«Ein Schlagzeug hinter einer Plexiglaswand sieht einfach doof aus»

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Wie werden in Zukunft Konzerte in der Schweiz durchgeführt werden, wenn die neue Lärmschutzverordnung in Kraft tritt. Bild: Pixabay

Lärm gegen Lärmschutz-Verschärfungen: Kleine Kulturlokale wehren sich gegen eine neue Verordnung des Bundes - auch in Schaffhausen. Sie stehen vor einer unsicheren Zukunft.

von Kay Uehlinger und Alexa Scherrer

Der Bund veranlasst eine neue Verordnung zum Bundesgesetz über den Schutz vor Gefährdungen durch nichtionisierende Strahlung und Schall, die 2019 in Kraft treten soll. Das trägt dazu bei, dass vor allem kleine Kulturlokale um ihre Existenz fürchten müssen. Von diesen Kulturlokalen gibt es einige in Schaffhausen. Doch was bedeutet die neue Verordnung für Schaffhauser Konzertlokale oder auch grosse Outdoor-Partys wie das Lindli-Fäscht überhaupt?

Das TapTab steht vor einer ungewissen Zukunft

Die neue Lärmschutzverordnung stösst vielerorts auf Unverständnis. Vor allem auch, weil sie vom Bundesamt für Gesundheit nicht richtig kommuniziert worden sei. Das findet etwa der Präsident des Vereins TapTab, René Albrecht: «Wir beschäftigen uns bereits seit Jahren damit, die Lautstärke im TapTab unter Kontrolle bringen zu können. Was halt aber nicht geht, ist die Lautstärke von einer Trompete oder eines Schlagzeugs zu drosseln und dennoch das Gefühl von ansprechender Musik zu bekommen.» Die Durchführung von Konzerten würde ein grosses Problem darstellen, wenn die Verordnung in Kraft träte. Hier sei auch der Unterschied erkennbar zwischen einer kleinen und einer grossen Lokalität. Bei Letzteren müssten Instrumente wie ein Schlagzeug von Anfang an verstärkt werden. Somit sei die Lautstärke von Beginn weg einfacher zu regeln, während ein Schlagzeug bei einer kleinen Lokalität ohne Verstärkung schon laut sei. 

Selbst Partys würden unter der neuen Verordnung leiden. «Bei einer Party - gerade bei einer Techno-Party – muss eine bestimmte Lautstärke erreicht werden um die Leute überhaupt zum Tanzen zu animieren», meint Albrecht. «Dennoch ist es bei einer Party einfacher die Lautstärke zu regulieren als zum Beispiel bei einem Punk-Konzert.» Instrumente ins richtige Verhältnis zu bringen sei selbstredend schwieriger als an einem Hauptregler die Lautstärke anzupassen. Momentan wisse man nicht, wie es mit dem kulturellen Angebot des TapTab weitergehen werde.

Dezibelmesswerte im Alltag
Dezibelmesswerte im Alltag

Die Verordnung bringt viel Unklarheit mit sich. Klar ist für Albrecht aber: «Mit dem Eintreten der neuen Verordnung wären wir dazu gezwungen, auf manche Veranstaltungen zu verzichten.» Gewisse Bands bringen ihre eigenen vertraglichen Bedingungen mit - stimmen die geltenden Gesetze nicht damit überein, wollen sie gar nicht erst auftreten. «Das vereinfacht die Sache nicht», sagt Albrecht. 

Sich neue Vorrichtungen anzuschaffen um die Lautstärke zu senken, sei zudem nicht nur eine kostspielige Frage, sondern erschwere es auch Bands an Land zu ziehen, die sich mit solchen Gerätschaften identifizieren können. «Es wird ein Muss sein, zusätzliche Massnahmen zu ergreifen. Bereits heute nutzen wir günstige Geräte wie beispielsweise Cymbelpads zur Lautstärkedämmung. Das sind Gummiabdichtungen für das Becken eines Schlagzeuges.» Zu viele Massnahmen seien aber auch unpraktisch, da sie die Klänge von Instrumenten zu sehr beeinflussen können.

