«Bei uns bezahlen zwei bis drei Dutzend Kunden Negativzinsen»

Jeannette Vogel | 
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Martin Vogel, der Chef der Schaffhauser Kantonalbank, geht davon aus, dass die Negativzinsen noch ein bis zwei Jahre bleiben werden. Bild: Jeannette Vogel

Kommt es für die Kunden der Schaffhauser Kantonalbank, die keine Millionen auf dem Konto haben, bald zu Gebühren für ihr parkiertes Geld?

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte im September den Leitzins unverändert bei –0,75 Prozent belassen. Die Credit Suisse führt Negativzinsen auf hohen Franken-Guthaben von ­Privatkunden ein. Und wer mehr als zwei Millionen Franken auf dem Konto hat, muss auch bei der UBS für das Horten des Geldes eine Gebühr zahlen. Der SHKB-Chef sprach mit den «Schaffhauser Nachrichten» über die Negativzinsen und die Folgen dieser Politik.

Herr Vogel, gibt es heute Negativzinsen für Reiche und morgen für alle?

Martin Vogel: Bei uns bezahlen zwei bis drei Dutzend Kunden Negativzinsen – ab einem zweistelligen Millionenbetrag. Das sind entweder Geschäftskunden oder einzelne Personen mit sehr viel Geld. Wenn das Umfeld so bleibt, wie es gegenwärtig ist, sehe ich keine Veranlassung, diesen Kreis zu erweitern. Ich finde es generell falsch, Kleinsparer mit Negativzinsen zu belasten.

Sind die Negativzinsen da, um zu bleiben?

Die Negativzinsen sind ein Instrument mit Nebenwirkungen. Je länger die Phase dauert, umso negativer werden die Auswirkungen werden. Grundsätzlich sind die Negativzinsen nicht da, um zu bleiben.

Wie lange kann dieser Zustand noch ­andauern?

Eine Prognose ist schwierig. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab: Wie sich die anderen Zentralbanken verhalten, wie sich der Handelskrieg entwickelt, wie sich das US-Wirtschaftswachstum gestaltet und einiges mehr. Aus heutiger Sicht müssen wir damit rechnen, dass wir noch ein bis zwei Jahre mit Negativzinsen werden leben müssen.

Was kann der Durchschnittskunde tun? Haben Sie einen Rat für den Sparer mit kleinem Budget?

Die meisten von uns sind mit der Maxime aufgewachsen «Alles ausser Sparen ist gefährlich». Doch es ist wichtig, im heutigen Umfeld Alternativen zu über­legen. Bei der SHKB bieten wir bereits seit einigen Jahren Vermögensverwaltungsmandate ab 30'000 Franken an. Kunden, die sich für eine aktienorientierte Lösung entschieden haben, sind in den vergangenen Jahren mit einer durchschnittlichen Rendite von drei bis fünf Prozent gut gefahren. Solche Vermögensanlagen können aber auch gegen unten schwanken.

Wurde mit der Einführung der Negativzinsen die Büchse der Pandora geöffnet?

Nein, das denke ich nicht. Die Negativzinsen sind ein schwieriges, aber notwendiges Instrument der Notenbank und – über alles gesehen – auch das richtige. Ich bin überzeugt, dass wir in der Gegenwart Probleme häufig als zu gross beurteilen. Sich weiterentwickeln und besser werden kann nur, wer positiv denkt. Wir leben heute in einer der besten Welten.

In Deutschland werden bereits Straf­zinsen an Private verrechnet. Doch Österreich tickt anders. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat Negativzinsen auf Spareinlagen im Privatkundengeschäft verboten. Wer machts richtig?

Auch in Deutschland regt sich die Opposition. Aber was man über Österreich wissen muss: Es ging dem Gericht darum, die Kleinsparer dem Gesetz entsprechend zu schützen. Die Situationen lassen sich also nicht vergleichen.

