Erotik, Tod und Leidenschaft

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Vertonten Zora del Buonos Novelle «Gotthard» virtuos: Das Glauser Quintett, das im Haberhaus im Quartett auftrat. Bild: Buno Bührer

Rockig fuhr das Glauser Quintett im Haberhaus im Rahmen von «Schauwerk – das andere Theater» in Zora del Buonos fein ziselierte Novelle «Gotthard» ein.

von Sabine Bierich

Es ist der Gotthard, der ruft, der Berg, der Tunnel im Berg, das Dunkle. Er entfacht die Leidenschaften der Männer, denn dort ist es heiss, unwirtlich und brutal. Dort spürt man den Tod und wünscht sich um so mehr das Leben, das satte, pralle in den Armen einer Frau; das Dunkel überschreibend, vergessend zwischen ihren Brüsten und in ihren Ritzen. Tiefer Elektrobass, Klopfen hell wie von einer Spitzhacke mit viel Obertönen: «Gotthard», spricht Sprecher Markus Keller ins Mikrofon. Es hört sich an wie die Überschrift zu einem Film, und das ist es dann auch, was in einem losgeht: durch Text und Musik in Gang gesetztes Kopfkino.

Das Glauser Quintett hat sich mit diesem Projekt von seinem Namensgeber, dem Schriftsteller Friedrich Glauser, verabschiedet und sich der zeitgenössischen Autorin Zora del Buono und ihrer Novelle «Gotthard» zugewandt. Ausserdem sind sie für diesmal zu viert, «das kleinste Quintett der Welt»: neben ihrem Sprecher an der Gitarre und schrillen Geige Daniel R. Schneider, der auch für Komposition und Arrangement zeichnet, an der Klarinette, dem Saxofon und dem Akkordeon Martin Schumacher, für Schlagzeug und Perkussion zuständig Fredi Flükiger.

Und das ist es dann auch, was in einem losgeht: Durch Text und Musik in Gang gesetztes Kopfkino.

Es sieht aus, als hätten sie sich mit ihren In­strumenten in einer schäbigen Kantine eingerichtet, wären statt zum Saufen, wie es die Tunnelbauer nicht selten tun, gerade zum Musizieren zusammengekommen. Gewollt verbreiten sie den spröden Charme der Bergarbeiter. Als Requisit neben sich abgestellt haben sie einen Wecker, der stehen geblieben ist, scheinbar im Widerspruch zu Buonos Novelle, wo die Zeit beständig fortschreitet, eingeteilt in Zeitsprünge an einem einzigen halben Tag, um zum Schluss dem bitteren Ende entgegenzurasen.

Die Musiker spielen auf zu Buonos Figuren, dem aus Berlin angereisten Zugliebhaber Bergundthal, der lesbischen LKW-Fahrerin Flavia Polli, der ehemaligen, von allen umschwärmten Kantinenwirtin Dora Polli-Müller, ihrer Mutter, deren drogendealendem Mann Aldo Polli, den ein wohlgehütetes schreckliches ­Geheimnis bei Kilometer 11,3 aus der Zeit des Autobahntunnelbaus mit dem mittlerweile auf der Leitstelle arbeitenden Tonino verbindet, sowie dem aus der ehemaligen DDR kommenden Mineur Thomas Oberholzer und dem aus dem Aargau stammenden Frauen verschlingenden Lokführer Robert Filz, nicht zu vergessen die Hure Mônica, die mit ihren vollen Brüsten fast allen den Verstand raubt.

Sprecher Markus Keller spricht Buonos Text zügig, fast einhämmernd. Die Musik legt sich in minimalistischen Klangbildern da­runter oder rockt beim Einfahren in den Tunnel ab, wo die Musiker frech frivol die erotischen Fantasien des Lokführers umspielen. Gitarre und Klarinette gesellen sich sehnsuchtsvoll zu einer ganz und gar nicht idyllisch wirken wollenden Landschaftsbeschreibung, und manchmal begleitet die Musik eine Person motivisch. Vieles ist aber eher assoziativ gesponnen, und mit Hardrock, Jazz und metallischen Schlägen fahren die Musiker in den Tunnel ein – es echot noch.

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