Kindsmisshandlung mit schweren Verletzungen

Schaffhauser Nachrichten | 
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Vor dem Gericht gab es zwei unterschiedliche Ansichten, wie die Tat ablief.

Ein entnervter Vater schüttelt sein Kind so heftig, dass es lebensgefährliche Verletzungen erleidet. Die Staatsanwaltschaft verlangtzwei Jahre Freiheitsstrafe, der Verteidiger einen ­Freispruch.

Die Kindsmisshandlung geschah zwei Jahre vor der Gerichtsverhandlung. Der Anklage nach soll der Vater seinen sechs Monate alten Sohn zweimal heftig geschüttelt haben. Einmal auf dem Wickeltisch und einmal «in der Luft». Der Vater hatte dies in der Untersuchung der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen eingestanden, dann aber vor den Schranken deutlich abgeschwächt: Er habe das Geständnis nur unter Druck und aus Angst vor der drohenden Untersuchungshaft abgelegt. Dass sich der Vater mittleren Alters, wohnhaft im Zürcher Weinland, bei der Tat in psychischem Ausnahmezustand befunden hatte, war unbestritten.

In der Befragung erklärte er, seine drei Kinder seien schon seit Herbst 2016 abwechselnd krank gewesen, ebenso seine Frau und er selbst. Die beiden Tage vor der Tat sei er wegen Fieber zu Hause geblieben und am Samstag ausgepumpt und völlig erschöpft gewesen. Die Mutter habe am Samstagabend gearbeitet. Die beiden älteren Kinder hätten ferngesehen. Der Kleine habe den ganzen Tag geschrien. Schliesslich habe er ihn wickeln wollen und auf den Wickeltisch gelegt. Der Kleine habe gestrampelt und geschrien. Da habe er die Kontrolle verloren, den Kleinen auf dem Tisch geschüttelt und wohl etwas ruppig ins Bett gelegt und versucht, ihm den Schoppen zu geben. «Der Kleine hat aber nicht getrunken, sondern hatte den Mund voll Milch. Er hat «gegluckst» und nach Luft geschnappt, es klang wie bei einem sterbenden Tier», sagte er. Da habe er das Kind gepackt und sei mit ihm die Treppe hinuntergerannt, um telefonisch seine Frau und Hilfe herbeizurufen. Es sei möglich, dass er beim Hinunterrennen den Kopf des Kindes nicht gestützt habe und dass das die Ursache für die Verletzungen gewesen sei. Aber das Kind mit beiden Händen gepackt, hochgehoben und «in der Luft geschüttelt», wie das die Anklage behaupte, das habe er nicht getan.

Das Kind erlitt bei dieser Aktion mehrfache Blutungen vor und innerhalb der Netzhaut und der Makula beider Augen sowie einen erhöhten Hirndruck. Diese Verletzungen hätten zu Bewusstlosigkeit, einem Komazustand und letztlich zum Tod des Kindes führen können. Drei Operationen und die Einlage einer Drainage zur Entlastung des erhöhten Hirndrucks (Shunt) waren die unmittelbaren Folgen. Wie es dem Sohn heute gehe, wollte der Richter wissen. «Gut», sagte der Vater. «Er ist ein fast normaler Bub, aufgeweckt und hat es faustdick hinter den Ohren.» Eine Sehschwäche habe er, und der Shunt im Kopf bleibe bis etwa zum zehnten Altersjahr. In der Urteilsbegründung erklärte Lorenz Schreiber, ein Jahr Freiheitsstrafe erscheine angemessen: «Wer mit einem Kind so umgeht, nimmt Verletzungen in Kauf», und bejahte damit den Eventualvorsatz. Dass dem unbescholtenen Vater der bedingte Strafvollzug gewährt werde, sei klar. Die Genugtuungssumme von 8000 Franken für den Sohn, die der von der Kesb bestellte Anwalt des Kindes verlangt hatte, um zu vermeiden, dass der Sohn später gegen seinen Vater vorgehen müsste, wurde abgewiesen. Die Schadenersatzpflicht des Vaters wird «dem Grundsatz nach» festgestellt, kann aber noch nicht beziffert werden. Der Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (pob)

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