Phantom aus Schaffhausen sammelt 157 Mio. Dollar

Janosch Tröhler | 
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Die Aussicht auf dieses Smartphone liess bei Sirin Labs die Kasse klingeln. Bild: zvg/Sirin Labs

Das Schaffhauser Unternehmen Sirin Labs AG hat für ein neues Smartphone mehr als 150 Million Dollar gesammelt. Doch was treibt die Firma überhaupt am Rhein und was hat Lionel Messi damit zu tun?

«Willkommen bei Sirin Labs. Bitte beachten Sie, dass alle Anrufe aus Qualitäts- und Übungsgründen aufgezeichnet werden», sagt eine Computerstimme auf Englisch. Danach klingelt es... Niemand nimmt ab.

Die Firma Sirin Labs AG ist ein Phantom. Seit 2015 ist das Unternehmen in Schaffhausen registriert. Mal wird die Moserstrasse 48 als Hauptsitz angegeben, dann wieder die Mühlentalstrasse 2. Allerdings findet sich an der Moserstrasse, im «Geschäftshaus zur Moosente», lediglich ein Schild mit einer ganzen Reihe Firmen und Holdings. Keine Klingeln, keine Briefkästen – nur der Hinweis, dass die BDS Consulting AG die Pakete entgegen nehmen würde.

 

Nicht nur zwei Adressen, auch zwei Telefonnummern kursieren. Jene mit der 052-Vorwahl sei nicht in Betrieb, bescheidet einem die nächste künstliche Stimme. Es scheint, als sei das Unternehmen bloss an den anderen Standorten in London und Tel Aviv operativ tätig.

Am 26. Dezember 2017 lässt das Unternehmen auf Twitter verlauten:

 

Ein Smartphone und ein Computer, die auf Blockchain-Technologie aufbauen und sehr sicher sein sollen, verspricht das Unternehmen. Über ein «Initial Coin Offering», kurz ICO, sammelte Sirin Labs nach eigenen Angaben über 157 Mio. Dollar. Ein ICO lässt sich mit einem Börsengang vergleichen. Dabei handelt es sich um eine unregulierte Methode des Crowdfundings mittels Kryptowährung. Dabei vermeiden Unternehmen die strikt regulierte Kapitalaufnahme durch traditionelle Investoren, Banken oder Börsen. Die Menschen tauschen Dollars gegen die digitale Währung «SRN», die von Sirin Labs ausgegeben wird.

Interessant ist, dass Sirin Labs den potentiellen Käufern der Kryptowährung anbot, die Coins zum vollen Preis zurückzukaufen. Kryptowährung im Wert von 50 Mio. Dollar wurden mit dieser Rückkauf-Garantie ausgegeben. Die Website «Calcalist» hat diese Käufe und Rückkäufe unter die Lupe genommen und herausgefunden: Fast die gesamte Menge der Coins mit Rückkauf-Garantie wurde in sechs grossen Transaktionen gekauft. Dies habe geholfen, einen Hype um Sirin Labs und ihre Währung zu kreieren.

Bis zum 24. Februar kann ein Rückkauf noch beantragt werden, allerdings sei es bisher nur zu wenig Rückerstattungen gekommen. Die Identität der Käufer bleibt indes unklar.

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Bereits vor zwei Jahren, kurz nachdem sich Sirin Labs in Schaffhausen ansiedelt, war der Firma nicht habhaft zu werden. Damals versuchten die Schaffhauser Nachrichten bereits, das Unternehmen zu kontaktieren. Ein Auszug aus dem Artikel vom 20. Mai 2016:

Wer Sirin Labs’ Schaffhauser Festnetznummer anruft, landet bei einer Dame, die weder den Firmennamen noch ihren eigenen nennt, aber bereitwillig die Kontaktdaten des Anrufers aufnimmt: «Man wird Sie kontaktieren.»

