«Ich will Konkurrenz, ich brauche sie sogar»

Jeannette Vogel | 
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Leer stehende Lokale in der Altstadt können temporär an Gewerbler oder Gastronomen vermietet werden, bis fixe Mieter gefunden sind. Hani Abdirahman mauserte sich gar zu einer Hauptmieterin.

Irgendwann im Verlaufe des Gesprächs verwirft Geschäftsführerin Hani Abdirahman die Hände und sagt: «Ich will Konkurrenz, ja ich brauche sie sogar.» Die Altstadt benötige mehr Schwung, mehr Frequenz.

Zurück ins Jahr 2017: Die Schaffhauserin kam immer wieder am leer stehenden Geschäft an der Vordergasse 84 vorbei. Dort, wo früher Grieshabers Messerschmiede ihren Verkaufsladen mit Messern, Scheren und anderen Werkzeugen führte, gab es ab 2009 Unterwäsche zu kaufen. Die Wäscheherstellerin Calida zog jedoch 2017 wieder aus, der Mietvertrag lief aber weiter. «Ein leer stehender Laden an bester Lage? Ich dachte mir, das kann doch nicht sein», sagt Abdirahman, die sich durch ihre Mitarbeit in einer Modeagentur mit Kleidern auskennt. Sie ging direkt auf Calida zu und bewarb sich für die Zwischennutzung des Geschäftes. Ein Dreimonatsvertrag wurde vereinbart, und Abdirahman eröffnete im Herbst gleichen Jahres ihr Geschäft Forum Check-Out Designer Mode, mit Kleidungsstücken aus Musterkollektionen oder aus der vorherigen Saison. Vorab musste sie aber eine fünfstellige Summe für die Kaution und Vorausmiete aufbringen und sich von verschiedenen Leuten für ihre irrwitzige Idee auslachen lassen: «Nicht viele in meinem Umfeld glaubten daran, dass ich es schaffe.» Doch genau das sei ihr Ansporn gewesen. «Ich dachte: jetzt erst recht.»

Auch bei der Ladeneinrichtung ergriff sie die Initiative und fragte bei verschiedenen lokalen Geschäften und Künstlern nach, ob diese sie bei der Einrichtung unterstützen würden. Sie bekam zwar einige Absagen, aber auch mehrere Zusagen.

«Ich verkleide mich nicht»

Das Kleidergeschäft florierte fast von Anfang an: «Für kleine Fische wie mich gab es keinen besseren Zeitpunkt für eine Ladeneröffnung.» Was ist ihr Schlüssel zum Erfolg? Sie kleide sich für die Arbeit nicht anders als privat, sagt Abdirahman: «Das Geschäft spiegelt mein privates Ich wider.»

Die Vereinbarung mit Calida wurde verlängert, das Geschäft lief auch im Jahr 2018 gut. In diesem Frühjahr lief der Vertrag aber definitiv aus, und Abdirahman verhandelte mit der regionalen Immobilienagentur, um weiterhin den Laden mieten zu können. Sie wandelte sich zur Hauptmieterin: «Das bedeutet, mein Geschäftsmodell hat die Testphase überstanden», sagt Hani Abdirahman.

Nicht nur vom Standort, auch von ihrer Geschäftsidee ist Abdirahman nach wie vor überzeugt. Sie verkauft zusammen mit einer Mitarbeiterin inzwischen nicht mehr nur Check-Out-Teile, sondern führt auch Kleider aus aktuellen Kollektionen. Einzig der Enthusiasmus sei ihr etwas abhanden gekommen, etwa dadurch, dass Passanten lauthals vor ihrer Ladentüre diskutierten, ob ihnen das, was sie drinnen sahen, gefiel oder nicht. «Jede hatte eine Meinung zu meinem Angebot. Ich musste lernen, nicht alles persönlich zu nehmen.» Angst vor dem Vormarsch der Textilketten hat sie nicht. «Ausserdem gibt es bei mir immer Trouvaillen. Die hat es bei einem Massenanbieter gewiss nicht.»

Für Hani Abdirahman sind leere Geschäfte nichts Bedrohliches oder Negatives. «Ich sehe sie als Chancen. Sie können durch individuelle Geschäftskonzepte wieder mit Leben gefüllt werden.» Damit sei beiden Seiten gedient: Zentren werden wieder belebt und können mit Neuem punkten. Und Jungunternehmer bekommen zu günstigen Konditionen eine Plattform, um Produkte und Ideen an den Mann zu bringen. Allerdings müsse von den Hausbesitzern auch Hand dazu geboten werden: «Wenn das klappt und wenn Individuelles mit Können und Leidenschaft gepaart wird, dann werden neue Geschäfte nur so aus dem Boden schiessen», hofft Abdirahman.

Zwischennutzung in der Webergasse

In der Webergasse wird ebenfalls ein Ladenlokal für einige Monate zwischengenutzt. Der Concept Store Eselfell in der Altstadt hat im März seine Türen geschlossen. Es wurden aber bereits neue Mieter gefunden, wie die Präsidentin der Fassgenossenschaft Ursina Wiesmann auf Anfrage der SN mitteilte: «Ende August zieht ein Unverpackt-Laden in die Webergasse 11.» Im neuen Geschäft werden Waren ohne Einwegverpackung angeboten. Bis zur Eröffnung durch vier Frauen, die sich zusammengeschlossen haben, werde der Laden aber nicht leer stehen – eine Zwischennutzung durch ein Künstlerkollektiv sei geplant, sagt Wiesmann.

Hausbesitzer nehmen leere Geschäfte in Kauf

Was ist der Grund, dass altein­gesessene Geschäfte entweder durch internationale Ketten ersetzt ­werden oder jahrelang leer bleiben?

Frank Schneider: Das Einkaufsverhalten hat sich generell geändert. Die Leute kaufen immer häufiger im Internet ein oder im nahen Ausland.

Frank Schneider, Pro City Schaffhausen.

Steht Schaffhausen mit diesem Problem alleine da?

Ich war kürzlich mit dem Pro-City-Präsidenten Ernst Gründler an der Generalversammlung der «jungen Altstadt» in Winterthur. Die haben die gleichen Sorgen wie wir: Die Passanten werden weniger, die Margen sinken – nur die Mietzinsen fallen nicht. Statt die Mieten zu senken, warten die Immobilienbesitzer auf einen Interessenten, der ihren Wunschpreis bezahlt und nehmen dafür in Kauf, dass die Ladenlokale leer stehen.

Was tut Pro City, um Abhilfe zu schaffen?

Uns sind natürlich die Hände gebunden, denn die Hausbesitzer legen die Mieten fest. Jüngstes Beispiel ist der Auszug der Sauter AG an der unteren Vordergasse.

Wenn nicht Pro City, wer kann sich sonst noch für eine lebendige ­Altstadt einsetzen?

Etwas ändern können nur die Konsumenten. Indem sie beispielsweise statt bei Zalando ein­zu- kaufen eines unserer wenigen verbliebenen Modegeschäfte berücksichtigen.

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