Georg Fischer will Weltmarktführer werden: Wie das Schaffhauser Traditionsunternehmen weiter wächst

Dario Muffler | 
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Wetterextreme und eine Grossübernahme sollen das Schaffhauser Traditionsunternehmen Georg Fischer in Zukunft noch erfolgreicher machen. Die Grundlagen stimmen, wie die Zahlen des Geschäftsjahrs 2023 beim genauen Hinsehen zeigen.

Wäre Georg Fischer (GF) ein Bodybuilder, dann hätte sich GF 2023 in der Massephase befunden. Mit der Übernahme des finnischen Rohrleitungsherstellers Uponor hat GF die grösste Akquisition in ihrer über 200-jährigen Geschichte getätigt. Eine komplexe Geschichte, die bei den Analysten aus der Finanzbranche Fragen auslöste, wie sich gestern an der Bilanzmedienkonferenz in Zürich zeigte.

Man könnte sagen, die Muskeln sind noch nicht ausdefiniert, aber die Grundlage für eine Leistungssteigerung und noch markantere Partien sind gegeben. «Die Akquisition bildet eine hervorragende Basis für weiteres Wachstum», sagte CEO Andreas Müller, bevor er auf die Zahlen fürs Jahr 2023 zu sprechen kam. Und die sind an sich gut.

GF konnte den Umsatz von rund 4 Milliarden Franken dank der Übernahme ihrer Konkurrenz halten. Ohne Uponor ergab sich ein Minus beim Umsatz von 3,4 Prozent. Allerdings ist dies auf einen negativen Währungseffekt von 263 Millionen Franken zurückzuführen, denn die Zahl der Verkäufe stieg um 3,7 Prozent. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 235 Millionen Franken. 45 Prozent davon wird als Dividende an die Anteilshaber der Schaffhauser Traditionsfirma ausgezahlt.

Chipindustrie hilft den Schaffhausern

Blickt man auf die vier Divisionen, in die GF unterteilt ist, ergibt sich ein unterschiedliches Bild. GF Piping Systems, das in den früheren Jahren das Zugpferd war, kämpfte mit der schwächelnden Baukonjunktur und geringen Nachfrage bei Komponenten für die Gasversorgung in Europa. Die Sparte, die auch elektronische Komponenten herstellt, profitierte derweil von der starken Nachfrage von Kunden, die im Mikrochipgeschäft tätig sind.

Für einen Aufschwung soll in den nächsten Jahren das Geschäft mit Wasser sorgen. «Allein in der EU müssen in den nächsten sechs Jahren etwa 700 Milliarden zum Schutz von extremen Wetterereignissen in die Wasserversorgungs- und -entsorgungsinfrastruktur investiert werden», so Andreas Müller. Durch die Übernahme von Uponor habe GF nun Lösungen für das Regenwassermanagement.

Im Aufwind befand sich 2023 GF Casting Solutions, die vor allem Leichtbauteile für die Automobil- und Luftfahrtindustrie herstellt. Der Umsatz wuchs im Vergleich zur Automobilindustrie überdurchschnittlich, nämlich um rund 11 Prozent. «Diese Leistung ist lobenswert, wenn man bedenkt, dass steigende Energie- und Transportkosten sowie die Inflation eine grosse Herausforderung darstellen», kommentierte Andreas Müller. Dank Innovationen würden Automobilhersteller mit GF-Produkten zahlreiche Arbeitsschritte und Roboter sparen.

GF Machinig Solutions musste einen leichten Umsatzrückgang hinnehmen. Die Sparte leidet unter der Stagnation im Markt der Informations- und Kommunikationstechnologie, wie GF-CEO Müller sagte.

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Alles in allem überwiegt das Positive: Die guten Aussichten bewegten GF dazu, ihre Ziele für das kommende Jahr nach oben anzupassen. So wird das aktuelle Umsatzziel auf 5 bis 5,5 Milliarden Franken erhöht. Gesteigert werden soll auch die Marge. «GF hat den Grundstein gelegt, um der weltweit führende Anbieter von nachhaltigen Fliesssystemen zu werden», lautet Andreas Müllers erklärtes Ziel.

