Schulleitungen kommen wieder auf den Tisch

Dario Muffler | 
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Schulleitungen an den städtischen Schulhäusern kommen zum wiederholten Mal aufs politische Tapet: Mehrere Vorstösse sind hängig. Zuerst wird nun aber der Bereich Bildung in der Stadt durch eine externe Firma analysiert. Ein Grund dafür: die zu hohe Belastung des Schulamts. Bild: Selwyn Hoffmann

Schaffhausen verliert nach nur rund anderthalb Jahren einen wichtigen Kadermitarbeiter: Beat Knecht, Leiter des Schulamts, geht im März 2019. Das System habe seine Kapazitätsgrenze erreicht.

Er muss sich bisweilen damit herumschlagen, wie oft ein Telefon im Lehrerzimmer des neuen Breite-Schulhauses klingeln soll, bevor es umgeleitet wird. Dabei sollte sich Beat Knecht auf strategische Fragen konzentrieren, etwa in der Schulentwicklung und der Schulraumplanung. Der Bereichsleiter Bildung der Stadt Schaffhausen ist auf vielen Ebenen engagiert – auf zu vielen, findet er. «Die Stelle an sich ist hochinteressant», sagt Knecht. Die Belastung aber sei zu gross, weshalb der Familienvater seine Stelle per Ende März 2019 gekündigt hat. Damit kommt es nach nur etwas mehr als anderthalb Jahren erneut zu einem Wechsel in dieser wichtigen Position im städtischen Bildungsreferat. Schon Knechts Vorgänger, Roger Paillard, warf die Flinte aufgrund der zu hohen Belastung ins Korn. Vor dem Stellenantritt von Knecht war die Position dann über ein Jahr lang vakant.

Die mit Aufgaben überladene Stelle des Bereichsleiters sei nur die Spitze des Eisbergs, sagt Katrin Huber (SP), Präsidentin des Stadtschulrats. Sie hatte die dringlichsten Aufgaben während der Stellenvakanz übernommen. «Das Problem wäre aber nicht gelöst, indem nur eine zusätzliche Person eingestellt würde», sagt sie. «Das Schaffhauser Schulsystem muss als Ganzes angeschaut werden.» In den vergangenen Jahren seien die Ansprüche an die Schule gestiegen. Deshalb brauche es eine Professiona­lisierung, betont sie. «Wir sind mit unserem Vorsteher-Modell und dem Stadtschulrat im letzten Jahrhundert stehen geblieben», so die Schulpräsidentin. «Der Stadtschulrat ist pädagogisch zu wenig qualifiziert.» Damit wiederholt Huber, was sie bereits im Frühjahr gesagt hatte. «Ich habe meine Ansichten dem Stadtrat schriftlich vorgelegt, er weiss, was ich denke», sagt sie.

Analyse eingeleitet

Nun wird die Stadt tätig: Bildungs­referent Raphaël Rohner (FDP) kündigt eine Organisationsanalyse des gesamten städtischen Bereichs Bildung an. «Wir haben das Problem erkannt und eine externe Firma damit beauftragt, sich unsere Führungs- und Verwaltungsstrukturen genau anzuschauen», sagt er. Die Ergebnisse sollen im April 2019 vorliegen. «So können wir allfällig nötige Geldmittel bereits mit dem Budget für das Jahr 2020 beantragen», sagt Rohner.

Beat Knecht

Die Problematik sei indes bereits beim Abgang von Paillard im Jahr 2016 bekannt gewesen, räumt Rohner ein. «Bei meinem Amtsantritt Anfang 2017 wollten wir dann keine grundlegenden Veränderungen vornehmen, ohne dass der neue Bereichsleiter dabei hätte mitwirken können», sagt er. «Jetzt wollen wir aber nicht länger warten.» Deshalb ist der Prozess initiiert worden, bevor Knechts Nachfolger feststeht.

«Keine Identifikation mit System»

Obwohl nun Veränderungen lanciert werden und es für Knecht die Möglichkeit gäbe, mitzureden, wechselt er an eine Schulleiterposition im Kanton Zürich. «Ich kann mich mit dem aktuellen System nicht identifizieren. Es entspricht nicht meinen Vorstellungen von einer ‹guten Schule›», sagt er. «Bis die Resultate der Organisationsanalyse politisch diskutiert und die Änderungen dann in den Schulen etabliert sind, dauert es mindestens sechs bis sieben Jahre.» Das sei für ihn ein zu langer Zeithorizont, habe er in den Sommerferien für sich entschieden.

