Emotionsgeladen

Elena Stojkova | 
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Cool genug zu sein und die Aufmerksamkeit des Schwarms zu gewinnen beschäftigen im Stück «An der Decke leuchten die Sterne» des Jugendclubs Momoll Theater genauso wie Krankheit und Tod. Am Samstag feiert das Stück Premiere.

Jenna sitzt zwischen Oma und Opa auf dem Sofa, am Rand sitzt Jennas Mutter. Die Grosseltern reden auf ihre Enkelin ein: Sie müsse jetzt für ihre Mutter da sein. Ihr helfen. Für sie stark sein, weil es ihr nicht gut geht. Sie wiederholen sich mehrfach – auf Jennas Gesicht zeigen sich Ärger, Verzweiflung, Wut. «Als würde ich nichts kapieren. Als hätte ich keine ­Ahnung von den Schmerzen, die Mama hat», sagt sie.

Die Szene spielt sich auf der Fassbühne Schaffhausens ab. Vier junge Frauen erzählen den Zuschauerinnen und Zuschauern die Geschichte der jungen Jenna, die sich einerseits, wie viele andere Jugendliche auch, mit der ersten Verliebtheit, ihrem Aussehen und ihrem Beliebtheitsgrad in der Schule beschäftigt. Andererseits ist da aber auch ihre krebskranke Mutter. Wie soll Jenna mit dieser Krankheit umgehen, wie mit der Angst, ihre Mutter zu verlieren?

Am Wochenende noch steckte der ­Jugendclub Momoll Theater mitten in den Endproben. Zusammen mit Theaterpädagoge Simon Kramer, der für die Inszenierung verantwortlich ist, und Produktionsleiterin Olivia Stauffer feilen sie noch an Details. Da und dort unterbricht Kramer die jungen Frauen, kommentiert das Spiel, gibt Tipps. «Mehr Tempo», heisst es einmal, und ein andermal «No risk, no fun, ­haben wir gesagt». Diese Woche finden die Haupt- und Generalproben statt, am Samstag feiert das Stück «An der Decke leuchten die Sterne» Premiere.

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26. Februar, 1./3./7./9./15./ 18. März 2022, jeweils um 20 Uhr, Fassbühne Schaffhausen

Die Aufführungen des Jugendclubs Momoll Theater besuchen ­jeweils auch viele Schulklassen (5. Klasse bis 3. Oberstufe). Durch neue Leistungsverein­barungen mit Stadt und Kanton können städtische Klassen kostenlos und Klassen des Kantons zum halben Preis eine Aufführung besuchen.

Nicht viel mehr Utensilien als grosse, farbige Sitzsäcke sind auf der Bühne zu sehen, die mal als Sofa bei Oma und Opa, mal als Spitalbett, mal als Pferd dienen. Wichtig ist auch der Kleiderständer: Drei der vier Spielerinnen haben gleich mehrere Rollen, die sie vor den Augen des Publikums wechseln. Auch können die Zuschauenden beobachten, wie die farbigen Kissen umgebaut und der Szenenort damit gewechselt wird.

«Zum Nachdenken bringen»

Es sind schwere Themen, die das Stück, das auf einem Roman von Johanna Thydell basiert, behandelt. Es geht ums Älterwerden, um Zugehörigkeit, Alkoholismus, den Tod. Darum, dass jeder sein «Päckli» zu tragen hat. «Es geht um existenzielle Themen. Dass die jungen Frauen das Stück spielen wollten, fasziniert mich», sagt Stauffer.

«Wir wollen das Publikum zum Nachdenken ­bringen. Ihm die Möglichkeit geben, starke Emotionen zu erleben.»

Emma Monachesi spielt unter anderem «Oma»

Sie und Kramer hatten den Spielerinnen zwei Stücke vorgelegt, die vier selbst haben sich für «An der Decke leuchten die Sterne» entschieden. «Wir wollen das Publikum zum Nachdenken bringen. Ihm die Möglichkeit geben, starke Emotionen zu erleben», sagt die 19-jährige Spielerin Emma Monachesi. Und was passiert während des Spiels mit den eigenen Gefühlen? «Während des Spiels merkt man von den Emotionen eher wenig», sagt die 14-jährige Amélie Maag, die Jennas krebskranke Mutter spielt. Emma Monachesi stimmt zu. Das Emotionale passiere vor dem Proben; dann nämlich, wenn die Spielerinnen ihre Figuren kennenlernen. «Emotional war, als wir ­darüber sprachen, wie die Figuren sind, warum sie so sind, was ihr Hintergrund ist, wo ihre Probleme liegen.»

