«Sie sind undifferenziert» – «Sie naiv»

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Zieht die Stadt die Baubewilligung für die Moschee zurück?

Eine Onlinepetition gegen die geplante Aksa-Moschee sorgt für Zoff unter Schaffhauser Christen. Im SN-Gespräch kreuzen ein Pfarrer und ein EDU-Politiker die Klingen.

von Mark Liebenberg

In einer Onlinepetition verlangen bislang gegen 12'000 Unterzeichnende, dass die Stadt die Baubewilligung für den Türkisch-Islamischen Verein zum Bau einer Moschee am Schalterweg 10 in der Stadt Schafhausen zurückzieht.

Herr Finger, eine Onlinepetition gegen die geplante Aksa-Moschee in Schaffhausen hat bei Ihnen für mächtigen Ärger ­gesorgt. Wieso?

Joachim Finger: Weil sie anonym ist, weil sie sehr polemisch abgefasst ist und sachliche Unrichtigkeiten enthält. Die Baubewilligung ist erteilt, rechtlich einwandfrei. Das hat man zu akzeptieren. Es wäre schön, wenn in die ganze Islamdiskussion in Schaffhausen endlich Ruhe einkehren würde.

Würde es für Sie einen Unterschied machen, wenn zum Beispiel Herr ­Sutters EDU eine richtige Petition gemacht hätte?

Finger: Das hätte ich richtiger gefunden. Aber ich wäre inhaltlich natürlich immer noch anderer Meinung.

«Es geht nicht gegen eine Moschee an sich, sondern gegen das konkrete, überdimensionierte Projekt.»

Erwin Sutter

Herr Sutter, wieso haben Sie diese anonym verfasste Internetpetition unterzeichnet und auf sozialen Netzwerken geteilt – und nicht selbst eine verfasst?

Erwin Sutter: Es ist wichtig, dass man sich dazu äussern kann – auch wenn es vielleicht schon zu spät ist, leider. Mittlerweile sind es 12'000 Menschen, die die Petition unterzeichnet haben, weil sie den Entscheid des Stadtrats für falsch halten. Es geht nicht gegen eine Moschee an sich, sondern gegen dieses konkrete, für den effektiven Bedarf in Schaffhausen völlig über­dimensionierte Bauprojekt, bei dem man die Auswirkungen wohl nicht ganz durchdacht hat und die Finanzierung total im Dunkeln liegt.

Sie beide sind bekennende Christen. Ist es nicht ein Gebot der religiösen ­Toleranz, dass Andersgläubige einen Raum für das Gebet und die Lesung ihrer heiligen Schrift haben?

Finger: Doch, genau das ist es. Ich bin im Gegensatz zu Herrn Sutter mit dem Türkisch-Islamischen Verein im Gespräch und weiss deshalb, dass das heutige Gemeindehaus am Schalterweg aus allen Nähten platzt. Aber noch zur Petition: Nicht nur dass die Verfasser anonym sind, stört mich, sondern auch dass offenbar ein grosser Teil der Unterschriften aus Deutschland stammt. Was haben Leute aus Deutschland sich in unsere Schaffhauser Politik einzumischen? Anderenorts verbittet man sich doch auch jede Einmischung in Schweizer Angelegenheiten.

Sutter: Vielleicht sind die Verfasser deshalb anonym, weil es nicht ganz ungefährlich ist, wenn man sich gegen islamische Einrichtungen wehrt. Ich jedenfalls habe meinen Namen unter die Petition gesetzt. Die Website, von der aus die Petition lanciert wurde, ist übrigens nicht «rechtsextrem», wie es in der Zeitung stand, sondern vertritt christlich-konservative Werte. Das ist doch legitim, oder?

Wovor genau haben Sie Angst, Herr Sutter?

Sutter: Ich will keinen 30 mal 16 Meter grossen und 14 Meter hohen Prunkbau für eine Parallelgesellschaft. Eine derartige Einrichtung ist für den Verein offenbar auch ­finanziell zu gross, eine Bank hat ja bereits abgewinkt. Deshalb verzögert sich der Bau jetzt auch.

Finger: Sagen Sie, waren Sie schon einmal in der heutigen türkischen Moschee am Schalterweg?

Sutter: Nein, nie.

