Der Blick spielt eine grosse Rolle

Ursula Junker | 
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Maskerade: Die allgegenwärtige Corona-Pandemie machte den Titel zur Ausstellung von Carlo Domeniconi doppeldeutig, vordergründig und hintersinnig. Besucher mit Masken vertieften sich in ausgestellte Masken.

Man sei sich vor einem halben Jahrhundert begegnet, erinnerte sich Angelo Gnädinger, in die Ausstellung von Carlo Domeniconi in der Galerie zum Kranz in Ramsen einleitend. Das war zur Schulzeit; darauf trennten sich die Wege. Erst 2006, anlässlich Domeniconis erster Ausstellung, habe er realisiert, welch künstlerisches Talent dieser entwickelt habe, resümierte Gnädinger. Vor einem Jahr nun ­besuchte er den Künstler, um dessen aktuelle Pläne und Bilder zu sehen, die sich «mit dem menschlichen Gesicht auseinandersetzen». Man sei sich schnell einig gewesen, «Maskerade» sollte der Titel zur Ausstellung sein. Damals ahnte noch niemand, dass auch die Gäste die Galerie nur mit Maske ­betreten dürften.

Vielfalt an Masken

So fand denn auch die Einführung durch Matthias Wohlgemuth draussen statt. Wohlgemuth arbeitet als Kurator am Kunstmuseum St. Gallen und beobachtet Domeniconis Entwicklung schon seit Langem. Ihm fiel schon im Vorfeld auf, wie konsequent Domeniconi die Ausstellung konzipierte, wie er wenige Themen präzise platzierte. Es sind lauter Köpfe, variations- und abwechslungsreich, und, obwohl sie thematisch ­anders wirken, laufe ein roter Faden durch die ausgestellten Werke. Wohlgemuth ging als erstes auf die Masken ein, die Bankräubern ebenso dienen, wie sie in der griechischen Antike zum Theater gehörten oder im Karneval auch Schutz bieten. Akkurat aufgereiht bilden sie den ersten thematischen Schwerpunkt, kontrastiert von grossflächigen Bildern auf der gegenüberliegenden Seite. Wohlgemuth stellte eine unglaubliche Vielfalt fest. Mal sei die Nase, mal der Mund betont, und hinter jeder Maske sei etwas, «das lebt». Es gebe Masken, die wie Bilder wirkten, und solche in denen Räume entstünden. Dadurch komme es innerhalb der Reihe auch zu einer Bewegung. Das Loch wird zur Pupille und gibt der Maske den Blick. Blick war ohnehin ein Stichwort für Wohlgemuth: «Er spielt in Domeniconis Werk eine grosse Rolle.» Der Redner zitierte einige Redensarten zur Maske, etwa das zur Maske erstarrende Gesicht, und leitete über zur Porträtmalerei, die letztlich auch zur Maske erstarrte Züge wiedergebe. Domeniconi seinerseits mache die Maske wieder zum Gesicht. Wohlgemuth schlug auch den Bogen zu den Janusköpfen, ebenfalls ein Motiv des Künstlers. Sie seien wie Anfang und Ende. Etwas Zwiespältiges und Gegensätzliches wohne ihnen inne, das der Maler vereinigen wolle.

«Der schönste Moment ist, wenn man vor der Leinwand steht und das Bild aus dem ­Innern nur noch abholen kann.»

Carlo Domeniconi, Künstler

Im zweiten Stockwerk zeigt Domeniconi seine Maskerade II. «Er lebt von der Leinwand, die er verwendet», so Wohlgemuth, der die Entstehung der kleinen Köpfe schilderte. Domeniconi malte zuerst die Rahmen, komplex, reichhaltig und voll ästhetischer Spannung, so Wohlgemuth. Der Rahmen als wichtiges Mittel der Kreation bestimme dann das Innere. Für Domeniconi sei die Arbeit ein ständiges Reagieren.

Im Obergeschoss der Galerie dann der dritte Teil der Ausstellung: Er kontrastierte stark zu den farbigen Bildern und Masken. Der Thematik «Köpfe» zwar eng verbunden reduzierte sich die Farbgebung auf Grautöne. Er lasse sich vom Moment steuern, beschrieb Domeniconi seine Vorgehensweise. Das war auch bei den Masken so gewesen. Das Arbeiten selber kreiert bei ihm die Ideen und lässt ihn sich immer weiterentwickeln. Am schwierigsten sei der Schritt zur Überwindung, bis der Anfang gemacht sei. «Der schönste Moment ist, wenn man vor der Leinwand steht und das Bild aus dem ­Innern nur noch abholen kann», meinte der Künstler abschliessend.

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