Die Spielerinnen kennen ihre Figuren am besten, sagt Kramer. Das sei auch der Grund, warum er ihnen nicht jeden Schritt vorgibt. Es sei wichtig, dass die jungen Menschen ihren eigenen Spielraum wahrnehmen und dass zwischen den Theaterpädagogen und ihnen ein Zusammenspiel entstehe. «Letztendlich geniessen wir es am meisten, wenn sie möglichst selbst­ermächtigt spielen.»

«Das Interessanteste ist, wenn sich im Spiel der Blick der jungen Menschen auf die Welt zeigt.»

Simon Kramer, Inszenierung

Gern lasse er sich ­davon überraschen, was die Spielerinnen aus einer Szene machen. Gerade, wenn junge Menschen Erwachsene spielen, sei viel Interpretation drin. «Genau das finde ich das Interessanteste: wenn sich im Spiel ihr Blick auf die Welt zeigt. Wenn man ihre Persönlichkeit auf der Bühne spürt.»

Tabus und Überraschungen

Im Juni des letzten Jahres habe sich die Gruppe erstmals getroffen und «entschieden, diesen intensiven Weg gemeinsam zu gehen», sagt Kramer. Ende August dann begannen die Proben. Einmal in der Woche abends, manchmal am Wochenende. Die Endproben geniesst er sehr, wie er sagt. Anfangs sei die Arbeit kleinteilig, man ­erarbeite Satz für Satz des Stücks gemeinsam. Nun aber könne er Distanz von ­Details nehmen, das Stück mit seinen Emotionen wieder als Ganzes sehen.

Die jungen Frauen brechen in ihrem Spiel einige Tabus und überraschen mehrfach. Das Stück thematisiert Schwieriges, lässt aber auch etwas Schönes entstehen. Es lässt einen zwar vielleicht mit getrockneten Tränen auf den Wangen, aber hoffnungsvoll zurück.

Sehen Sie dazu auch das Interview mit Simon Kramer und Olivia Stauffer ab 18 Uhr in der Sendung «Hüt im Gschpröch» im Schaffhauser Fernsehen.

«Ich möchte das Stück in die Hände der Spielerinnen legen»

Simon Kramer inszeniert «An der Decke leuchten die Sterne».

Herr Kramer, im Theaterstück «An der Decke leuchten die Sterne» müssen die jungen Figuren mit schwierigen ­Lebenssituationen umgehen. Warum haben Sie sich für dieses Stück entschieden?

Simon Kramer: Produktionsleiterin Olivia Stauffer und ich haben zwei Stücke, die auf Romanen basieren, ausgewählt und liessen dann die Spielerinnen entscheiden, welches sie spielen möchten. Das Thema ist schwierig, ja. Mich hat beeindruckt, dass die Spielerinnen Lust hatten, das Stück zu spielen und damit Wichtiges zur Sprache zu bringen, ­Tabus zu brechen.

Was ist Ihnen bei einem Jugendtheaterprojekt wichtig?

Kramer: Das miteinander Produzieren auf Augenhöhe.

Haben Sie selbst gespielt?

Ja, aber nicht so viel. Je älter ich wurde, desto zufriedener war ich mit der Position des Theaterpädagogen. Es ist schön, selbst gespielt zu haben und die Spielerinnen zu verstehen. Ich möchte ja nicht nur der sein, der fordert.

Kommt es vor, dass Sie auf der Bühne stehen und den Spielerinnen etwas vorzeigen?

Ich möchte möglichst wenig konkrete Vorlagen liefern. Sondern die Spielerinnen ermutigen, ihr eigenes Spiel zu finden. Wenn ich jeden Schritt orchestrieren müsste, würde mich das auch überfordern, lustig wäre das nicht.

Was ist Ihr Ziel?

Ich möchte das Stück möglichst in die Hände der Spielerinnen legen. Während des Stücks bin ich unwichtig. Es ist schön, vier junge Menschen zu ­erleben, die einem eine Geschichte erzählen wollen.

Interview: Elena Stojkova

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