Lastwagen in der Altstadt: Einen Elefanten durch ein Nadelöhr manövrieren

Ralph Denzel | 
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Was passiert, wenn es mal nicht reicht, zeigt der Erker über dem Charisma-Imbiss. Bild: Ralph Denzel

Die Schaffhauser Altstadt ist bei Lastwagenfahrern nicht gerade beliebt. Das liegt allerdings nicht nur an den engen Gassen, die ihnen das Leben schwer machen.

Dieses Mal wird er es nicht schaffen.

Das sind höchstens fünf Zentimeter, ehe er dagegen kracht.

Da kommt er nie durch, dort wird er mindestens noch dreimal nachjustieren müssen.

Solche Sätze fallen öfter, wenn sich Mitarbeiter der Schaffhauser Nachrichten eine Zigarettenpause gönnen. Diese machen sie meistens auf der Seite der Stadthausgasse. Blickt man dann in Richtung Munot, sieht man den Cuba Club, den Dönerladen Charisma den Kirchhofplatz – und oft auch, wie LKW-Chauffeure Blut und Wasser schwitzen, wenn sie sich durch die engen Gassen der Schaffhauser Altstadt manövrieren müssen. Vor allem die Stelle Safrangasse/Stadthausgasse ist ein nicht zu unterschätzendes Nadelöhr für die Fahrer. Dadurch, dass es in der Altstadt viele Einbahnstrassen gibt, bleibt den Chauffeuren meistens nur die Möglichkeit, sich durch die Safrangasse in Richtung Kirchhofplatz zu zwängen, um so aus der Altstadt zu kommen.

Bis es soweit ist, müssen sie aber vor allem an dem Erker vorbei, der über dem Laden von Imbissbesitzer «Papi» Ibrahim hängt. Oft geht das gut, manchmal aber auch nicht. So erzählt «Papi»: «Immer wieder stösst jemand dagegen. Dann gibt es einen Knall und ich weiss: Jetzt ist es wieder passiert.» Besonders gut erinnere er sich noch, als mal ein italienischer Wohnwagen an seinem Erker hängenblieb. «Der war danach ziemlich kaputt», so «Papi».

Auch die deutlichen Spuren am Erker zeigen, dass immer wieder LKWs ihre eigene Höhe unterschätzt haben. Die Kante, an der die Laster hängen bleiben können, ist so demoliert, dass sie wirkt, als habe man sie mit einem Vorschlaghammer bearbeitet.

«Im Sommer ist die Altstadt ein Kampf»

Auch aus diesem Grund sind LKW-Chauffeure selten Freunde der Altstadt - zumindest, wenn sie mit ihren Lastwagen dorthin müssen. Robert Eskandari, Fahrer bei Falken, sagt: «Im Sommer ist die Altstadt ein Kampf, im Winter kein Problem.» So sei es im Sommer vor allem schwierig, weil viele Restaurants und Bars ihre Stühle und Tische draussen hätten, was die Manövriermöglichkeiten eines Lastwagens nochmals einschränke. Aber nicht nur die engen Gassen stellen laut seiner Aussage Chauffeure auf eine Probe, sondern auch andere Fahrer: «Wir haben manchmal keine andere Möglichkeit, als zu warten, bis unser Vordermann fertig ist.» Es fehle einfach an Platz, um irgendwie aneinander vorbeizukommen. Dragan Todorvic von der Tamagni Getränke AG kennt dieses Problem «Das Schwierigste sind nicht die engen Strassen, es ist vielmehr das Problem, dass man versuchen muss, irgendwie an den Kollegen vorbeizukommen und sich mit ihnen zu arrangieren.»

Laut Robert Eskandari funktioniere das aber meistens gut, denn man kenne sich mittlerweile in der Altstadt und wisse, wie die Situation vor Ort ist. So mache es einem auch nichts aus, dass man hin und wieder warten müsse, wenn ein Kollege etwas länger brauche. «Das ist unser Business.»

Schwieriger würden es eher die Fahrer machen, die von Auswärts kommen, so Eskandari. «Die kennen sich nicht aus und wissen auch nicht, wie es hier laufen muss, dass alles möglichst gut funktioniert.»

Das ist wichtig, denn: In der Altstadt dürfen Anlieferungen nur bis elf Uhr getätigt werden. Die Stadtpolizei kennt das Problem der Lastwagenfahrer aber ebenfalls.     «Wir schreiben nicht sofort Strafzettel, wenn jemand etwas länger braucht», sagt Marco Ruf von der Stadtpolizei Schaffhausen. Trotzdem müssten sich die Fahrer auch an die Regeln halten, wie der Fachgruppenleiter für Verkehr klar sagt. «Wir kennen die Situation, aber diese ist kein Freifahrtschein für die Fahrer.»

Nadelöhre in der Stadt

Spricht man mit LKW-Fahrern, dann merkt man vor allem, dass es immer wieder ganz spezielle Strassen sind, die Probleme machen: So fallen immer wieder die Namen Repfergasse, Stadthausgasse und eben auch die Kreuzung Safrangasse/Stadthausgasse.

Die kennt auch Thomas Bürgin von der Bürgin Transport AG. «Desto schöner das Wetter, desto schwieriger wird es für uns in der Altstadt.» Neben den anderen Anlieferern, die alle bis um elf aus der Stadt sein müssen, seien allerdings auch Kurzzeitparker ein Problem. «Das nimmt einem vor allem in diesen Strassen Platz weg und macht es nicht leichter, vorbeizukommen», so Thomas Bürgin.

Zurück zu «Papis» Erker: Was für die Munotstadt ein Markenzeichen ist, ist auch etwas, das vielen Fahrern Schwierigkeiten macht – nicht nur an dieser Stelle. In Schaffhausen gibt es 171 davon, die meisten in der Altstadt. Oft sind diese auch genau auf Höhe der Fahrerkabinen von Lastwägen. Thomas Bürgin hat daher seinen Angestellten schon vom ersten Tag an eingebläut: «Schaffhausen ist eine Erker-Stadt.» Dies müsse man immer beachten, wenn man in der Altstadt unterwegs sei. Bisher klappe das laut seiner Aussage sehr gut.

Auch bei der Brauerei Falken hat man keine Kenntnisse davon, dass ihre Fahrer öfters «hängenbleiben». So sagt Andrea Imthurm, Medienverantwortliche des Betriebes: «Mir ist nicht bekannt, dass wir vermehrt Kratzer oder Dellen haben, nachdem wir in die Altstadt geliefert haben.»

Eine weitere Lösung, die Thomas Bürgin derweil umgesetzt hat: «Wann immer es möglich ist, laden wir einfach auf einen kleineren Transporter um.» Das sei pragmatischer und erspare einem viel Nerven.

Die Brummis werden sich nämlich weiterhin durch die engen Gassen quälen müssen. Oder wie es Marco Ruf von der Stadtpolizei auf den Punkt bringt: «Die Geschäfte brauchen ihre Waren – und die LKWs müssen die irgendwie bringen.»

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