Knecht macht die übermässige Belastung in seiner Position im Wesentlichen an drei Faktoren fest. Nummer eins: die Menge der Projekte. «Es sind sehr viele», sagt Knecht. «In den vergangenen Jahren mussten viele Projekte sistiert oder konnten mangels Ressourcen nicht gestartet werden, die jetzt innert kurzer Zeit abgeschlossen werden müssen.» Für eine gute Qualität müsse man im Schulbereich aber mit den betroffenen Lehrpersonen reden können, wofür nun schlicht die Zeit fehle, so Knecht. Faktor Nummer zwei: ein ­mannigfaltiges Tagesgeschäft. Laut Knecht fehle an den städtischen Schulen die zwischengelagerte Ebene der Schulleitungen. «Aufgrund des Tagesgeschäfts fehlt die Zeit, sich mit übergeordneten Fragen zu beschäftigen», sagt Knecht. So habe er ­gleichermassen Projektleitungen inne, sei Anlaufstelle für Schulvorsteher sowie Lehrpersonen, entwickle strategische Konzepte und müsse politische Vorstösse beantworten. Oftmals seien die Wege innerhalb der bestehenden Strukturen einfach zu lang, so Knecht. Der dritte Faktor: Seine Bereichsleitung umfasse mehr als nur die Schule und das Schulamt. Unter seiner Führung befinden sich zudem die Ab­teilungen Kinder- und Jugendbetreuung ­sowie die Sportkoordination. «Auch die Anforderungen an die Kinder- und Jugendförderung sind in den vergangenen Jahren gewachsen, man denke nur an die Entwicklungen in der Frühen Förderung.» In seiner verbleibenden Zeit, sagt Knecht, wolle er mithelfen, die Grundlagen für eine Weiterentwicklung des Bildungsbereichs zu legen.

Mehrere politische Vorstösse hängig

Politisch sind geleitete Schulen in der Stadt Schaffhausen ein heisses Eisen. Bereits mehrfach hat sich die Schaffhauser Stimmbevölkerung ablehnend gegenüber Schulleitungen geäussert. Zuletzt scheiterte die Einführung auf kantonaler Ebene 2012, obwohl sich damals die Mehrheit der Parteien für Schulleitungen eingesetzt hatte (siehe Text unten).

Im aktuellen Jahr wurden bislang drei politische Vorstösse zu diesem Thema eingereicht. Im April gelangte SP-Grossstadtrat Marco Planas mit einer Interpellation dazu an den Stadtrat. Darin fragte er, ob das Gremium des Stadtschulrats noch zeitgemäss sei. Der Vorstoss wurde noch nicht behandelt. Anfang November reichte dann Diego Faccani (FDP) ein Postulat ein, worin er den Stadtrat auffordert, Bericht und ­Antrag zur Schaffung der Rechtsgrund­lagen für Schulleitungen abzugeben. Erst Mitte dieser Woche reichte SP-Parlamen­tarier Urs Tanner ein weiteres Postulat zu diesem Thema ein. Explizit bezieht er sich darin auf Faccanis Vorstoss und beauftragt den Stadtrat, zusätzlich zu den Schulleitungen eine Neugestaltung und Attraktivierung des Stadtschulrates zu prüfen. «Wir alle wissen, dass im System Schule der Wurm drin ist, es ist dringend notwendig, das System modern, attraktiv, gestaltend und fair bezahlt zu gestalten», schreibt er. Eine erneute Abstimmung über die Einführung von Schulleitungen in der Stadt dürfte also nur eine Frage der Zeit sein.

Schulleitungen in Schaffhausen – eine Hassliebe über Jahre hinweg

Seit fast zehn Jahren wird die Einführung von Schulleitungen auf Sek-, Real- und Primarstufe in der Stadt Schaffhausen in regelmässigen Abständen diskutiert. Bereits Anfang 2009 überwies der Stadtrat einer Kommission des städtischen Parlaments eine Vorlage, mit der eine Grundlage für eine flächendeckende Einführung von Schulleitungen in der Stadt geschaffen werden sollte. Diese Vorlage kam schliesslich im März 2010 zur Abstimmung. Die Stimmbevölkerung schmetterte die Vorlage damals mit klaren 56 Prozent ab.

Die 2010 versenkte städtische Vorlage war eine Folge der 2009 geschei­terten Revision des kantonalen Schulgesetzes, die unter anderem ebenfalls geleitete Schulen vorgesehen hätte.

2010 präsentierte der Regierungsrat dann eine neue Vorlage, um im ganzen Kanton Schulleitungen einzuführen. Das regierungsrätliche Anliegen war im Kantonsrat umstritten. Es kam zu einer weiteren Volksabstimmung, in deren Vorfeld ein heisser Abstimmungskampf geführt worden war. Mit 52,7 Prozent sagten die Schaffhauserinnen und Schaffhauser im März 2012 dann Nein zu dieser Reform des Schulsystems. Zu den Gemeinden im Nein-­Lager gehörte damals auch die Stadt Schaff­hausen. Christian Amsler (FDP), schon damals Vorsteher des Erziehungs­departements, sagte in der Folge, dass es zu keiner weiteren Schulleiter-­Vorlage in seiner Amtszeit kommen werde.

Im Sommer 2017 änderte der Kanton die Verordnungen aus dem Bildungsbereich so weit ab, dass die Gemeinden Schulleitungen auf freiwilliger Basis einführen können, ohne dass es Kostenfolgen für den Kanton hätte.

Im Kanton Schaffhausen haben bereits zahlreiche Gemeinden Schulleitungen eingeführt. Neuhausen beispielsweise hat geleitete Schulen schon vor 18 Jahren eingeführt. Die Gemeinden Beringen, Hallau und Thayngen kennen Schul­leitungen ebenfalls bereits seit einiger Zeit. (dmu)

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