Das sogenannte ROIC (Return on Invested Capital) soll ebenfalls gesteigert werden. Diese Zahl ist für Aktionäre interessant: Einfach ausgedrückt, misst der ROIC, wie effektiv ein Unternehmen das Kapital verwendet, das es von seinen Eigentümern erhalten hat. Je höher der ROIC, desto effizienter setzt ein Unternehmen das Geld ein. Der ROIC soll bei GF nächstes Jahr auf 20 bis 24 Prozent steigen. Zum Vergleich: Der amerikanische Konkurrent Watts Water Technologies erzielt ein ROIC von rund 18 Prozent.

Die Rakete zündet erst 2025

Dass die Ziele höher gesteckt werden, dürfte Investoren überzeugen. Diese kann GF gut gebrauchen, denn wegen der Übernahme von Uponor ist die Verschuldung von GF stark gewachsen. Um die Überbrückungsfinanzierung der Akquisitionen teilweise zu ersetzen, beabsichtigt GF, im Lauf des Jahres neue Aktien herauszugeben.

Wohl auch deshalb stellten die Analysten gestern zahlreiche Fragen. Vor allem die künftige Performance von Uponor interessierte sie. Diese war in der Jahresrechnung 2023 vergleichsweise schlecht. Die Umsätze sanken um knapp 6 Prozent, was Andreas Müller mit der traditionell schwachen Auftragslage in der Baubranche gegen Jahresende erklärte. Denn Uponor war erst in den letzten beiden Monaten in die GF integriert. Der richtig grosse Impact der Übernahme sei noch nicht 2024 zu erwarten, sondern erst ab 2025 und in den Folgejahren, kündigte Müller an.

Uponor ist finanztechnisch bereits vollständig in GF aufgegangen, doch betrieblich gibt es noch Optimierungspotenzial. Es werde zu einzelnen Strukturanpassungen kommen, sagte Andreas Müller gestern, aber da gelte es auch die natürliche Fluktuation zu berücksichtigen. «Im Zusammenhang mit der Integration von Uponor gibt es vereinzelte Positionen, die aktuell doppelt besetzt sind», sagte er, wollte aber keine Grössenordnung nennen, es sei zu früh. «Dies betrifft aber kaum die Schweiz.»

Wenn GF also ein Sportler wäre, würde man sagen: Der Bodybuilder wird nach der Massephase also da und dort abnehmen, aber er ist überzeugt: Die Leistung wird sich steigern.

2,6

Prozent im Plus lag die Aktie des Schaffhauser Unternehmens Georg Fischer gestern bei Börsenschluss. Zeitweise lag der Kurs fast 4 Prozent im Plus. Damit zählte die GF-Aktie zu den gestrigen Gewinnern. Die Zahlen für 2023 und die Aussichten auf 2024 machten Mut, sodass der Markt positiv reagierte.

Georg Fischer und der Umgang mit dem Krieg in Russland

«Töten mit westlicher Technologie – Wie Elektronik aus der Region in russische Raketen kommt» – dies war eine Schlagzeile, die kürzlich zu lesen war im «Südkurier». Es ging dabei um die Firma TE Connectivity, die elektronische Stecker oder Bestandteile von Kommunikationssystemen herstellt.

Die US-Firma hat ihren Sitz in Schaffhausen. Entdeckt wurden elektronische Komponenten in einer russischen Kamikazedrohne. Die Bestandteile wurden zweckentfremdet und somit Teil eines Massakers. Könnte dasselbe auch Georg Fischer passieren?

Mit Werkzeugmaschinen für die Luftfahrt-, Weltraum- und Automobilbranche hat GF Produkte, die potenziell zweckentfremdet werden könnten. GF-CEO Andreas Müller sagt dazu: «Wir liefern nicht mehr nach Russland. Die Beziehungen zu diesen Kunden wurden beim Ausbruch des Kriegs beendet.» Ausschliessen könne man zwar nicht, dass gebrauchte Maschinen irgendwo gekauft und dann in Russland zweckentfremdet eingesetzt würden. Aber: «Grundsätzlich haben viele unsere Maschinen Tracker, sodass wir wissen, wo diese betrieben werden.» (dmu)

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