Die Etrusker leben auf in Schaffhausen
«Etrusker – antike Hochkultur im Schatten Roms» heisst die grosse Sonderschau, die am Freitag im Museum zu Allerheiligen eröffnet. Sie weist gleich zwei interessante Bezüge zu Schaffhausen auf.
Ausstellungskatalog: Ein Führer zu Kultur und Alltag der Etrusker
«Die Objekte aus der Sammlung Ebnöther befinden sich absolut auf Augenhöhe mit den kostbaren Leihgaben», sagt Werner Rutishauser über die Bedeutung der in der Ausstellung «Etrusker – antike Hochkultur im Schatten Roms» gezeigten Objekte. Das Museum zu Allerheiligen besitzt mit der Sammlung Ebnöther 235 Objekte aus der Etruskerzeit, die verschiedentlich von Kennern und Experten als «von Bedeutung» bewertet wurden. Der Sammler Marcel Ebnöther hat diese Objekte zeitlebens auch für Etruskerausstellungen an Museen ausgeliehen. Auf die erste grössere Ausstellung von etruskischer Kunst in einem Schweizer Museum seit 1955 (Kunsthaus Zürich) hin hat der seit 15 Jahren in Schaffhausen als Kurator der Sammlung Ebnöther wirkende Werner Rutishauser die Objekte wissenschaftlich aufbereitet, nach den Kriterien moderner Etruskologie untersucht, teilweise restauriert und in einem schön illustrierten, 320 Seiten schweren, Ausstellungskatalog dargestellt. «Etrusker – der etruskische Bestand der Sammlung Ebnöther im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen» erscheint am 25. September im Verlag Philipp von Zabern und vereint die prächtig fotografierten Sammlungsobjekte und begleitende Texte von – neben Rutishauser – elf wissenschaftlichen Experten auf dem Gebiet der Etruskologie.
Leicht verständlich, reich illustriert
Der reich illustrierte Ausstellungskatalog zur aktuellen Ausstellung enthält neben Texten zur Kultur der Etrusker, zur Sammlung Ebnöther und zu den jeweiligen Objektgattungen eine leicht verständliche und pointierte Einführung. Dennoch finden sich ebenso wissenschaftliche Angaben in der Kurzbeschreibung aller 235 Objekte zu den Themen Herstellung, Gebrauchszweck und Ikonografie. Herausgearbeitet werden die Einflüsse aus dem östlichen Mittelmeerraum auf das etruskische Kunsthandwerk, etwa an Verzierungen und mythologischen Figuren, die in zahlreichen Goldschmiedearbeiten in der Sammlung Ebnöther vertreten sind. Und auch den Fragen nach Fälschungen und Provenienzen geht die Publikation nach.
Werner Rutishauser (Hrsg.) «Etrusker – antike Hochkultur im Schatten Roms», Philipp von Zabern Verlag, 2017, 320 Seiten, ca. 69 Franken
Mit der Sammlung Marcel Ebnöther (1920–2008) besitzt das Museum zu Allerheiligen bekanntlich eine über 6000 Objekte zählende Antikensammlung von internationaler Bedeutung. Von den ursprünglich 400 «etruskischen» Objekten aus der Ebnöther-Sammlung ist der Bestand nach umfangreichen Forschungs- und Aufbereitungsarbeiten in den letzten Jahren zwar auf 235 Objekte geschrumpft – die restlichen konnten anderen italischen Kulturen zugeordnet werden. «Doch wir haben schnell festgestellt, dass es uns gelingen könnte, allein anhand der hochwertigen Exponate aus unserer Sammlung ein umfassendes Panorama der etruskischen Kultur und Lebenswelt zu bieten», erklärt Werner Rutishauser, Kurator der Sammlung Ebnöther im Museum zu Allerheiligen. Insgesamt 40 Leihgaben aus 9 Partnermuseen aus dem In- und Ausland schliessen die «wenigen Lücken», wie Rutishauser sagt.
«Wir könnten allein anhand unserer Exponate ein umfassendes Panorama der etruskischen Kultur bieten.»
Werner Rutishauser, Kurator der Sammlung Ebnöther
Rätselhafte Kultur zum Entdecken
Entstanden ist eine grosszügige Schau im – seit Neustem mit Klimaanlage ausgestatteten – Kammgarn-Wechselsaal auf 750 Quadratmetern. «Wir wollen damit nicht nur zeigen, was wir haben, sondern auch, was wir können», sagte Katharina Epprecht gestern vor der Presse. Schön inszeniert und mit konzisen Erklärtexten versehen ist eine reiche Auswahl von Skulpturen, Vasen, Schmuck und weiteren Metallarbeiten. Erlebbar werden so die vorderasiatischen Einflüsse, eine ausgeprägte Festkultur, die Wahrsagerei, der Totenkult und die Ahnenverehrung. In vielerlei Hinsicht ist es ein rätselhaftes Völkchen, diese späteisenzeitlichen Etrusker, die zwischen 800 und circa 100 vor Christus in Mittelitalien siedelten und deren eigene Stadtgründung – Rom – schliesslich den Untergang ihrer Kultur bedeutete. Ihre Sprache hat man nie entschlüsselt, um ihre Herkunft ranken sich Legenden, ihre grosse Spiritualität steckt voller Geheimnisse. Doch diese vorrömische Mittelmeerkultur hat der Nachwelt ihre Spuren hinterlassen – dies vor allem in Form von Objekten des Alltags, aber auch anhand von Gegenständen von kultischer Bedeutung. Dank Handelsbeziehungen offen für kulturelle Einflüsse von aussen und dank blühender Landwirtschaft etwa im Gebiet der heutigen Toskana und dem Vorkommen von Edelmetallen in der Region und deren Verarbeitung waren die Etrusker auch ein wohlhabendes, friedliches und lebensfrohes Völkchen. «Das manifestiert sich etwa in der vergleichsweise emanzipierten Stellung der Frau in der etrurischen Gesellschaft», erklärt Rutishauser.
Und ein Schaffhauser Früh-Hippie
Die Leihgaben stammen aus neun Museen vor allem nördlich der Alpen, namentlich dem Ny Carlsberg Glyptotek. «Wir hätten natürlich gerne auch Exponate aus Italien gezeigt, wo sich die bedeutendsten Sammlungen etruskischer Kunst befinden, aber das können wir uns nicht leisten», sagt Epprecht. Jedoch ergibt sich via Kopenhagen ein weiterer interessanter Bezug zu Schaffhausen: ein grosses Eins-zu-eins-Faksimile einer etruskischen Grabmalerei, die im Jahr 1895 der Schaffhauser Künstler Heinrich Wüscher (1855–1932) in Tarquino herstellte. Wüscher, aka Enrico Wuscher-Becchi, war es, der in den Zwanzigerjahren die Umgestaltung des ehemaligen Klosters Allerheiligen in ein Museum angeregt hatte. Er war als junger Antikenfan nach Italien ausgewandert, wo er im Auftrag eines dänischen Sammlers die Malerei hergestellt hatte. Die Wandmalerei der – mittlerweile geplünderten – Gruft stellt ein Symposion, ein Festgelage, dar, das die Lebenden und die Toten gemeinsam feiern.