«Die Schweiz ist ein typisches Aromat-Land»

Jeannette Vogel | 
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Der neue Chef von Unilever Schweiz, Thierry Mousseigne, mit Knorrli, der seit 70 Jahren für Knorr-Produkte Werbung macht. Bild: Eric Bührer

Der neue Mann bei Unilever in Thayngen heisst Thierry Mousseigne. Er ist seit Oktober Chef von Unilever Schweiz und damit Nachfolger von Alexander Kühnen.

Der neue Chef von Unilever kommt vom Nahrungsmittelriesen Nestlé. Thierry Mousseigne hat im vergangenen Jahr in Thayngen die Nachfolge von Alexander Kühnen angetreten, der das Unternehmen verlassen hat. Der Country Managing Director von Unilever Schweiz ist gebürtiger Franzose, er wechselt jeweils rasch von Englisch auf Französisch und umgekehrt. Er habe zwei grosse Herausforderungen am Standort Thayngen zu meistern: die deutsche und die schweizerdeutsch Sprache, sagt er und schmunzelt dabei. Die Nahrungsmittelbranche ist ihm gut bekannt, er startete 1995 seine Karriere bei Nestlé und war dort in verschiedenen Marketing- sowie General-Management-Funktionen tätig. Er hat über die Jahre auf lokaler, regionaler und globaler Ebene verschiedene Marken aus dem Nestlé-Portfolio, von Glace bis hin zu Säuglingsnahrung, weiterentwickelt. Zu seinen Aufgaben in Thayngen gehört, dass er sich mit der Zukunft des Standortes befasst, mit dem Planen und dem Umsetzen von innovativen Projekten: «Dafür arbeiten wir auch mit Start-ups zusammen.» Mehr verraten könne er im Moment noch nicht: «Lassen Sie sich im Herbst überraschen.»

Weg wie warme Weggli

Knorr-Produkte werden in 190 Ländern rund um den Globus verkauft. Inwiefern unterscheidet sich das Schweizer Portfolio von demjenigen, das in andern Ländern angeboten wird? 80 Prozent der in Thayngen hergestellten Knorr-Produkte sind auch für die Schweiz bestimmt, so der Firmenchef. So wird beispielsweise alles, was aus der Aromat-Dose kommt, hier produziert: «Die Schweiz ist ein typisches Aromat-Land», sagt Mousseigne. Marketingleiterin Lea Paessens ergänzt: «Die Streuwürze wird – mit leicht geänderter Rezeptur – auch für viele andere Länder hergestellt, aber nur in der Schweiz gehen die Nachfüllbeutel im Triopack weg wie warme Weggli.» Die Aludose werde immer wieder in die Spülmaschine gesteckt und neu befüllt: «Auch das gibt’s nur in der Schweiz.» Stocki-Kartoffelstock ist ebenfalls ein typisches Produkt und besteht zu 100 Prozent aus Schweizer Härdöpfeln.

Die Knorri, wie die Fabrik immer noch im Volksmund heisst, ist eng verbunden mit Knorrli. Der Werbeträger mit der flatternden roten Zipfelmütze (siehe rechts) ist omnipräsent am Standort. «Wir haben aktuell rund 12 000 Knorrli-Puppen am Lager», sagt Paessens, dies aus Anlass des 70. Geburtstages der Fantasiefigur. Gefeiert wird aber nicht an einem bestimmten Tag, sondern das ganze Jahr. Wie viele Knorrli hat der neue Firmenchef in seinem Büro? «Unzählige», sagt Mousseigne. «Und zwar nicht nur im Büro, sondern auch zu Hause.»

