Der Organist, der zum Kamera-Sammler wurde

Jeannette Vogel | 
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Roland Forster aus Diessenhofen hat seine Sammlung mit Fotoapparaten von 1907 bis 2001 dem Museum Steckborn übergeben. Bild: Jeannette Vogel

Auf seinem AHV-Ausweis steht «Bierbrauer» als Beruf. Der pensionierte Lehrer und Organist Roland Forster aus Diessenhofen hat sich das Zaubern beigebracht und eine Sammelleidenschaft entwickelt. Nun hat er seine «überbordende» Kamera-Sammlung verschenkt.

Roland Forster hätte nichts dagegen, Paul Kuhn zu heissen. «Paulchen» Kuhn (1928–2013) hat sein Publikum mit Jazz und Schlager unterhalten. Witz und Schlagfertigkeit bewies er auch. Wie Kuhn spielt Forster gern Klavier, und Jazz gehört zu seinen Leidenschaften. Im Nebenberuf war er aber Organist. Das kam so: Als der Pfarrer von Trüllikon zu ihm sagte, «wir brauchen einen Organisten», hatte der junge Mann noch nichts mit Orgelspielen am Hut, dennoch sagte er zu.

«Es war eine Flucht nach vorn.» Ihm, dem neuen Primarlehrer, waren so viele Ämtli der Dorfvereine – vom Kassier bis zum Präsidenten – angetragen worden, dass er keine andere Lösung sah. So nahm er in Schaffhausen beim damaligen Münsterorganisten, Theodor Käser, vier Jahre Orgelunterricht und erwarb sich in einem zweijährigen Kurs den Schaffhauser Organistenausweis. «Das Orgelspielen hat mir dann gut gefallen», sagt Forster, «und ich wollte es gut machen, ich habe bis zu drei Stunden am Tag geübt.»

Der Diessenhofer Zauberlehrling aus Dörflingen

Von 1968 bis 2004 war Roland Forster Lehrer an der Primarschule in Trüllikon. Er lebt seit 1993 in Diessenhofen, geboren und aufgewachsen ist er in Dörflingen und Schaffhausen. Der Lehrer interessierte sich für die Zauberkunst, er übte dafür in den frühen Morgenstunden. Und er hat sein Können zur Freude des Publikums auch vorgeführt. Aber vor allem mauserte er sich zum Hobbyfotografen. Für die Familie, für Schüler, für Freunde und Lehrer-Kollegen. An Wettbewerben gewann er zahlreiche Preise. Aus Passion hat der dreifache Vater seine Fotos selbst entwickelt und vergrössert.

«Ich fuhr ja auch keinen Rolls-Royce.»

Roland Forster, Kamerasammler

Und er hat mit der Kamera ganz Europa und das alte Russland bereist. «Dorthin zog es mich wegen der kunstvollen Kirchen», sagt er. Meist war er dabei mit dem Velo unterwegs, etwa während seiner sechswöchigen Islandrundreise. Seine fotografische Beute zeigte er gern. «Ich habe Lichtbildvorträge gehalten für Vereine und Dörfler.» Neugier an der Bilderzeugung und Interesse an mechanischen Kameras gipfelten in einer fast «überbordenden» Sammelleidenschaft.

«Ich kanns ja nicht mitnehmen»

Modelle wie Altissa, Baldessa, Contessa/Gevabox, Icarette und Minox/Instamatic, Praktiflex, Pentacon/Taxona, Retina und Robot/Werra, Zorki und Zenit fand er oft als Occasion auf Flohmärkten, in Brockis oder in Schaufensterauslagen, viele auf seinen Reisen, besonders in der ehemaligen DDR.

Einzig die Schweizer Edelkamera «Alpa» geriet ihm nicht in die Finger. «Ich fuhr ja auch keinen Rolls-Royce», sagt Roland Forster – und da ist es wieder, das Augenzwinkern hinter den Brillengläsern.

Nun hat er seiner Sammlung mit Apparaten von 1907 bis 2001 dem Museum Steckborn übergeben – und sorgsam ausgestellt. Der Grund ist das fortschreitende Alter. «Ich kanns ja nicht mitnehmen.»

Mein Chef, der Boxer

Roland Forsters Schlüssel für ein zufriedenes Leben ist Humor («Ohne geht es nicht») – und sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Als Kanti-Schüler in Schaffhausen hat er während der Ferien in der Brauerei Falken Geld verdient. Die Arbeit war teilweise eintönig, erinnert er sich. Zu Forsters Aufgaben gehörte es, die leeren Flaschen zum Waschen aufzulegen oder die Bügelflaschen von Hand zuzumachen. «Wenns nicht schnell genug ging, gabs einen Anschiss.» Trotzdem wars eine schöne Zeit.

«Es wurde kräftig ‹gügälät›, das war zu der Zeit normal.»

Roland Forster, Kamerasammler

Paul Guldimann, zweifacher Schweizer Meister im Boxen, war sein verehrter Chef, «denn er war menschlich eine echte Autorität». Und für die Arbeiter gabs einen halben Liter Bier für bloss 10 Rappen. «Es wurde kräftig ‹gügälät›, das war zu der Zeit normal.» Der Clou: «Auf meinem alten AHV-Ausweis steht ‹Bierbrauer› als Beruf.»

Details wie die Bierpreise von 1958 oder Flaschengrössen – für die Kunden gabs Sechs-Deziliter-Flaschen – im Gedächtnis zu behalten, ist für Roland Forster ein Klacks, er kann sich bis zu seinem dritten Lebensjahr an kleinste Einzelheiten zurückerinnern.

Das Museum im Turmhof zeigt Kultur, Geschichte, Bernina-Nähmaschinen und Roland Forsters Schenkung: 110 Fotokameras samt Zubehör. Es liegt der Seestrasse 84A in Steckborn und ist mittwochs, samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet – bis Mitte Oktober. Der Eintritt ist kostenlos

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