So klingt Schaffhausen – mit Kopfhörern den Groove der Munotstadt erfahren

Mit einem Smartphone und Kopfhörern ausgestattet, kann nun jeder die Musikgeschichte von Schaffhausen erleben. Die Reise geht durch sakrale Räume und dunkle Gassen, in denen Schaffhauser Klassiker entstanden sind. Beim Aufsaugen der vielfältigen Klänge und Geschichten sollte man aber wachsam bleiben, denn es lauern einige Gefahren.
Die musikalische Reise startet an der Vordergasse. Bei Schaffhauserland Tourismus erhält man gegen einen Ausweis einen Kopfhörer – alternativ kann auch der eigene mitgebracht werden.
Mittels QR-Code oder über die Website www.schallhausen.ch erhält man Zugang zu einer Karte, gespickt mit Audiodateien. Es ist ein kostenloser, musikalischer Rundgang durch die Stadt. Diesen begeht man nicht nur digital, sondern auch physisch. Gutes Schuhwerk und wetterfeste Kleidung sind darum nicht verkehrt. Und ja, wenn man sich bis jetzt über Jugendliche aufgeregt hat, die mit Kopfhörern von der Aussenwelt abgekapselt durch die Gassen schlendern, dann wird man für einmal selbst zu einem Flaneur mit Soundkulisse – ein Perspektivenwechsel, der sich lohnt.
Eine freundliche Stimme macht einen Kopfhörertest, erst hört man sie auf dem linken, dann auf dem rechten Ohr, sofern die Einstellungen stimmen. Die Stimme begleitet den Spaziergänger auf dem musikalischen Weg während gut einer Stunde, das Tempo bestimmt man selbst, indem man den nächsten Standort auf der Karte anklickt. Zwischendurch kommen Musikerinnen und Musiker oder andere Stimmen zu Wort, die etwas mit der Musikgeschichte Schaffhausens zu tun haben.

Über die Gasse geht es in die Kirche St. Johann. Natürlich passiert dies nicht ganz klanglos, und wer gute Kopfhörer trägt, muss die Kopfhörer kurz anheben, um zu überprüfen, ob die Klänge nicht doch von aussen aus der Orgel pfeifen. Dem ist nicht so. Eine Stimme, sie gehört Christoph Fröhlich, erzählt von vergangenen Zeiten. Nach den Bachkonzerten hätte man die Kirche still verlassen, aber als die Sänger herausgekommen seien, «hat man geklatscht auf dem Fischmarkt», erzählt er.

Schliesslich verlässt man die sakralen Räume. Beim Spaziergang um das Familienzentrum erzählt die Violinistin Elena Winkelmann, wie sie ihre Begeisterung für die Musik entdeckt hat. Plötzlich dröhnen Baumaschinen, die Aussenwelt dringt in die Klangwelt ein. Das kann man nicht ausklammern, schliesslich will man nicht in eine Grube fallen oder von einem Auto erfasst werden.
Baustellen wurden nicht mitgedacht
Die lärmige Geräuschkulisse lässt man hinter sich und widmet sich anderen Klängen. Doch leise wird es nicht, man nähert sich dem Jugendkeller, hier habe früher Nirvana gespielt, heisst es. 1981 habe man eine Band mit diesem Namen gegründet, erzählt der heutige Jazz-Pianist und Komponist Thomas Silvestri. Man war also vor der 1987 gegründeten und weltweit bekannten US-Grunge-Rock-Band. Der Spaziergang führt am Domino an der Repfergasse vorbei, auch hier wurde viel gefeiert.
Andere Töne schlägt Dieter Wiesman an. Auf dem Weg zur Schützenstube erfährt man, dass der Schaffhauser Liedermacher hier seine ersten Auftritte hatte. Mit «Blos e chlini Stadt» im Ohr fragt sich der Spaziergänger, ob sich hier alle kennen oder ob die Stadt unterdessen gewachsen ist.

Auf dem Weg zum Fronwagplatz erfährt man mehr über die Musikkultur der Gegenwart. Dann hört man ein Geräusch der Kanalreinigung, die Aussenwelt schwappt wieder über – sie überschallt die Kopfhörer. Wer auf der musikalischen Tour generell «meh Dräck» erwartet hat, wird spätestens bei der Kammgarn fündig. Gemeint ist nicht die nächste Baustelle, sondern die Geschichte einer Untergrundkultur, bestehend aus wilden Punks, die hier einst Bewegung in das damals beinahe leer stehende Haus gebracht haben.
Ein verruchter Ort
Die Stimme von Hausi Naef, der diesen Ort schon seit über 40 Jahren mitprägt, verrät, wie urchig es hier einst zu- und herging.
Er war auch 1990 bei der Geburtsstunde des Jazz Festivals dabei. Man habe damals noch zwischen Bergen von Schutt und Müll gespielt. «Wir haben Bereiche freigeschaufelt und irgendwo ein Saxofonist in das Gerümpel hineingestellt», erzählt er. «Wir waren autonom, und in den Kellern war eine ordentliche Punk-Szene entstanden.» Naef erzählt aber auch von den Schattenseiten, der Drogenszene und Schlägereien. «Es waren alles lässige Leute, aber die waren auf einem anderen Planeten.» Nach den bewegten Anfängen wuchs aus den maroden Räumen das Kammgarn Kulturzentrum.

Von Klavierklängen begleitet, bewegen wir uns weiter. Zu hören ist die Stimme von Irène Schweizer. Die im vergangenen Jahr verstorbene Grande Dame des Schweizer Free Jazz hatte in der Kammgarn ihre ersten Auftritte. Die Schaffhauserin war stets eine feste und treue Grösse des Festivals.
Musik, die das Leben prägt
Durch den Torbogen geht es zum Kräutergarten und durch die Rundbögen in den Kreuzgang. «Mit Musik beginnt unser Leben – und mit Musik endet es», heisst es aus dem Off. Die Lieblingsstücke von Verstorbenen klingen weiter, wird dem Hörer bewusst gemacht.

«Schallhausen» ist eine Initiative der Stadt Schaffhausen. Laut Projektleiter Jens Lampater sind in den vergangenen zwei Jahren rund 80'000 Franken in das Vorhaben geflossen – darin enthalten auch die Kosten für die Website. Die Audiotour sei zudem beliebig erweiterbar. Künftig könnte das Angebot etwa mit Veranstaltungen kombiniert werden.