Kulturelles Angebot müsste eingeschränkt werden

Auch für Samuel Hartmann vom Cardinal an der Bahnhofstrasse bringt die neue Verordnung schwerwiegende Probleme mit sich - und das obwohl das Cardinal nur sporadisch Konzerte oder Partys veranstaltet. Denn jede Veranstaltung müsste in Zukunft 14 Tage vor Beginn angemeldet werden – zu aufwendig für ein so kleines Lokal. «Durch die neue Verordnung würde das Buchen einer Band und das damit verknüpfte Einholen von Bewilligungen enorm viel Aufwand bedeuten. Da vergeht einem einfach zu schnell die Lust.» Dies auch, weil das Cardinal mit Konzerten keinen Gewinn mache. 

Bereits heute werden im Cardinal Massnahmen zur Lärmreduzierung getroffen, indem unter anderem Ohrstöpsel verteilt werden. Deshalb sieht Hartmann keinen Sinn in Anschaffungen von zusätzlichen teuren Lärmschutzgeräten wie zum Beispiel einer Plexiglasscheibe. «Ein Schlagzeug ist laut, aber eine Scheibe vor den Drummer zu stellen um die Lautstärke zu senken, nimmt den Kulturwert und sieht einfach doof aus. Auch für die Bands selber ist so eine Massnahme sehr unattraktiv.» Es könne also durchaus sein, dass das Cardinal sein kulturelles Angebot aufgrund der Verordnung einschränken müsse und in Zukunft keine Konzerte mehr anbieten werde.

Offene Fragen auch bei der Kammgarn

Die Kammgarn hat seit der letzten Änderung des Gesetzes entsprechende Massnahmen getroffen, welche ihr für die Umsetzung der neuen Verordnung zu Gute kommen würden, erklärt Pascal Bührer. Der bürokratische sowie der personelle Aufwand wären dennoch gross - wie gross genau und ob diese Aufwände sich in den Ticketpreisen niederschlagen würden, müsse noch geprüft werden.

Auch die Haberhaus-Bühne in der Neustadt ist fester Bestandteil der Schaffhauser Unterhaltungsszene. Da die Lokalität aber vermietet wird und das Haberhaus keine eigenen Konzerte oder Partys veranstaltet, sind die Auswirkungen der neuen Verordnung für Geschäftsführerin Kathrin Lang zweitrangig. Die jeweiligen Organisatoren haften für ihre Veranstaltungen.

Andere Regeln für Gross-Events

Dass die neue Lärmschutzverordnung vor allem kleine Betriebe treffen würde, wird deutlich, wenn man mit einem Veranstalter grosser Events spricht. Das Lindli-Fäscht etwa gehört zu einer anderen Lärmschutz-Kategorie mit eigenen Regeln und Vorschriften. Laut Tobias Hunziker, Geschäftsführer der Schaffhauser Firma eventmodus, müssen sowieso Schallpegelmessungen vor Ort durchgeführt werden, wobei die Grenze von 96 Dezibel dabei nicht überschritten werden darf. Zudem habe es beim Lindli-Fäscht Ausgleichszonen, in welchen der Wert von 85 Dezibel nicht überschritten werde. Die Protokolle mit den Messwerten müssen die Veranstalter aufbewahren, damit bei einer allfälligen Kontrolle nachgewiesen werden kann, dass über den Zeitraum der Veranstaltung keine Werte überschritten wurden.

Mit einer Petition des Petzi-Verbandes Schweizer Musikclubs und Festivals soll die neue Verordnung bekämpft und damit vor allem kleine Veranstaltungsorte in der Schweiz vor dem Aussterben geschützt werden. Das Cardinal hat unterschrieben und die Kammgarn will die Petition öffentlich für ihre Besucher auslegen, während man beim TapTab abwartet - immer noch mit der Unklarheit, was die neue Verordnung alles mit sich bringen wird.

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