abseits der Schanze immer gut mit Simon verstanden, trotz der sportlichen Rivalität. Es ist aber nicht so, dass wir die dicksten Freunde waren und immer zusammen in den Urlaub sind.

Das können Sie jetzt ja nachholen…

(lacht) Wir planen aktuell noch immer keine gemeinsamen Urlaube.

Sie traten im Januar 2014 vom Sport zurück. Auch bei Simon Ammann wusste man nicht genau, ob er nach einer schwachen Saison weitermacht. Er hat sich nun aber entschieden, weiter auf die Schanze zu gehen. Hat er Sie um Rat gefragt?

Wir sprechen viel miteinander. Darüber jedoch nicht. Ich will mich nicht in seine sportlichen Angelegenheiten einmischen. Simon weiss selbst, was für ihn das Beste ist, wie er seine sportlichen Aufgaben lösen und seine Ziele erreichen kann.

Bei Ihnen selbst gab es auch immer wieder Kritik, Sie hätten zu spät den Absprung geschafft. Wie sehen Sie das im Nachhinein?

Das Karriere-Ende eines Sportlers wird doch immer wieder idealisiert. Es schaffen nur die wenigstens, wirklich auf dem absoluten Höhepunkt aufzuhören. Bei mir selbst war es ein längerer Prozess. Ich habe mich dann 2013 entschieden, noch eine letzte Saison zu springen, so konnte ich mich auf mein Ende vorbereiten.

Ist Simon Ammann vielleicht darauf noch nicht vorbereitet?

Ich denke, Simon weiss genau, was er tut, er hat klare Ziele. Er spürt, dass er noch einiges leisten kann. Sonst würde er die ganzen Strapazen doch nicht mehr auf sich nehmen. Beweisen muss er niemanden mehr etwas.

Klare Frage: Warum tut er sich diese Strapazen dann überhaupt noch an?

Er empfindet es sicher nicht so, dass er sich mit dem Skispringen etwas antut. Wird ein Sport zur Qual, dann macht es keinen Sinn mehr. Simon hat aber den Glauben, dass er wieder an die alte Stärke anknüpfen kann. Seine Fähigkeiten und seine Sprungtechnik sind nicht irgendwie überholt, sondern nach wie vor stark gefragt. Sein Fluggefühl ist weiterhin da.

Diese Umstellung dauert nun aber schon sehr lange. Trauen Sie ihm zu, dass er noch mal an der Weltspitze anklopfen kann?

Im Skispringen kannst du auch im reiferen Alter noch vorne mitspringen. Nehmen wir doch den Japaner Noriaki Kasai, der noch mit über 40 Jahren für Überraschungen gut ist. Ginge es nach der allgemeinen Meinung, hätte Kasai ja schon Anfang dieses Jahrhunderts aufhören müssen.

Wo liegt dann das Problem von Simon Ammann?

Seinen schweren Sturz im Januar 2015 musste er erstmal überwinden. Als Skispringer ist es schwierig und ein langer Weg, diese Sturzerfahrung zu verarbeiten. Im Zuge dessen hat er ja auch seine Landung umgestellt. Im Skispringen wirkt sich eine Unsicherheit in einem Teilbereich immer auch auf den ganzen Sprung aus. Ich kenne Simon aber so gut und glaube fest daran, dass er noch gut genug ist, um vorne mitzuspringen.

Wenn nicht, rückt das Karriere-Ende sicher näher. Wie war das bei Ihnen? Sind Sie eines Morgens aufgewacht und haben gespürt: Das war es jetzt?

Nein, diesen einen Moment gab es nie. Es war ein Prozess aus vielen Gedanken und Überlegungen.

Als Experte sind Sie weiterhin dicht dran am Geschehen. Wer wird denn der Überflieger dieser Saison?

Das ist kein grosses Geheimnis. Ich gehe davon aus, dass Peter Prevc weiterhin die führende Figur sein wird. Auch die Polen um Kamil Stoch und Maciej Kot haben eine starke Form. Dazu ist mit dem Norweger Daniel-André Tande zu rechnen. Und auch die Österreicher Stefan Kraft und Michael Hayböck sind absolute Topspringer.

Und die Deutschen?

Das deutsche Team ist in der Breite sehr gut aufgestellt. Severin Freund hat nach seiner Hüft-OP noch etwas Trainingsrückstand und braucht vielleicht noch etwas Zeit, um ganz vorne mitmischen zu können. Markus Eisenbichler traue ich die eine oder andere Überraschung zu. Er hat im Sommer und Herbst bewiesen, dass er Top-Sprünge abliefern kann. Jetzt muss er das «nur» noch im Winter umsetzen.

Was trauen Sie den Schweizern zu?

Vieles hängt wie gehabt von Simon Ammann ab. Er kann das Team mitreissen und steht natürlich extrem im Fokus der Öffentlichkeit. In seinem Schatten können sich Gregor Deschwanden und Kilian Peier vielleicht zwei Springer nach vorne arbeiten. Das Potenzial ist sicherlich da.

Sie sind ja nun in der Vermarktung tätig. Wie gut verkauft sich denn das Produkt Skispringen aktuell?

In den letzten Jahren hat es sich wieder sehr zum Positiven entwickelt. Wir erzielen gute Einschaltquoten, das Interesse der Zuschauer am TV und an den Schanzen ist gross. Natürlich wünscht man sich immer, noch mehr Fans anzulocken. Skispringen ist ein toller Sport, da müssen wir weiter dran arbeiten, noch mehr in Fokus zu rücken.

Sie treffen ein paar Kinder in der Schweiz und müssen denen kurz und knapp klarmachen, warum sie sich für Skispringen als Sport entscheiden sollen. Was würden Sie sagen?

Ich würde Ihnen gar nichts sagen. Ich würde sie auf eine kleine Schanze stellen und locker springen lassen. Wenn die Kids das mal gemacht und erlebt haben, dann kommen sie vom Skispringen nicht mehr los.

Sie selbst absolvierten erfolgreich das Trainer-Diplom. Wann sehen wir Sie als Coach an der Schanze?

Ich konzentriere mich aktuell voll und ganz auf unsere Agentur, damit bin erstmal gut beschäftigt.

Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben…

Sagen wir es so: In den nächsten zwei Jahren werde ich sicher nicht als Trainer arbeiten, ich will noch etwas Abstand gewinnen zum aktiven Sport. Aber danach kann ich es mir sicher gut vorstellen, auch mal als Trainer zu fungieren. Schliesslich war und bin ich ein leidenschaftlicher Skispringer, das wird sich niemals ändern.

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