Swissness – Aufwand zu hoch

Knorrli zählt zu den bekanntesten Werbefiguren der Schweiz. Das geschichtsträchtige Schweizerkreuz wird von vielen Produzenten zu Werbezwecken verwendet. Seit 2017 ist das Swissness-Gesetz in Kraft. Es soll sicherstellen, dass Produkte nicht zu Unrecht mit dem Schweizerkreuz beworben werden, und regelt die Anforderungen, welche Firmen erfüllen müssen. Lebensmittel müssen mindestens 80 Prozent Schweizer Rohstoffe enthalten, sonst muss das Kreuz auf der Verpackung weg. Von dieser Regelung sind alle der 400 Knorr-Produkte betroffen, die Thayngen herstellt werden. «Wir werden Swissness-Auslobungen nur noch auf sogenannten Leuchtturmprodukten wie unserem Kartoffelstock Stocki anbringen», hiess es damals seitens Unilever. Wie hat sich diese Änderung auf die Verkaufszahlen ausgewirkt? «Es ist ein Vorteil, wenn das Schweizerkreuz auf der Verpackung ist, das ja», so Mousseigne. Einen Einbruch der Verkaufszahlen hätte es dadurch aber nicht gegeben. Der Aufwand, der für Swissness betrieben werden müsse, sei gewaltig, darum belasse es Unilever bei den «Leuchttürmen», zu denen aus dem Non-Food-Bereich beispielsweise der Fleckenentferner Enka zählt.

Insgesamt arbeiten 650 Personen im Kanton für Unilever. Rund 180 Mitarbeiter in der Produktion in Thayngen, dazu kommen die Verkaufseinheit mit Marketing und der Bereich Supply Chain. Wie muss sich die Firma positionieren, um für die kommenden Jahre gerüstet zu sein? Die Esskultur hat sich verändert: Mahlzeiten wurden früher häufig mit Kochhelfern wie Beutelsaucen oder Fertigbouillon zubereitet, die Familie sass mindestens einmal pro Tag gemeinsam am Tisch und nahm eine warme Mahlzeit ein. Heute verpflegten sich die Familienmitglieder unter der Woche oft unterwegs, dafür werde am Wochenende das grosse Kochen zelebriert, und sogar die Bouillon werde eigenhändig zubereitet, erklärt Paessens. Diese zwei Extreme zwingen die Unilever geradezu, «die Mitte» zu verlassen und neue Wege zu gehen – sowohl bei den Produkten als auch im Marketing. Lea Paessens verweist, ebenso wie Thierry Mousseigne, auf innovative Neuheiten im Herbst dieses Jahres.

Mit dem Zug zur Arbeit

Ein Konzernziel ist die Reduzierung der Umweltbelastungen. Besonders Plastikmüll ist eines der Hauptumweltprobleme unserer Zeit. Unilever hat sich etwa zum Ziel gesetzt, bis 2020 das Gewicht der Kunststoffverpackungen um ein Drittel zu reduzieren und spätestens ab 2025 zu 100 Prozent wiederverwendbare, recycelbare oder kompostierbare Verpackungen einzusetzen. In Thayngen ist Plastik zwar ein grosses Thema, das Werk setzt sich aber auch mit der Reduktion von Aluminium- und Kartonverpackungen auseinander. Thierry Mousseigne setzt sich auch privat für die Umwelt ein. «Ich kaufe nur so viele Lebensmittel und andere Produkte, wie ich auch wirklich brauche. Und ich trenne den Abfall, mir gefällt das Schweizer System sehr gut.» Er fährt konsequent mit dem Zug von seinem Wohnort Zürich nach Thayngen.

An der Generalversammlung der Indus­trie- & Wirtschafts-Vereinigung Schaffhausen (IVS) im März wurde der CEO in den Vorstand der IVS gewählt. Was will er dort bewirken? «Mir schwirren viele Ideen im Kopf herum. Zusammen können wir vieles anpacken», so Mousseigne. Nachhaltigkeit sei sicher ein Thema, dass er sowohl bei Unilever als auch bei der IVS verfolgen werde. Es sei allerdings zu früh, um konkrete Beispiele zu nennen.

Das Gespräch mit dem Unilever-Chef findet ein jähes Ende: Der leibhaftige Knorrli tritt in Erscheinung und verwickelt ihn in ein Gespräch über die neusten Kochrezepte.

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