Gemeinderat von Stetten will nun offiziell keine Fusion mehr

Luc Müller | 
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Sind gegen die Fusion: Finanzreferent Thomas Müller (links) und Gemeindepräsident Hans-Peter Hafner. Bild: Luc Müller

Die Exekutive sieht die Marke «Stetten» gefährdet – denn nach einer Fusion drohen ein Wechsel des Gemeindenamens und höhere Steuern.

«Der Gemeinderat von Stetten empfiehlt der Gemeindeversammlung vom 18. September, die Fusion der Gemeinden Stetten, Lohn und Büttenhardt abzulehnen.» Am 18. September finden in den drei Gemeinden gleichzeitig ausserordentliche Gemeindeversammlungen statt, an denen über die Fusion im Oberen Reiat abgestimmt wird. Nur bei einem dreifachen Ja folgt am 25. November eine Urnenabstimmung in den drei Gemeinden.

Die Ablehnung zur Fusion teilten der Gemeindepräsident Hans-Peter Hafner und der Finanzreferent Thomas Müller den SN in einem exklusiven Gespräch mit. Das ist ein Wendepunkt. Bisher gab es zwar kein offizielles Statement der Stettemer Exekutive zur Fusion, doch Gemeindepräsident Hans-Peter Hafner erklärte in einem SN-Interview, warum er für eine Fusion ist: «Wir arbeiten jetzt schon in vielen Bereichen erfolgreich zusammen. Es gäbe nur noch einen Gemeinderat, eine Schulbehörde. Zudem haben wir als fusionierte Gemeinde mehr Gewicht gegenüber dem Kanton.» Doch die grosse Fusionseuphorie war in Stetten nie zu spüren. Der Antrag dazu kam von einer Gemeindeversammlung und nicht vom Gemeinderat selbst. Und so erklärte Hafner im gleichen Interview auch: «Die Vorteile der Fusion auf den Punkt zu bringen, ist schwierig.»

Sparen ist angesagt

Schon immer war klar: Eine Fusion bringt Stetten am wenigsten. Hauptgrund: die zukünftige Finanzlage nach einem Zusammenschluss. Elf Subkommissionen, in denen jeweils Vertreter der drei Gemeinden beteiligt waren, haben sich mit der ­Fusion beschäftigt. Im April erklärte die Finanzkommission: «Damit eine fusionierte Gemeinde eine schwarze Null schreibt, ist ein Steuerfuss von 74 Prozent nötig.» Gemeindepräsident Hans-Peter Hafner erklärte zuvor im Januar hingegen gegenüber den SN: «Der Steuerfuss muss unter 70 Prozent liegen, so viel kann ich schon mal sagen.» Nun sieht die Realität ganz anders aus: Vorgeschlagen – bei der Fusion wird nicht über den Steuerfuss abgestimmt – wird ein Steuerfuss von 74 Prozent. Das bedeutet für Stetten, das aktuell den tiefsten Steuerfuss im Kanton Schaffhausen hat, eine saftige Erhöhung des Steuerfusses um 9 Prozent von 65 auf 74 Prozent.

«Ich war immer für die Fusion. Doch nun sehe ich nur noch Nachteile für Stetten.»

Hans-Peter Hafner, Gemeindepräsident Stetten

Die Jahresrechnung 2017 der Gemeinde Stetten schliesst mit einem Defizit von rund 480 000 Franken – das entspricht rund 9 Steuerprozent. Die Steuerfuss von 65 Prozent – an der Gemeindeversammlung im Dezember 2017 wurde dieser von 62 auf 65 Prozent erhöht – reicht derzeit nicht für eine schwarze Null. Nun ist der Gemeinderat nach einem angenommenen Antrag an der vergangenen Gemeindeversammlung verpflichtet, in diesem Jahr, in der Rechnung 2018, 100 000 Franken einzusparen. Gemäss Prognose schliesst diese mit einem Defizit von rund 250 000 Franken, was rund 5 Steuerprozent entspricht. Heisst: Stetten rechnet im nächsten Jahr ­bereits dank dem Sparen und mehr Steuer­einnahmen wieder mit besseren Zahlen, wobei eine Steuererhöhung kaum nötig sein werde, wie Müller sagt.

Genau der Steuerfuss ist einer der gewichtigsten Knackpunkte einer Fusion. «Wir haben den tiefsten Steuerfuss im Kanton. Die Marke Stetten lebt von schönen Wohnlagen und diesem tiefen Steuerfuss – diesen Markenkern wollen wir nicht aufgeben», erklärt der Finanzreferent Müller. Mit einem Steuerfuss von 74 Prozent rutsche man, was den Steuerfuss betreffe, hinter Rüdlingen, Buchberg und Dörflingen auf den vierten Platz ab. «Wir haben viele Expats von ausländischen Firmen, die beim Wohnraum für ihre Mitarbeiter auch auf die Steuern schauen und dabei die tiefste Zahl im Auge haben», so Thomas Müller weiter. Stetten würde so für steuerstarke Zuzüger unattraktiv, und potente Steuerzahler könnten die Gemeinde verlassen, fürchtet Müller. Der Immobilienmarkt sei derzeit blockiert, und die Liegenschaftswerte kämen bei einer Fusion unter Druck: Käufer möchten zuerst abwarten, ob eine Fusion zustande komme und wie hoch der Steuerfuss zukünftig sei, weiss Müller.

