«Haben Sie den Koran gelesen?»

Mark Gasser | 
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Rassismusvorwurf gegen einen Thurgauer SD-Politiker. Symbolbild: Pixabay

Vom Bundesgericht wieder zurück ans Bezirksgericht: Ein Staatsanwalt beharrte darauf, dass ein Thurgauer SD-Politiker die Muslime pauschal und rassistisch diffamierte. Das Urteil steht noch aus.

Der 74-jährige pensionierte Mechanikermeister Willy Schmidhauser reagierte gleich zu Beginn der gestrigen Gerichtsverhandlung in Andelfingen zynisch. Statt Einzelrichter Georg Merklis Frage zu seiner Person zu beantworten, interessierte den Beschuldigten anderes: «Haben Sie den Koran gelesen?» Ja, mit dem habe er sich vorbereitend auseinandergesetzt, meinte der Richter. Seit 2009 werde er von der Justiz belästigt, fuhr Schmidhauser fort. «Seit dieser Zeit sind wir keine Bürger mehr, haben keine Rechte mehr. Wir können nicht einmal die Parolenfassung in der Zeitung bringen. Danke vielmals.» Mit «wir» meinte er seine Familie, aber auch die Parteileitung der Schweizer Demokraten Thurgau, die er damals präsidierte. Vor mehreren Gerichten musste er sich nach einer korankritischen Schrift in der «Schweizerzeit» im Jahr 2009 unter dem Titel «Mit dem Islam zurück ins Mittelalter?» und weiteren Texten verantworten. Dabei zitierte er jeweils Verse aus dem Koran, in denen Muslime zu Kampf, Tötung oder Verstümmelung von Ungläubigen aufgerufen werden. Als Präsident der SD sei er zwar damals nur Teil einer Kommission gewesen, die sich mit dem Koran auseinandergesetzt habe. Doch habe er die von der Redaktion der «Schweizerzeit» aus Flaach verlangten Kürzungen des Artikels vorgenommen. «Schlussendlich musste ein Name unter diese parteipolitische Massarbeit gesetzt werden. Ich habe mich geopfert – sagt meine Frau.» Die Anklageschrift enthält weitere als «pauschalisierend, ausgrenzend, erniedrigend» qualifizierte Darstellungen, die der Beschuldigte in den Jahren 2010 bis 2011 auf der Internetseite der Kantonalpartei publiziert hat. «Nicht alle Muslime sind Vergewaltiger, aber die meisten Vergewaltiger sind Muslime», heisst es etwa, Bezug nehmend auf Statistiken. Der Staatsanwalt forderte eine bedingte Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 90 Franken sowie eine Busse von 1000 Franken.

Ein Zeuge, aber kein Staatsanwalt

Ursprünglich hatten zwei muslimische Organisationen Anzeige gegen Schmidhauser erstattet, eine, die Union des Organisations des Musulmanes de Genève, hatte Privatklage eingereicht. Zur erneuten Verhandlung am Bezirksgericht nach 2014 kam es, weil der Staatsanwalt, der Ende 2015 vor dem Bundesgericht wegen unklarer Anklagepunkte abgeblitzt war, neu Anklage erhob.

Ebendieser Staatsanwalt fehlte dann an der Verhandlung – das Gericht wies Schmidhausers Antrag ab, ihn «unverzüglich an diese Verhandlung zu beordern»: Der Staatsanwalt sei mittlerweile pensioniert, hiess es. Schmidhauser stellte immer wieder farbig markierte Auszüge aus der alten und der neuen Anklageschrift gegenüber, um deren Ähnlichkeit zu illustrieren. Den Beschuldigten hatten auch Parteikollegen und Gleichgesinnte ans Gericht begleitet. Als Zeuge wurde jedoch ein Pastor mit Migrationshintergrund zugelassen. Dieser hatte bereits zuvor einmal ausgesagt. Der Priester lebt in Deutschland, sei ein verfolgter Christ und Flüchtling aus Ägypten.

Er bestätigte Schmidhauser: Der islamische Fundamentalismus in Europa sei keineswegs ein Randphänomen. «Wir erleben die Endphase der Endzeit. Und ich glaube, wir erleben noch eine Katastrophe, die noch nicht gesehen worden ist.» Schmidhauser selber rief immer wieder einen eigenen Helfereinsatz während der Wirren in Biafra (Südwest-Nigeria) vor 40 Jahren in Erinnerung, als er Traumatisches erlebte und mit dem Islam in Kontakt kam.

«Islamkritisch ist nicht rassistisch», meinte Schmidhauser bei seinem Plädoyer. Als Kulturrassist werde dargestellt, wer sich gegen diese Lehre auflehne. Er plädierte auf Freispruch und verlangte eine Entschädigung von 20 000 Franken, eine Genugtuung für sich und seine Familie von 70 000 Franken sowie eine noch höhere Entschädigung der SD-Kantonalpartei. Abschliessend meinte er, dass gegen den Islam nicht Krieg die Lösung sei: «Die Weltgemeinschaft muss den Koran revidieren, und dieser muss den Menschenrechten, der UNO-Charta und den Verfassungen angepasst werden.»

Vor drei Jahren hatte das Bezirksgericht im Juni 2014 Schmidhauser eine Busse aufgebrummt, ihn jedoch vom Vorwurf der Störung der Glaubens- und Gewissensfreiheit freigesprochen. Das neuerliche Urteil wird am Mittwoch erwartet.

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