«Es wird teils hart gefightet intern»: Mirjam Senn erklärt, weshalb die SP nicht einfach ideologisch unterwegs ist

Fabienne Jacomet | 
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Zwölf Parteien und Gruppierungen treten zur Wahl für den Grossen Stadtrat am 24. November an. In unserer Serie kommen Zugpferde und Newcomer zu Wort. Was motiviert sie, mit welchen Konzepten wollen sie die Geschicke der Stadt beeinflussen? Heute: SP, Liste 2.

Herr Weber, was ist der SP in der vergangenen Legislatur besonders gut gelungen?

Thomas Weber: Wir haben viele Dinge in eine Richtung treiben können, die förderlich ist für die Lebensqualität in Schaffhausen. Allerdings geht das bei vielen Themen noch zu langsam vorwärts oder zu wenig weit. Beispielsweise bei der Bildung: Es dauerte ewig, bis nun auch die Stadt als letzte Gemeinde Schulleitungen einführt. Da hat die SP viele Jahre daran gearbeitet. Parallel fordern wir schon seit über zehn Jahren umfassende Tagesstrukturen. Es gab schon unzählige Vorstösse. Jetzt ist man so weit, dass die Stadt ausbaut, aber für uns noch zu wenig. Und wenn wir keine Mehrheiten im Parlament finden, müssen wir den Umweg über das Volk nehmen, so wie in diesem Fall mit unserer Motion für Tagesstrukturen.

Mirjam Senn

Die Psychologin und Dozentin wohnt auf dem Emmersberg und ist Vorstandsmitglied der SP Stadt und der SP Frauen.

Frau Senn, als Neukandidatin, was sind Ihre wichtigsten Anliegen, die Sie in die Stadtpolitik mit einbringen wollen?

Mirjam Senn: Es frustriert mich, wenn ich beispielsweise mit dem Velo oder mit den Kindern in der Stadt unterwegs bin und sehe, dass es im Verkehr immer noch unsicher ist. Auch beim ÖV gibt es Luft nach oben. Das andere ist die Gesundheitsversorgung: Wir laufen in Schaffhausen in Richtung Unterversorgung. Die Stadt hat hier zwar nicht wahnsinnig viel Handlungsspielraum, aber es ist wichtig, das anzugehen, was man kann. Beispielsweise genügend Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Stadtbewohnerinnen und -bewohner finden keinen Hausarzt, Eltern haben keinen Kinderarzt oder müssen bei Notfällen mit den Kindern immer gleich nach Winterthur. Das sind Probleme aus dem Alltag, die mich beschäftigen und die man auf politischer Ebene in den nächsten Jahren anpacken kann.

Von den letzten Jahren in Erinnerung geblieben ist auch der SP-Exit: Ein paar bekannte Persönlichkeiten sind aus der Partei ausgetreten, weil sie unzufrieden waren. Was löst das in einer Fraktion aus?

Weber: Ich kam erst nach den Austritten in die Fraktion, aber wir haben einen sehr guten Austausch. In der Gesamtpartei leben wir einen intensiven basisdemokratischen Diskurs. Es kommen viele Leute an die Parteiversammlungen, und wir bringen dort auch die Themen aus dem Grossen Stadtrat vor die Basis, versuchen sie mitzunehmen, Rückmeldungen einzuholen und das im Parlament zu vertreten. Im Moment ist die SP, so wie ich sie erlebe, eine lustvolle Truppe, die die Stadt Schaffhausen weiterbringen möchte.

Mirjam Senn zu: Tempo 30: Blödsinn oder am liebsten flächendeckend?

Eher flächendeckend, obwohl man punktuell schauen muss. An neuralgischen Punkten wie bei Schulhäusern ist es enorm wichtig, mehr in die Sicherheit zu investieren, und bei Tempo 30 geht es vor allem darum, Sicherheit zu schaffen. Das Ziel ist es nicht, Autofahrende auszubremsen, aber es gilt, die Schwächeren zu schützen.