Stetten will tiefsten Steuerfuss halten

Für den Finanzreferenten ist klar: Der Steuerfuss soll bei 65 Prozent verbleiben, das ist Teil der langfristigen Vision. «Das ­interne Sparprogramm zeigt eine erste Wirkung, zudem sind gemäss ersten Zahlen 2018 die Steuereinnahmen wieder steigend.» In der Rechnung 2017 sanken die Einkommensteuern im Vergleich zum Jahr davor um rund 420 000 Franken. Für Büttenhardt und Lohn hingegen würde ein Steuerfuss von 74 Prozent eine massive Senkung bedeuten. Denn der Steuerfuss beträgt dort derzeit 94 Prozent beziehungsweise 99 Prozent.

Fusion spart keine Kosten ein

Die Subkommissionen haben im April zudem berechnet, dass eine Fusion nicht billiger, sondern teurer wird. In der Verwaltung einer fusionierten Gemeinde würden die Stellenprozent von 375 auf 500 Prozent erhöht, was die Lohnkosten jährlich um 155 000 Franken erhöhen würde. Zudem würde ein Bauverwalter in einem 50-Prozent-Pensum eingestellt, was pro Jahr rund 45 000 Franken kosten würde. Die jährlichen Mehrkosten einer fusionierten Gemeinde betrügen rund 200 000 Franken.

«Das sind erschreckende Zahlen. Das ­Fusionsprojekt erzielt keine Synergien», ­erklärt Gemeindepräsident Hafner. Man habe von den Subkommissionen eigentlich Sparpotenzial erwartet, «doch nun sollen alle drei Schulstandorte vorerst erhalten bleiben, und auch bei der Infrastruktur in den drei Gemeinden soll kein Abstrich gemacht werden», berichtet Hans-Peter Hafner. Die Kosten könnten sogar noch steigen, «wir haben gar keine Reserven eingeplant nach der Fusion. Im Stammertal hat sich nun aber gezeigt, dass die Kosten um rund eine Million Franken gestiegen sind, weil man nicht alles einberechnet hat», weiss Thomas Müller. «Ich war immer für die Fusion, doch nun sehe ich nur noch Nachteile für Stetten», betont Hafner. Erstens müsste der Steuerfuss massiv erhöht werden, zweites würde eine Fusion nicht billig, drittens würden die Liegenschaften an Wert verlieren.

Eine fusionierte Gemeinde habe mit ihren Anliegen mehr Gewicht gegenüber dem Kanton – das war lange ein Hauptargument für eine Fusion. Hafner nun dazu: «Die Gemeinden werden heute schon vor allem durch die Stimme des Verbandes der Gemeindepräsidenten vertreten.» Eine fusionierte Gemeinde würde rund 2500 Einwohner zählen. Der Kanton Zürich empfehle hingegen nach einer Fusion eine Grösse von mindestens 8000 Einwohnern. Ein weiteres wichtiges Argument der Fusionsbefürworter war es, dass nach einem Zusammenschluss nicht mehr fünfzehn, sondern nur noch fünf Gemeinderäte gesucht werden müssten – was ein Vorteil sei, weil die Suche nach Exekutivmitgliedern immer schwieriger werde. «Wir haben aber in den letzten Jahren keine Probleme gehabt, Mitglieder für den Gemeinderat zu finden», erklärt Hafner, die Nachwahlen vom 10. Juni hätten das jetzt gerade gezeigt.

Name Oberer Reiat wird geprüft

Am 31. Mai endete die Vernehmlassung zum erarbeiteten Fusionsvertrag. Bei den Rückmeldungen aus der Bevölkerung bestätigte sich: Der nach der Fusion vorgeschlagene Name Stetten missfällt vielen. In Lohn hat Einwohner Andreas Storrer eine Umfrage zum Namen einer fusionierten Gemeinde gestartet: Die Gemeinde soll Oberer Reiat heissen. In Büttenhardt sind inzwischen knapp 30 Prozent (87 Personen) der Stimmberechtigten für einen neuen Namen. Der zukünftige Gemeindename ist im Fusionsvertrag festgelegt, derzeit ist das Stetten. «Für uns ist ein Namenswechsel aufgrund der Marke Stetten inakzeptabel», betont Hafner. Das sei ein weiterer gewichtiger Grund, der gegen die Fusion spreche. Aktuell wird von der Fusionskommission beim Bund geprüft, ob der Name Oberer Reiat als Gemeindename überhaupt möglich wäre.

Reaktionen Lohn und Büttenhardt

Zur Aussage aus Stetten, dass die ­Fusion abzulehnen sei, nimmt die Büttenhardter Gemeindepräsidentin Silvia Sigg keine Stellung. Der Gemeinderat von Büttenhardt wird erst nach den Sommerferien erstmals offiziell Stellung zur Fusion beziehen. Vreni Wipf, Gemeindepräsidentin von Lohn, erklärt: «Für mich kommt die Haltung von Stetten nicht unerwartet.» Der Gemeinderat von Lohn ist nun der einzige, der offiziell für eine Fusion ist. «Wir stehen weiter hinter dem Zusammenschluss», so Wipf. (luc)

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