Finger: Sie kennen also diesen Verein und die Menschen dahinter gar nicht. Wie wollen Sie dann beurteilen können, welche Bedürfnisse da sind?

Würde es Sie auch stören, Herr Sutter, wenn zum Beispiel ein tibetischer Tempel oder eine Synagoge mit exakt diesen ­Massen gebaut werden sollte?

Sutter: Das kommt ganz drauf an. Der Islam nimmt für mich eine Sonderstellung unter den Religionen ein. Die fehlende Trennung von Staat und Kirche ist für mich problematisch. Umso mehr, als es sich hier um einen türkischen Verein handelt mit der türkischen Stiftung Tiss im Hintergrund. Die Finanzierung ist unklar, und der türkische Staat bezahlt den Imam. Wir alle erinnern uns: Beim Putsch im Jahre 2016 in der Türkei haben die staatlichen Imame in den Moscheen auch in Zürich Erdogan-Propaganda gemacht und ihre Anhänger nach angeblichen Gülenisten ausgespitzelt …

Finger: Also ich bin schon erstaunt, wie undifferenziert Sie argumentieren. Man kann doch nicht alle Muslime in einen Topf werfen und unter Generalverdacht stellen, nicht einmal alle Türkisch-Islamischen Vereine. Schaffhausen ist nicht Köln! Man kann auch nicht alle Christen in einen Topf werfen. Ich kenne den Schaffhauser Verein sehr gut, das sind anständige Leute, viele sind Schweizer Bürger und keine Extremisten oder Nationalisten. Ich glaube, mich mit den islamischen Strömungen so weit auszukennen, dass ich das beurteilen kann.

Sutter: Zurzeit ist das vielleicht schon so, wie Sie sagen. Aber wie wird sich das in Zukunft entwickeln? Da haben wir überhaupt keine Kontrolle. Gerade die Entwicklungen in der Türkei müssen uns Sorge bereiten. Wer zahlt, wird immer versuchen, Einfluss zu nehmen. Wes Brot ich ess ...

Braucht es dann nicht gerade deshalb mehr interreligiösen Dialog, also noch mehr Einbindung und Transparenz, um dies unter Beobachtung zu haben?

«Wir sollten moderaten, lokal verwurzelten Gemeinschaften nicht mit so viel Misstrauen begegnen.»

Joachim Finger

Finger: Doch, braucht es. Ich bin mit Ihnen einig, Salafisten und so weiter will niemand bei uns haben. Umso mehr müssen wir uns Mühe geben, moderate, lokal verwurzelte muslimische Gemeinschaften zu fördern und ihnen nicht zuerst einmal Misstrauen entgegenzubringen.

Sutter: Ich halte das für naiv. Im interreligiösen Dialog fallen immer nur schöne, verbindende Worte. Aber man sieht immer nur einen Teil des Gegenübers. Was die dann hintenrum denken und predigen und leben, wissen Sie nicht. Solange die Imame und vielleicht am Ende auch das Geld aus der Türkei kommen, sowieso nicht.

Finger: Ich bin absolut dafür – wie übrigens auch der Schaffhauser Verein –, dass die Imame in der Schweiz ausgebildet werden, Noch besser wäre es, wenn die islamischen Vereine voll öffentlich-rechtlich anerkannt wären, dann hätten wir vollste Transparenz. Aber so weit sind wir in der Schweiz ja noch lange nicht. Der interreligiöse Dialog, um auf die Frage zurückzukommen, stösst mit gewissen Strömungen des Islam genauso an Grenzen wie mit orthodoxen Juden oder radikalen Hindus. Aber da sollten wir die Kirche – oder eben die Moschee – jetzt wirklich im Dorf lassen. Ich räume ein, es gibt sehr nationalistisch eingestellte Türkisch-Islamische Vereine, die politische Abhängigkeit ist nicht überall gleich. Nochmals: In Schaffhausen herrscht Friede zwischen den Religionen. Und wir sollten alles dafür tun, dass das so bleibt.

Sutter: Wenn alles so moderat und gemässigt ist in Schaffhausen, dann verstehe ich nicht, wieso es eine solche Grossmoschee braucht, die offensichtlich auch Gläubige aus dem grenznahen Deutschland ansprechen soll. Die Rede ist von bis zu 500 Besuchern an Feiertagen.

