Die Etrusker leben auf in Schaffhausen

Mark Liebenberg | 
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Kurator Werner Rutishauser mit «Etruskische Frau auf Sarkophag» aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Erstmals seit 1955 zeigt ein Schweizer Museum eine grössere Ausstellung über die Etrusker. Bild: Selwyn Hoffmann

«Etrusker – antike Hochkultur im Schatten Roms» heisst die grosse Sonderschau, die am Freitag im Museum zu Allerheiligen eröffnet. Sie weist gleich zwei interessante Bezüge zu Schaffhausen auf.

Mit der Sammlung Marcel Ebnöther (1920–2008) besitzt das Museum zu Allerheiligen bekanntlich eine über 6000 Objekte zählende Antikensammlung von internationaler Bedeutung. Von den ursprünglich 400 «etruskischen» Objekten aus der Ebnöther-Sammlung ist der Bestand nach umfangreichen Forschungs- und Aufbereitungsarbeiten in den letzten Jahren zwar auf 235 Objekte geschrumpft – die restlichen konnten anderen italischen Kulturen zugeordnet werden. «Doch wir haben schnell festgestellt, dass es uns gelingen könnte, allein anhand der hochwertigen Exponate aus unserer Sammlung ein umfassendes Panorama der etruskischen Kultur und Lebenswelt zu bieten», erklärt Werner Rutishauser, Kurator der Sammlung Ebnö­ther im Museum zu Allerheiligen. Insgesamt 40 Leihgaben aus 9 Partnermuseen aus dem In- und Ausland schliessen die «wenigen Lücken», wie Rutishauser sagt.

«Wir könnten allein anhand unserer Exponate ein umfassendes Panorama der etruskischen Kultur bieten.»

Werner Rutishauser, Kurator der Sammlung Ebnöther

Rätselhafte Kultur zum Entdecken

Entstanden ist eine grosszügige Schau im – seit Neustem mit Klimaanlage ausgestatteten – Kammgarn-Wechselsaal auf 750 Quadratmetern. «Wir wollen damit nicht nur zeigen, was wir haben, sondern auch, was wir können», sagte Katharina Epprecht gestern vor der Presse. Schön inszeniert und mit konzisen Erklärtexten versehen ist eine reiche Auswahl von Skulpturen, Vasen, Schmuck und weiteren Metallarbeiten. Erlebbar werden so die vorderasiatischen Einflüsse, eine ausgeprägte Festkultur, die Wahrsagerei, der Totenkult und die Ahnenverehrung. In vielerlei Hinsicht ist es ein rätselhaftes Völkchen, diese späteisenzeitlichen Etrusker, die zwischen 800 und circa 100 vor Christus in Mittelitalien siedelten und deren eigene Stadtgründung – Rom – schliesslich den Untergang ihrer Kultur bedeutete. Ihre Sprache hat man nie entschlüsselt, um ihre Herkunft ranken sich Legenden, ihre grosse Spiritualität steckt voller Geheimnisse. Doch diese vorrömische Mittelmeerkultur hat der Nachwelt ihre Spuren hinterlassen – dies vor allem in Form von Objekten des Alltags, aber auch anhand von Gegenständen von kultischer Bedeutung. Dank Handelsbeziehungen offen für kulturelle Einflüsse von aussen und dank blühender Landwirtschaft etwa im Gebiet der heutigen Toskana und dem Vorkommen von Edelmetallen in der Region und deren Verarbeitung waren die Etrusker auch ein wohlhabendes, friedliches und lebensfrohes Völkchen. «Das manifestiert sich etwa in der vergleichsweise emanzipierten Stellung der Frau in der etrurischen Gesellschaft», erklärt Rutishauser.

Und ein Schaffhauser Früh-Hippie

Die Leihgaben stammen aus neun Museen vor allem nördlich der Alpen, namentlich dem Ny Carlsberg Glyptotek. «Wir hätten natürlich gerne auch Exponate aus Italien gezeigt, wo sich die bedeutendsten Sammlungen etruskischer Kunst befinden, aber das können wir uns nicht leisten», sagt Epp­recht. Jedoch ergibt sich via Kopenhagen ein weiterer interessanter Bezug zu Schaffhausen: ein grosses Eins-zu-eins-Faksimile einer etruskischen Grabmalerei, die im Jahr 1895 der Schaffhauser Künstler Heinrich Wüscher (1855–1932) in Tarquino herstellte. Wüscher, aka Enrico Wuscher-Becchi, war es, der in den Zwanzigerjahren die Umgestaltung des ehemaligen Klosters Allerheiligen in ein Museum angeregt hatte. Er war als junger Antikenfan nach Italien ausgewandert, wo er im Auftrag eines dänischen Sammlers die Malerei hergestellt hatte. Die Wandmalerei der – mittlerweile geplünderten – Gruft stellt ein Symposion, ein Festgelage, dar, das die Lebenden und die Toten gemeinsam feiern.

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