Zunahme depressiver Symptome bei Jugendlichen

Jurga Wüger | 
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Der Jahresbericht der Jugendberatung gibt zu denken: Die Fallzahlen haben sich beruhigt, doch die Behandlungsstunden haben zugenommen. Bild: Melanie Duchene

Die Jugendberatung der Stadt Schaffhausen verzeichnet im vergangenen Jahr zwar weniger Fälle, dafür deutlich mehr Beratungsstunden. Psychische Störungen bei Jugendlichen waren auch im Jahr 2022 ein häufiger Grund, um die kostenlose Beratungsstelle aufzusuchen.

Der Jahresbericht 2022 der Jugendberatung der Stadt Schaffhausen lässt aufhorchen. Nach den unruhigen Pandemiejahren 2020, 2021 erlebte die Beratungsstelle im letzten Jahr zwar «eine gewisse Beruhigung» bei den Anmeldezahlen, verzeichnet dafür aber merklich mehr Beratungsstunden. Die Fallzahlen, insgesamt waren es 249, «stabilisierten sich auf einem relativ hohen Niveau», sagt Psychologe Fritz Kubli von der Jugendberatung Schaffhausen.

Die Gesamtzahl der bearbeiteten Fälle war im 2022 um 8 Prozent tiefer als 2021, aber doch um 17 Prozent höher als im Vorpandemiejahr 2019. Das Total der Beratungsstunden mit 1706, welches 2022 in der Jugendberatung geleistet wurde, war hingegen um 9 Prozent höher als 2021. Basierend auf dieser Statistik zieht Fritz Kubli folgendes Fazit: «Wir waren mit etwas weniger Fällen beschäftigt als im Vorjahr, diese verlangten aber eine intensivere therapeutische Begleitung.»

Psychische Störungen dominieren

Die Gründe, warum Jugendliche eine Beratungsstelle aufsuchen, sind unterschiedlich, doch psychische Störungen wie Depressionen waren auch im vergangenen Jahr ein häufiger Grund. Für die Einordnung zitiert Fritz Kubli den leitenden Arzt der Notfallpsychiatrie der Universitätsklinik Zürich für Kinder und Jugendliche, Gregor Berger.

«Unipolare Depression ist die grösste Krankheitslast im Jugendalter – vor Unfällen und Sucht.» Auffällig sei «die steile Zunahme» depressiver Symptome ab 2010. Die Gründe für diese Zunahme liegen auf der Hand, so die Experten: In jenem Jahr kam das Smartphone auf den Markt. Seither hätten Jugendliche und auch viele Kinder einen ständigen Begleiter, der sie unterhalte und vor dem Gefühl der Langweile schütze. Fritz Kubli ergänzt: «Während der Coronapandemie und dem Homeschooling und Homeoffice erlebte die Digitalisierung des Alltags und der sozialen Kontakte nochmals einen Schub. Viele Eltern akzeptierten damals den übermässigen Konsum digitaler Medien, verbunden mit Rückzug ins eigene Zimmer.»

Überforderung im Alltag nimmt zu

Bei der Jugendberatung würden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun häufiger mit den Berichten der Eltern konfrontiert, dass sich ihre Kinder stundenlang im Zimmer mit digitalen Medien beschäftigen und dabei zufrieden sowie angeregt wirken. Doch das sei nur eine Seite der Medaille, so Kubli. Die andere Seite sehe weniger erfreulich aus. «Den Anforderungen des Alltags, wie für die Prüfungen zu lernen oder überhaupt die Schule zu besuchen und rechtzeitig aufzustehen, fällt manchen unglaublich schwer.» Einige von ihnen fühlen sich auch am Arbeitsplatz überfordert und genügen den eigenen Ansprüchen nicht mehr. Es würden Ängste vor Misserfolg und sozialer Ablehnung entstehen, und daraus resultiert ein immer stärkeres Vermeidungsverhalten, welches schliesslich dazu führe, dass sich einige fast nur noch zu Hause in ihrem Zimmer aufhalten.

Ein Coaching soll Abhilfe schaffen

Der Einstieg in die Lehre, ins Berufsleben, sei für viele Jugendliche eine grosse Herausforderung. «Gerade bei Fachleuten Betreuung oder Detailhandelsangestellten stellen wir eine Häufung von Stresssymptomen durch grosse Arbeitslast und zeitliche Beanspruchung fest.» Ein Coaching in der Jugendberatung helfe Lernenden, sich zu wehren, wo überzogene Forderungen seitens des Vorgesetzten bestehen. «Bei der Arbeit für jüngere Klientinnen stiessen wir im vergangenen Jahr häufiger auf dysfunktionale, hochkonflikthafte Familiensysteme, wo die Zusammenarbeit mit anderen Stellen wie Familienbegleitung, KESB, Kinder- und Jugenddienstpsychiatrischer Dienst, Kinder- und Jugenddienst, sehr wichtig und auch zeitintensiv war», sagt Fritz Kubli.

Niederschwellige Beratungsstelle

Die Jugendberatung ist ein Ressort des Sozial- und Sicherheitsreferates der Stadt Schaffhausen und ist eine niederschwellige Beratungsstelle für Jugendliche im Alter von 12 bis 24 Jahren sowie deren erwachsenen Bezugspersonen. Dieses Angebot ist kostenlos und kann von Personen aus dem ganzen Kanton Schaffhausen genutzt werden. Zudem sind die Beraterinnen und Berater an die Schweigepflicht gebunden, was bedeutet, dass sie keine Auskünfte an Dritte weitergeben dürfen.Die Jugendberatung ist ein kostenloses Angebot der Stadt und des Kantons Schaffhausen, um Kinder und Jugendliche in verschiedenen Aspekten des täglichen Lebens zu unterstützen.

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