Kurz darauf meldet sich per E-Mail eine Mitarbeiterin der Kommunikationsagentur in London, die Sirin Labs betreut. Den Wunsch, mit dem Schweizer Geschäftsführer Oskar Kälin zu sprechen, kann sie allerdings nicht erfüllen: «Herr Kälin steht leider für Interviews nicht zur Verfügung», schreibt sie. Und weiter: «Sirin Labs hat die Schweiz als Standort für ihre Firmenzentrale gewählt, weil dieses Land die naheliegendste Wahl ist für ein global tätiges Unternehmen, das Produkte von höchster Qualität und Präzision anbietet, bei denen der Schutz persönlicher Daten im Mittelpunkt steht.»

Oskar Kälin wird nach wie vor als Geschäftsführer der Sirin Labs AG aufgeführt – mit Einzelunterschrift. Kälin hat auch die Beratungsfirma OKAL Consulting AG mit Sitz in Schindellegi gegründet, die «Finanz- und Wirtschaftsberatung, Anlageberatung und Vermögensverwaltung sowie alle damit direkt zusammenhängenden Tätigkeiten» anbietet. Kälin ist zudem in zwei weiteren Unternehmen mit Sitz an der Moserstrasse 48 im Verwaltungsrat, ebenfalls mit Einzelunterschrift.

Kontaktversuche der SN an die Mück Management Partners AG, wo Kälin als «Associate Director» arbeitet, und direkt an Sirin Labs blieben auch nach mehreren Tagen unbeantwortet. Somit bleiben folgende Fragen offen:

  • Ist Moserstrasse 48 oder Mühlentalstrasse 2 die Firmenadresse?
  • Weshalb ist eine Telefonnummer nicht in Betrieb?
  • Wie viele Mitarbeitende beschäftigt Sirin Labs in Schaffhausen?
  • Welche Unternehmensbereiche sind in der Schweiz angesiedelt?

Exzentrischer Firmengründer

Bei der Wirtschaftsförderung hat man Kenntnis von der Sirin Labs AG und gratuliert zum gewonnen Kapital. Allerdings könne man keine näheren Auskünfte darüber geben, wie das Unternehmen in Schaffhausen aufgestellt sei. Zudem habe die Wirtschaftsförderung keine aktive Ansiedlung der Firma in Schaffhausen getätigt.

Oskar Kälin ist zwar der Geschäftsführer des Unternehmens, gegründet hat es aber der israelische Hightech-Unternehmer Moshe Hogeg. Hogeg initiierte zudem den Risikokapitalfond «Singulariteam». Investiert in Sirin Labs hat ursprünglich Kenges Rakishev. Der Investor aus Kasachstan ist heute VR-Präsident von Sirin Labs. Zudem hat der chinesische Internetkonzern RenRen ebenfalls investiert.

Woher der Name Sirin Labs kommt, ist nicht überliefert. «Sirin» bezeichnet allerdings ein Fabelwesen aus russischen Volkssagen: Ein Mischwesen aus Frau und Vogel, das mit ihren Gesängen Sterbliche in den Tod locken. Die Fabelkreaturen seien den Menschen eher böse gestimmt.

Moshe Hogeg wird von «Business Insider» als Exzentriker beschrieben. Mit Sirin Labs präsentierte Hogeg 2016 ein erstes Smartphone: Das Gadget soll gemäss eigenen Angaben das sicherste Handy weltweit sein. Das hat seinen Preis: 16'000 Dollar. Für die offizielle Präsentation in London gelang es Hogeg gar, Hollywood-Prominenz aufzubieten: Leonardo DiCaprio und Tom Hardy waren anwesend.

Moshe Hogeg mit Lionel Messi. Bild: Facebook/Moshe Hogeg

Auch für den neusten Wurf, das Blockchain-Smartphone, angelte Hogeg in der Welt der Schönen und Reichen für einen passenden Botschafter. Gefunden hat er ihn mit dem argentinischen Fussball-Star Lionel Messi. Allerdings läuft der Ball nicht immer so rund, wie man vermuten mag: Im März 2017 feuerte Hogeg einen Drittel der Belegschaft, bevor er die neuen Geräte in Angriff nahm.

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