Finger: Ich sehe das Problem nicht. Es geht genau genommen übrigens nicht nur um eine Moschee, sondern um ein Gemeindezentrum mit zwei Gebetsräumen, einen für Männer und einen für Frauen, mit Schulungsräumen, einer zweistöckigen Tief­garage und einer Wohnung für den Imam.

Sutter: In welcher Sprache wird dort eigentlich gepredigt?

Finger: Auf Türkisch. Weil es im Verein viele Albaner und Bosnier hat, ist die … … Umgangssprache Deutsch, und auch viele türkische Secondos können den Predigten nicht folgen. Deshalb gibt es Dolmetscher, und die Predigten werden in einer zusammengefassten Form schriftlich auf Deutsch abgegeben. Die Koran­lesung ist immer auf Arabisch.

Sutter: Da haben wir’s. Ich bin dafür dass die Predigt auf Deutsch gehalten werden müsste. Oder auf Türkisch mit Simultanübersetzung.

Herr Sutter, wissen wir denn so ­genau, was in Freikirchen oder ­Sekten gepredigt wird und ob es ­immer ­vereinbar ist mit den Werten einer Gesellschaft, die Kirche und Staat trennt?

Sutter: Die Trennung von Staat und Kirche ist eine wichtige Errungenschaft, ich sage dies als Christ. Im Falle der Aksa-Moschee müssen wir ganz genau hinschauen, etwa bei der Rolle der Frau in der Gemeinschaft. Bei nach Geschlecht getrennten Gebetsräumen muss man schon fragen, ob das in unsere Gesellschaft passt. Meinens ­Erachtens müssen wir sehr aufpassen, dass wir aus lauter Toleranz jetzt keinen Rückschritt machen und Steigbügelhalter spielen für religiösen Extremismus.

Finger: Da kenne ich aber andere Beispiele. In der katholischen Kirche sind Frauen auch nicht gleichberechtigt, und auch in fundamentalistischen freikirchlichen Kreisen gibt es Defizite. Wenn man religiösem Fundamentalismus wehren will, dann sollte man es bei allen tun!

Eine noch hängige Interpellation im Grossen Stadtrat erwähnt ebenfalls die Gefahr, dass politisch motivierte Muslime und Salafisten aus Deutschland in der Schaffhauser Moschee aktiv werden könnten. Wie beurteilen Sie dieses Risiko?

Finger: Das sind wirklich Hirngespinste, und es zeigt das völlig undifferenzierte Denken gewisser Kreise.

Sutter: Es wäre weitherum die grösste derartige Einrichtung. Wie wollen Sie verhindern, dass da salafistische Kräfte kommen, die auch Sie nicht bei uns haben wollen? Sie sind einfach naiv. Ich würde ja sogar weitergehen und fordern, dass islamische Vereine ein klares Bekenntnis ablegen müssen, dass unser Landesrecht über ihren religiösen Rechtsvorstellungen wie der Scharia steht.

Finger: Scharia? Salafismus? In einer türkischen Moschee? Das zeigt wieder, wie Sie alles durcheinanderbringen!

Herr Sutter, was müsste geschehen, damit Sie das Moscheeprojekt ­befürworten würden?

Sutter: Es müsste eine totale Transparenz zur Finanzierung geben. Und in der Grösse müsste die Aksa-­Moschee redimensioniert werden. Predigten auf Türkisch sind für mich ein No-Go. Ich bin nicht grundsätzlich gegen eine neue Moschee für den Türkisch-Islamischen Verein, aber es muss sichergestellt sein, dass es keinerlei politischen Einfluss aus der Türkei oder von anderswo gibt.

Herr Finger, was muss passieren, ­damit in Schaffhausen wieder ­Frieden zwischen den Religionen einkehrt?

Finger: Man muss miteinander reden, genau das, was wir im interreligiösen Dialog tun. Welchen Raumbedarf der Türkisch-Islamische Verein hat, weiss wohl er selbst am besten. Übrigens könnte man das mit der Fremdfinanzierung ganz einfach lösen: Eine regionale Bank könnte nun beherzt eingreifen und einen Kredit sprechen. Dann brauchte es keine Fremdfinanzierung, auch nicht aus der Türkei.

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