In der Regel schwappen Trends aus den USA nach Europa über. Bei den Negativzinsen bildet für einmal der Alte Kontinent (und Japan) eine Ausnahme. Warum ist das so?

In den USA gibt es seit jeher eine liberalere Wirtschaftsordnung, und Anpassungen werden viel schneller realisiert als hier oder in Japan. Auch ist das Wirtschaftswachstum in den USA derzeit grösser – auch wenn von den angestrebten Wachstumsraten von drei Prozent oder mehr keine Rede mehr sein kann. Die Europäische Zentralbank versucht, das Wirtschaftswachstum in Europa mit mehr Geld im Umlauf zu fördern.

Schon den Kindern wird beigebracht: Wer sein Geld zur Bank bringt, bekommt dafür von ihr etwas bezahlt. Es lohne sich also, zu verzichten und zu sparen. Aktuell gibt es auf dem SHKB-Jugendsparkonto 0,5 Prozent Zins. Ab 25'000 Franken ­beträgt der Zinssatz nur noch 0,030 Prozent. Wie soll man da seine Kinder zum Sparen anhalten?

Wir haben gerade vergangene Woche beschlossen, den Zinssatz bei 0,5 Prozent zu belassen. Das ist gegenwärtig ein grosser Anreiz. Wirtschaftlich ist der Satz von 0,5 Prozent für uns nicht, aber dies können und wollen wir uns leisten. Mehr als 25'000 Franken haben indes nur wenige Jugendliche auf ihrem Konto.

Die SNB druckt laufend Geld. Es ist ­dadurch viel Liquidität im System. Macht Ihnen das Sorge?

Ja, allerdings. Billiges Geld macht unvorsichtig. Dadurch fliesst auch Geld in riskantere Geschäfte. Nehmen wir zum Beispiel den Immobilienmarkt: Die landläufige Meinung ist, dass Immobilien Geld bringen, da ihr Wert steigt. Ein übermässiger Bau von Ein- und Mehrfamilienhäusern generiert aber auch Leerstände. Dazu kommt: In den Städten gibt es kaum leere Wohnungen oder Häuser, aber die Leerstände in der Peripherie steigen laufend. Für Hypothekarnehmer sind die tiefen Zinsen aber auch ein Gewinn.

Wie hoch ist der Einfluss der Digitalisierung? Führt sie dazu, dass weniger Sachinvestitionen und dadurch weniger Kapital notwendig sind?

Das ist so. Heutzutage ist es viel leichter, ein Unternehmen zu gründen, und man ist schneller produktiv. Früher dauerte der Aufbau von industriellen Produktionskapazitäten fünf bis zehn Jahre. Heute benötigt man noch einen Bruchteil dieser Zeit.

Wo liegt das Bankgeschäft der Zukunft, womit verdient die SHKB künftig ihr Geld?

Der Kern unserer Tätigkeit ist nach wie vor die Beratung. Ein Unternehmen, auch eine Bank, muss sich heute schnell anpassen können, das ist matchentscheidend. So sehe ich zum Beispiel einen wachsenden Bedarf im Bereich der Vorsorge­beratung, denn die Babyboomer-Gene­ration geht langsam in den Ruhestand. Auch das Thema Nachhaltigkeit wird wichtiger und erfordert zusätzliche Beratungsleistungen. Maschinen können uns hier unterstützen und uns helfen, günstiger und effizienter zu werden. Grundsätzlich mögen die Margen schrumpfen, aber der Beratungsbedarf wird steigen. Deshalb bin ich zuversichtlich, was die Zukunft ­angeht.

Die SNB erwartet für das gesamte Jahr 2019 ein Wachstum zwischen 0,5 und 1 Prozent, gegenüber rund 1,5 Prozent im Juni. Wie ist Ihre Prognose?

Prognosen sind generell schwierig. Wie gross wird der Einfluss des Handelskriegs sein? Wie wirkt sich die zunehmende Verschuldung von ­diversen Staaten aus? Diese und viele weitere Fragen werden das künftige Wachstum beeinflussen.

 

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