Die Steiner Herzen schlugen für Kroatien
Im Public Viewing in Stein am Rhein war ziemlich schnell klar, hinter welcher Mannschaft der Grossteil der Zuschauer steht. Bis zur letzten Minute wurde mit dem kleinen Kroatien mitgefiebert.
Mit Kroatien verbrüdert
Und der kommt. Frankreich schiesst dank einem Fehlentscheid sein erstes Tor. «Unverdient!», ruft ein älterer Mann aus den hinteren Reihen. «Das darf nicht wahr sein», seufzt ein Teenager am Nebentisch. Nur Vereinzelte klatschen. Von da an wird langsam, aber sicher klar, für welche Mannschaft an diesem Abend die Herzen schlagen: Kroatien. «Vielleicht verbrüdert man sich jetzt, da die Schweiz nicht mehr dabei ist, gerne mit einem kleinen Land wie Kroatien», mutmasst ein Zuschauer.
Ja, als die Schweiz noch dabei war … Da kochten die Emotionen hoch. Pascal Furger, Präsident des FC Stein am Rhein, der das Public Viewing organisiert, erinnert sich wehmütig zurück. Einmal seien fast 600 Besucher vor Ort gewesen, bis weit hinten habe man stehen müssen. «Die Stimmung war grandios – auch in der FC-Küche. Nach jedem Schweizer Goal konnten wir vor Begeisterung zehn Minuten lang nicht mehr arbeiten», lacht Furger. Über zehn ausgewählte Spiele hat der FC übertragen, dieses Jahr das erste Mal auf dem Untertor-Parkplatz Süd und nicht mehr an der Schifflände. Hunderte Leute wurden mit Hamburgern, Würsten und Bier versorgt. Ein Match ist Furger besonders in Erinnerung geblieben: Schweiz gegen Brasilien. Mitten im Spiel setzte ein Platzregen ein. Ganze Bäche flossen Richtung Rhein, und mit ihnen versank die Technik im Wasser. Es kam zu einem Kurzschluss. Die gesamte Leinwand – integriert in einem aufblasbaren Würfel – fiel zusammen. Der FC-Präsident nimmt es gelassen. «Das kann bei einem Open-Air-Public-Viewing halt geschehen. Drei Spiele mussten wir insgesamt absagen. Dafür ist das Feeling unter freiem Himmel einzigartig», so Furger.
Dieses Feeling wird endlich auch am Finalspiel spürbar. Als Kroatien ausgleicht, wird freudig gejubelt, High Fives werden verteilt. Der Koch in der FC-Küche ruft: «Jetzt ist es offiziell. Heute bin ich Kroatienfan.» Jedermann scheint in Hochstimmung zu sein. Bis Frankreich wieder ein Tor schiesst. Und Kroatien nur noch ein zweiter Gegentreffer gelingt. Die Kroatienfans zeigen sich als faire Verlierer. Sie klatschen – ganz zu Ende des Spiels – sogar für die Franzosen mit.
Die WM – auch ein finanzieller Erfolg?
Über 11 000 Leute besuchten die SH-Arena im Mosergarten in den letzten fünf WM-Wochen. Luciano Di Fabrizio freut das. Die Schweizer Spiele seien «natürlich immer ausverkauft» gewesen. «Das Spiel Japan gegen Belgien mit dem Eckball für die Japaner in der 94. Minute und dem Siegestreffer der Belgier kurz danach ist mir speziell in Erinnerung geblieben», sagt er. Am patriotischsten und feierfreudigsten sind laut Di Fabrizio die Schweizer, die Italiener, die Kroaten und die Türken. Zu Zwischenfällen sei es zum Glück nie gekommen.
Etwas hat Steve Schennach, Pressesprecher der Dosenbach-Ochsner AG, an der WM überrascht: «Unsere günstigen ‹Fanliibli› für nur 20 Franken waren kaum gefragt. Alle wollten die teureren Originale.» Besonders hoch im Kurs standen die Shirts der Schweizer Nati, welche primär für die Public Viewings gekauft wurden. Schennach ist mit dem Verkauf insgesamt sehr zufrieden. Man habe mehr verkauft als an der WM in Brasilien. «Je näher das Austragungsland, desto besser läuft es», hat er festgestellt. «Jetzt bin ich gespannt auf Katar.»
Die guten Umsätze der Brauerei Falken liegen laut Markus Höfler zurzeit weniger an der WM, sondern am ausgesprochen guten Wetter. «Die Kombination Wetter und Fussball zeigt in der WM-Zeit ein zweistelliges Plus bei der Bierabsätzen», freut er sich. Der Hauptanteil des Falken-Bieres fliesst in die Gastronomie, dicht gefolgt von den Public Viewings. «Wenn es um Fussball geht, ist das klassische Lagerbier der Favorit», so Höfler. «Aber auch beim Weizenbier und beim naturtrüben Stammhausbier verzeichnen wir ein Wachstum.»
Thomas Gründler hat während der WM zwar hauptsächlich Fernseher im Format 55 bis 65 Zoll verkauft, doch auch mieten wollten viele seiner Kunden die Geräte. Am häufigsten wurden sie für private Public Viewings und an Privatanlässen gebraucht. «Beim Achtelfinal gegen Schweden gab es einen regelrechten Ansturm, weil alle mit ihren Mitarbeitern am Nachmittag den Match in der Fir- ma schauen wollten», erinnert sich Gründler. Gefreut hat er sich, dass auch die Premiummarke Loewe dieses Jahr gefragt war.