1175 seltene Springfrösche vor Tod gerettet
Ende Woche machten sich über 2000 Amphibien zwischen Etzwilen und Stammheim auf den Weg in ihr Laichgewässer – darunter auch der rare Springfrosch. 15 Helfer halfen bei der Übersiedlung.
«Pfui», dachten sich die Sonnenhungrigen und flüchteten ins Trockene, als es nach den lange ersehnten Frühlingstagen wieder zu regnen begann. «Perfekt», dachten sich die Amphibien zwischen Etzwilen und Stammheim und machten sich auf eine nasse Wanderung auf. Startpunkt: der Wald, ihr Winterquartier. Ziel: das Seewädeli, ihr Laichgewässer. Dazwischen: die Hauptstrasse, ihre letzte Ruhestätte? Zum Glück nicht. Den Amphibien kamen Retter zu Hilfe.
«Zusammengetrommelt» hat sie die Ramsemerin Karin Bosshard mit einem Flugblatt, das sie in den umliegenden Gemeinden verteilte. 15 Leute meldeten sich bei ihr. Dazu gehören auch Werner Suter, Dorothee Suter und Eibe Rüegger. Am Donnerstag sammelten sie die wandernden Tiere entlang der Hauptstrasse ein. Dort hatte der Kanton im Auftrag der Koordinationsstelle für Amphibien und Reptilien KARCH zuvor Schutzwände aufgestellt und Plastik-Kessel vergraben. «Die Frösche kriechen den Wänden entlang und fallen in die Eimer», erklärt Karin Bosshard. «Diese leeren wir dann.» Dabei entdeckten sie am Freitag Aussergewöhnliches.
Eine Schweizer Rarität
Zwischen Grasfröschen und Erdkröten – die vielerorts vorkommen – strampelten in den Kesseln doch tatsächlich auch ganz viele Springfrösche. Eine Art, die man sehr selten findet. In der Schweiz steht der Springfrosch auf der Roten Liste der Amphibien, da er stark gefährdet ist. «Er ist nur in drei Regionen anzutreffen», sagt Werner Suter, der sich aktiv im Naturschutz beteiligt und bald vor hat, den Verein «Naturnetz Stammertal» zu gründen. «Im Tessin, im Welschland und bei uns zwischen Etzwilen und Stammheim. Dass es jedoch so viele sind, hätte ich nicht gedacht», sagt er voller Freude und greift sanft nach einem kleinen, bräunlichen Springfrosch.
«Der Springfrosch ist nur in drei Regionen anzutreffen. Im Tessin, im Welschland und bei uns zwischen Etzwilen und Stammheim.»
Werner Suter, Helfer
Zuerst zappelt er ein bisschen, doch dann sitzt er plötzlich ganz ruhig in Werner Suters Hand. Nur die grossen, ovalen Pupillen bewegen sich mal nach rechts, dann wieder nach links. «Wissen Sie, woran man einen Springfrosch erkennt?», fragt Werner Suter und zieht eines der Froschbeine behutsam nach vorne in Richtung Kopf. Jetzt beginnt der Springfrosch wieder zu zappeln. Doch es geht schnell. Werner Suter will nur zeigen, wie weit die Springbeine des Amphibiums über seine Schnauze ragen. Das ist eines seiner wichtigsten Erkennungsmerkmale. «Kein Wunder, können sie so gut springen. Auch wenn sie zierlich aussehen, sind sie extrem kräftig», sagt er und lässt den Springfrosch wieder – als wolle er seine Sprungkraft unter Beweis stellen – in hohem Bogen zu seinen Artgenossen in den Plastik-Kessel hüpfen.
«In den nächsten vier Wochen werden sicher noch einige hinzukommen, doch es nimmt laufend ab.»
Karin Bosshard, Initiantin der Rettungsaktion
Über 2000 Amphibien in vier Tagen
Woran liegt es nun aber, dass es den Springfröschen zwischen Etzwilen und Stammheim so gut gefällt? Ist es der lichte, trockenwarme Mischwald, der es ihnen angetan hat? Ist es die niedrige Fischdichte im Seewädeli? Werner Suter kann es nicht mit Gewissheit sagen. «Vielleicht ist es eine Kombination aus allem», meint er. «Ich habe einmal gehört, dass die Springfrösche aus dem süddeutschen Raum zu uns kamen», sagt Karin Küng. Wie auch immer: Die Freude, ein so seltenes Tier vor dem Tod gerettet zu haben, ist riesig.
«Dass es so viele sind, hätte ich nicht gedacht.»
Werner Suter, Helfer
Die Gesamtzahl der geretteten Amphibien ist es ebenso: 1175 Springfrösche, 705 Erdkröten, 219 Grasfrösche, 90 Berg-, vier Kamm- und zwei Teichmolche konnten die 15 Helfer innerhalb von vier Tagen sicher über die Strasse bringen, damit sie ihre Wanderung ins Seewädeli fortsetzen konnten. «In den nächsten vier Wochen werden sicher noch einige dazukommen, doch es nimmt laufend ab, bis der nächste Regen kommt», sagt Karin Bosshard. Im Mai/Juni beginnt die ganze Wanderung dann erneut, dieses Mal umgekehrt; vom Laichgewässer zurück in den Wald. Auch dann hofft Bosshard, genügend Helfer mobilisieren zu können, die bei Wind und Wetter losziehen, ohne ein einziges Mal «pfui» zu denken.