Senn: Für uns ist es wichtig, unsere Fraktionsstärke wieder zu verbessern und die Sitze wieder zurückzuholen. So wie es jetzt ist, sieht es ja nicht so rosig aus. Aber ich glaube, es wird klappen. Wir haben eine coole Liste mit motivierten Frauen und Männern, sehr ausgeglichen auch vom Alter her.

Wir haben ausgewählte Politikerinnen und Politiker aus anderen Parteien gebeten, eine kritische Frage an die SP zu formulieren. Urs Tanner (PUSH, Ex-SPler) schreibt: «Liebe Ex-Genossinnen, wie geht es dem sozialliberalen Jositsch-Flügel in der SP Stadt?»

Senn: Wir sind eine sehr breite Partei, und wir sind auch nicht immer derselben Meinung wie die SP Schweiz. Es wird teils hart gefightet intern. Das sieht man von aussen gar nicht, darum hat man manchmal vielleicht auch das Gefühl, die SP sei so ideologisch, so geschlossen immer als Polpartei unterwegs. Aber da steckt viel Arbeit dahinter. Es wird alles ausdiskutiert, das ist unsere Stärke.

Thomas Weber

Der 38-Jährige Betriebsökonom ist Co-Präsident der SP Stadt und sitzt seit Mitte laufender Legislatur im Grossen Stadtrat.

Weber: Ich bezeichne mich zu einem Teil als sozialliberal. Und ich fühle mich in der SP pudelwohl. Es ist von ganz links bis sozialliberal alles gut vertreten, und das soll auch so sein.

Stephan Schlatter (FDP) will wissen: «Die SP ist sehr für integrative Schulen. Ist es nicht eine weitere Belastung für die Lehrpersonen, die gemäss SP sowieso schon sehr schlecht gestellt sind?»

Senn: Integrative Schulen sind inzwischen Standard. Einfach zu sagen, wir wollen das nicht, ist keine Lösung. Wir müssen für gute Rahmenbedingungen sorgen, Lehrpersonen unterstützen. Wir brauchen ausgebildete Lehrpersonen, Heilpädagoginnen, Fachpersonal, sonst geht das nicht. Man kann nicht einfach mehr Kinder mit Herausforderungen in die Klassen packen, um zu sparen. Das ist überhaupt nicht unsere Idee, aber wie die FDP zu sagen, dass Integration allen schadet – man weiss, dass das nicht so ist –, geht nicht. Wir müssen die Sorgen der Lehrpersonen ernst nehmen und in der Stadt einen guten Weg finden.

Thomas Weber zu: Ausgabenwachstum: Hier könnte die Stadt durchaus noch etwas sparen.

Wenn es darum geht, gleiche Leistungen für die Bevölkerung zu erbringen und dafür weniger Geld auszugeben, wie beispielsweise papierbasierte, komplizierte Prozesse digital auszugestalten, dann ist die SP definitiv eine Sparpartei. Wenn man aber wertvolle Leistungen streicht, sind wir dagegen. Das ist dann auch nicht sparen, sondern Leistungsabbau.

International, national und kantonal gab es einen Rechtsrutsch. Was bedeutet das für die Stadtpolitik, muss sich die SP da Gedanken machen?

Weber: Je weiter runter man auf Staatsebene geht, desto eher geht es um konkrete Themen. Wir haben gute Lösungen parat, die der Bevölkerung spürbar das Leben verbessern. Beispielsweise kann durch unsere Hilfe endlich städtische Infrastruktur verbessert werden. Das ist mit den jetzigen Entwicklungen doppelt wichtig für die Stadt.

Der Kantonsrat hat eine klare Mehrheit bei SVP und FDP, das bedeutet auf kantonaler Ebene, dass Leistungen abgebaut, die Steuern nochmals gesenkt werden. Wir müssen diese Leistungen auffangen, wenn wir den Standard der Lebensqualität bei uns hochhalten wollen. Es braucht eine vorausschauende Finanzpolitik, damit die Stadt weiterhin handlungsfähig bleibt und der Bevölkerung etwas bieten kann.

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