Ein kleiner, wahr gewordener Traum oder: «Blutti Nüdeli gehen immer»

Jeannette Vogel | 
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Öpfelschnitzli sind bei den Kindern so beliebt, dass Mittagstischleiterin Steffi Müller die Früchte gleich kistenweise einkauft, Freitag ist auch Töchterchen Sophia dabei und hilft mit. Bild: Jeannette Vogel

Ehrenamtlich auf die Beine gestellt, entwickelte sich der Siblinger Mittagstisch zu einem Erfolg. Fünf Arbeitsplätze wurden geschaffen. Bereits reicht das Angebot nicht mehr aus.

Mit einer grossen Portion Pragmatismus, einer Messerspitze Wagemut und einer Prise Fantasie starteten drei Mitglieder der Siblinger Schulbehörde 2017 ehrenamtlich einen Mittagstisch. Das Ziel der privaten Trägerschaft, dass Kinder «vom Chindsgialter ufwärts» von einem niederschwelligen Angebot profitieren können und somit die Eltern entlastet werden. Markt, Wettbewerb und das Spiel von Angebot und Nachfrage – schön und gut, doch nach einer kurzen Bedarfsanalyse wurden Nägel mit Köpfen gemacht: «Wenn wir fünf Kinder haben, fangen wir an.» Steffi Müller, Fachfrau Betreuung Kinder, und Evelyne Sturzenegger, gelernte Bäckerin und Köchin aus Leidenschaft, beide selbst Mütter, konnten rasch als Mitarbeiterinnen gewonnen werden, die Gemeinde stellte Räumlichkeiten zur Verfügung. Essen ist eine wichtige soziale Komponente und auch entscheidend für die Gesundheit: Die Trägerschaft verdoppelte das ursprüngliche Angebot gleich zu Beginn: «Statt einem Mittagstisch pro Woche haben wir spontan auf zwei erhöht», sagt die damalige Schulpräsidentin Karin Köppli.

Nachfrage steigt kontinuierlich

Der Start klappte wie am Schnürchen und auch in den Folgejahren gab es keine nennenswerten Schwierigkeiten, sagt Steffi Müller, sie leitet den Mittagstisch. Finanziell gab es sogar eine positive Überraschung. «Wir waren bereits nach einem, statt wie angedacht nach drei Jahren, selbsttragend», sagt Müller. Gegenwärtig wird der Mittagstisch an vier Tagen pro Woche angeboten. Pizza, Pommes, Pasta: Kinder lieben die drei P. Sie stehen denn auch ab und zu auf dem Menüplan, doch zu den Rennern zählen gefüllte Omeletten, Hamburger und Hotdogs zum Selberfüllen mit allem, was das Kinderherz begehrt. Auch der Klassiker für Schnäderfrässige hat nichts an Beliebtheit eingebüsst: «Blutti Nüdeli gehen immer.» Am Mittagstisch wird Rücksicht auf die Essgewohnheiten beispielsweise von Moslems genommen, auf Knirpse mit Tomaten-Allergie oder auf Vegi-Kinder. Vegan gekocht wird allerdings nicht. «Wichtig ist, unsere Kinder dürfen sich aussuchen, was und wie viel essen», sagt Müller. Am Geburtstag ist «Wunschkonzert», vor allem die Dessert-Wünsche der kleinen Jubilare entpuppen sich indes als bescheiden: Schoggi- oder Vanilleglace – natürlich mit farbigen Streuseln.

Rechnung mit dem Wirt gemacht

Mit der Nachmittagsbetreuung, gegenwärtig drei Mal pro Woche, kam ein weiteres Angebot dazu. Die sogenannte schulergänzende Betreuung im Mehrzweckgebäude richtet sich an Kinder zwischen vier und vierzehn Jahren. Nach dem Essen besteht die Möglichkeit, die Hausaufgaben zu erledigen. «Ein grosser Anziehungspunkt für die Kinder ist jedoch die Turnhalle, die sie über Mittag benutzen dürfen», sagt Müller.

Sie führt «den kleinen, wahrgewordenen Traum» darauf zurück, dass die Trägerschaft für die Bedarfsanalyse Mütter ins Boot geholt hat: «Wir haben die Rechnung mit dem Wirt gemacht.» Müller windet auch der Gemeinde ein Kränzlein: «Sie hat uns keine Steine in den Weg gelegt. Im Gegenteil sie hat uns sehr unterstützt.»

«Aktuell ist die Nachfrage grösser als das Angebot. Es gibt eine Warteliste.»

Steffi Müller, Fachfrau Betreuung Kinder

Die Anzahl Mittagsgäste ist auf durchschnittlich 21 Kinder angewachsen, die Anzahl Mitarbeiter auf fünf: Zusätzlich zu den Mittagstisch-Frauen Müller und Sturzenegger werden eine Praktikantin, eine Fachfrau Betreuung sowie eine Aushilfe beschäftigt. Vom familiären Essen mit fünf Kindern zur Kinderkantine, das Wachstum ist nicht nur auf Personen beschränkt: «Auch Regeln und Vorschriften wuchsen – zum Teil überproportional», sagt Müller.

Neu Gemeindesache

Berufstätigen Frauen, die sich in den Siebzigerjahren für Tagesschulen einsetzten, waren als Rabenmütter verschrien. Eine gute Mutter besorge den Haushalt und kümmere sich um die Kinder, war die damals vorherrschende Meinung. Heute ist dieser alte Zopf längst abgeschnitten und der Mittagstisch inzwischen Gemeindesache. Im Organisationsreglement ist die Trägerschaft durch die Gemeinde Siblingen und die Aufsicht durch die Dienststelle Sport, Familie und Jugend vom Erziehungsdepartement Schaffhausen festgelegt.

In das durchwegs positive Resümee von Steffi Müller mischt sich ein einziger Wermutstropfen: «Aktuell ist die Nachfrage grösser als das Angebot. Es gibt eine Warteliste.» Ausbauen steht ganz oben auf ihrer Liste: «Wir wünschen uns, dass mehr Plätze bewilligt werden. Damit wir wieder spontan Kinder aufnehmen können, etwa wenn ein Elternteil erkrankt.»

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