«Am Ende werden Kriege noch immer am Boden geführt»

Christoph Merki | 
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Der Kommandant des Lehrverbandes Panzer Artillerie, Brigadier Gregor Metzler, vor einem Centurion-Panzer auf dem Waffenplatz Thun. Bild: Christoph Merki

Seit diesem Jahr kommandiert Brigadier Gregor Metzler den Lehrverband Panzer Artillerie der Schweizer Armee.

Der heutige vierte Museumstag des Museums im Zeughaus (MiZ) steht ganz im Zeichen der Panzer (siehe Kasten). Seit ­diesem Jahr kommandiert Brigadier Gregor Metzler den Lehrverband Panzer Artillerie der Schweizer Armee. Ihm obliegt unter anderem die Ausbildung der neuen Panzersoldaten. Er wird am Samstag im Rahmen eines Referates über die Erneuerung der schweren Waffensysteme der Schweizer Armee sprechen.

Herr Metzler, die Entwicklung vom ­Praga-Panzer bis zum heutigen Leopard 2 ist zumindest von aussen sichtbar. Hat sich die Technik in dieser Zeit ebenfalls ­essenziell verbessert?

Die Entwicklung der Panzer ist vergleichbar mit derjenigen des Automobils. Zwischen dem Modell T von Ford und einem heutigen Personenwagen mit sparsamer Motorentechnologie und unzähligen Assistenzsystemen liegen Welten – und doch sind beides Autos, welche sich auf vier Rädern fortbewegen. Der Panzer von heute vereint immer noch die gleichen Merkmale wie zu seiner Zeit der Praga-Panzer: Feuerkraft, Beweglichkeit und Schutz. Aber in all diesen Bereichen war der Fortschritt immens. Wir sprechen heute von einem digitalisierten, voll nachtkampftauglichen Waffensystem, welches gleich schnell beschleunigt wie ein Mittelklassewagen. Am prägendsten war jedoch die Entwicklung vom eigentlichen Kampfpanzer zum Gesamtsystem Panzerwaffe, welches in der Lage ist, das Gefecht der ­verbundenen Waffen zusammen mit den anderen Truppengattungen wie Artillerie, Infanterie, Genie und so weiter zu führen.

In Schaffhausen referieren Sie vor ­gepanzerten Zeitzeugen, die zum Teil in der Stahlgiesserei hergestellt wurden. Ein ­geeigneter Ort, um über Erneuerungen zu sprechen?

Wer nicht weiss, woher er kommt, weiss nicht, wohin er geht! Die Georg ­Fischer AG spielte eine gewichtige Rolle in der Entwicklung der Schweizer Panzertechnik. Sie war wesentlich an der Produktion der legendären Schweizer Panzer 61 und 68 beteiligt. Die Stahlgiesserei ist somit für mich absolut der richtige Ort, um darüber zu sprechen, dass die Entwicklung der Panzerwaffen noch lange nicht abgeschlossen ist.

Sind Panzer im Zeitalter von Cyberwar noch sinnvoll?

Cyberangriffe stellen in der Tat in der heutigen Zeit eine grosse Bedrohung für moderne, vernetzte Gesellschaften wie die unsere dar. Wie uns aber Bilder und Nachrichten aus aktuellen Kriegsgebieten in und um Europa fast täglich vor Augen führen, ist Cyber nur eine von vielen Facetten moderner Bedrohungsformen. Am Ende werden Kriege immer noch am Boden geführt und entschieden. Dazu braucht es die angemessene Feuerkraft, die nötige ­Beweglichkeit und den entsprechenden Schutz.

Die Topologie der Schweiz entspricht nicht einem typischen Panzergelände, ­inwiefern sollten und können die Panzer hierzulande eingesetzt werden?

Die Panzerwaffe kommt dort zum Einsatz, wo Feuerkraft, Beweglichkeit und Schutz gefragt sind – unabhängig vom ­Gelände. Die Kriege der Zukunft werden sich wahrscheinlich noch mehr als früher in unseren urbanen Bevölkerungszentren abspielen. Aus diesem Grund gilt es, die Panzerwaffe zielgenau auf dieses Einsatzumfeld auszurichten und weiterzuentwickeln.

Kann die Schweiz im internationalen ­Vergleich mit ihren Panzertruppen ­überhaupt bestehen?

Davon bin ich überzeugt! Der ­Leopard 2 WE sowie der Schützenpanzer 2000 sind in der gleichen Liga anzu­siedeln wie die Kampffahrzeuge anderer ­Nationen in Europa. Aber es gilt, am Ball zu bleiben, um die Weiterentwicklung des Systems Panzerwaffe nicht zu verpassen und auch in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben.

Momentan steht vor allem die Luftverteidigung auf der politischen Agenda, hat die Erneuerung der schweren Waffen­systeme noch Platz?

Die Schweizer Armee muss als ­Gesamtsystem betrachtet werden, welches gemeinsam zum Einsatz kommt. Aus diesem Grund hat der Schutz in der dritten ­Dimension zum heutigen Zeitpunkt die oberste Priorität. Ohne eine funktionierende oder gar mit einer fehlenden Luftverteidigung kann die Entscheidung am Boden auch nicht mit der besten Panzerwaffe herbeigeführt werden.

Gibt es konkrete Vorstellungen, welche Waffensysteme die Schweiz in welchem Zeithorizont benötigen würde?

Die Armeeführung erarbeitet zurzeit eine Gesamtkonzeption Boden. Analog der Konzeption Luft geht es darum, die in Zukunft notwendigen Fähigkeiten für die Bodentruppen systematisch abzuleiten und zu identifizieren. In diesem Sinne ist es zu früh, von konkreten Waffensystemen zu sprechen. Ich bin aber überzeugt, dass die Fähigkeiten Feuerkraft, Beweglichkeit und Schutz von zentraler Bedeutung bleiben werden.

Das Material ist das eine, die Besatzung das andere. Ist das Milizsystem mit der Bedienung von Panzern der neusten ­Generation kompatibel?

Da bin ich ganz sicher! Die jungen Schweizerinnen und Schweizer von heute sind mit modernster Technologie wohl besser vertraut als die ältere Generation. Sie sind polyvalenter ausgebildet und können zukünftige Systeme zielgerichtet einsetzen.

Worauf wird in der heutigen Ausbildung am meisten Wert gelegt?

In erster Linie geht es darum, dass die Truppe ihr Waffensystem erfolgreich im Verbund mit anderen Systemen im mehrheitlich urbanen Gelände einsetzen kann. Daneben legen wir einen besonderen Fokus auf die jungen Kader. Sie gilt es zu befähigen, als militärischer Chef sämtliche möglichen Probleme im Einsatz lösen zu können.

Herr Metzler, vielen Dank für das ­Gespräch.

 

 

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