Ein soziales Potpourri für Neuhausen
Jacqueline Aerne hat eine Begegnungsstätte in Neuhausen eröffnet, die Menschen kostenfrei bei Rechts- und Sozialfragen berät, Kultur fördert und vieles mehr. Das Triangolo ist ein Novum im Kanton. Von der Gemeinde unterstützt wird es bislang aber nicht.
Ein Junge, vielleicht acht Jahre alt, sitzt am Klavier und haut in die Tasten, aber nicht irgendwie, beeindruckend versiert. Ein anderer hat sich eine Schlagtrommel unter den Arm geklemmt, klopft rhythmisch. Derweil zeichnen rund 15 Kinder an Tischen miteinander Hasengesichter. Es ist was los an diesem Mittwochnachmittag im Triangolo in Neuhausen.
Triangolo, das ist die neue Begegnungsstätte am Heinrich-Moser-Platz. Ein soziales Projekt, initiiert von Jacqueline Aerne, die nun mitten im Gewusel umgeben von Müttern steht und lacht. «Am besten gehen wir kurz hoch», sagt sie.
Eine Holztreppe führt auf eine kleine Erhöhung, eine Art offenes Dachgeschoss. Der Mittwoch sei den Kindern gewidmet, sagt Aerne, selbst Mutter von vier, mittlerweile erwachsenen Kindern. Neuhausen biete ausserschulisch kaum Angebote für Kinder im Primarschulalter: «Darum sind heute alle bei mir.» Es wird gebastelt, gemalt, ein freier, kreativer Austausch gepflegt. Nicht nur bei den Kindern, auch bei den Erwachsenen, offen, vernetzend, gerne auch befruchtend soll er sein. Aerne möchte die Menschen zusammenbringen, sie unterstützen. Dabei denkt sie an Migranten, Expats, Zuzügler, all jene, die sich noch nicht so ganz zurechtgefunden haben in Neuhausen, vulnerable Personen, aber im Grunde an jeden, der den Austausch schätzt. «Gemeinsam geht vieles einfacher», sagt die 55-Jährige.
Kostenfreies Angebot
Der Raum ist klein, aber darin passiert viel: Das Triangolo ist ein Begegnungs- und Arbeitsort. Es bietet Angebote für Menschen, deren Lebens- oder Arbeitssituation belastet ist. Von der Sozial- bis zur Rechtsberatung, gerade Letztere ist sehr beliebt. Daneben leistet das ehrenamtlich arbeitende 10-köpfige Kernteam Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen, liest und korrigiert auf Wunsch Lebensläufe und Bewerbungsschreiben. Alle Angebote sind kostenfrei. Einzig die Beschäftigungen mit den Kindern kosten 5 Franken – «damit wir nicht als gratis Babysitter genutzt werden.»
«Manchmal sind Menschen mit Themen belastet, die sie am Weiterkommen hindern, da möchte ich helfen.»
Jacqueline Aerne, Geschäftsführerin, Triangolo
Aerne hat vergangenen Juli den gemeinnützigen Verein Triangolo gegründet, nachdem sie auf Tutti eine Anzeige für die Räumlichkeit gefunden hatte. Entstanden ist die Idee durch Geschichten, die das Leben schreibt, all den Menschen, denen Aerne bei ihrer Tätigkeit als Sozialberaterin und als Coach bei der Arbeitsintegration begegnet ist. Und dann kann sich Aerne auch gut mit dem Gefühl identifizieren, nicht verstanden zu werden. Auf ihren Reisen – sie war einst längere Zeit in Ecuador, baute ein Kinderheim mit auf – stiess sie immer wieder an Sprachbarrieren an. «Manchmal sind Menschen mit Themen belastet, die sie am Weiterkommen hindern, da möchte ich helfen, weil ich weiss, wie sich das anfühlt.» Menschen sollen aufgrund ihrer Lebenssituation nicht abgestempelt werden. Nicht der Migrant. Nicht die alleinerziehende Mutter. Nicht die Working-Poor-Familie. Niemand.
Die Lücke im System
«Erst neulich kam ein Familienvater hierher. Er lebte mehrere Jahre alleine in Neuhausen und arbeitete hart, damit er seine Familie aus Spanien nachziehen kann», so Aerne. Seine Frau und die gemeinsamen Kinder sprechen kein Deutsch. Der Vater sei überfordert mit der ganzen Situation. «Wir informieren die Mutter über Deutschkurse, helfen dem Vater beim Schreiben eines Gesuchs für finanzielle Unterstützung. Die Kinder können zum Basteln vorbeikommen und andere Kinder kennenlernen.»
Und dann sei da noch eine Familie, sechsköpfig. Der Vater arbeite Schicht, verdiene wenig, die Mutter putze, das Geld reiche nicht. «Beide haben sie Fragen bezüglich Krankenkasse, Steuererklärung, benötigen Hilfe bei der Budgeterstellung. Der Sohn sucht eine Lehrstelle», so Aerne. Auf die Frage, was sie umtreibt, sagt Aerne: «Ich bin allergisch auf das Wort Helfersyndrom. Ich habe kein Helfersyndrom. Mein Ansatz lautet: Hilfe zur Selbsthilfe.» Aerne geht es darum, eine Lücke im System zu schliessen. Sie möchte Menschen davon bewahren, von der Sozialhilfe oder anderen Einrichtungen abhängig zu werden oder gar zwischen Bank und Stuhl zu fallen. Sie findet das Potenzial der Menschen sei enorm und würde oftmals brachliegen. Dabei bräuchte es oftmals bloss einen kleinen Schups, etwas Starthilfe. Ein bisschen Unterstützung da und dort – und der Ball rollt.
Mögliche Leistungsvereinbarung
So nobel das Konzept, ganz ohne finanzielle Mittel klappt es nicht. Bisher hat Aerne eine Anschubfinanzierung erhalten – von einer Stiftung, die nicht genannt werden möchte. Weitere Stiftungen sind angefragt. Von der Gemeinde erhält Aerne bislang kein Geld. Sie habe noch kein Gesuch gestellt, erst müsse sie sicher gehen, dass die Nachfrage, das Bedürfnis da sei. Aber ja, sie hoffe natürlich auf eine Leistungsvereinbarung mit Neuhausen. Gemeindepräsident Felix Tenger war an der Eröffnung des Triangolo dabei: «Ich bin gespannt, wie das Angebot aufgenommen wird», sagt er. Grundsätzlich begrüsse der Gemeinderat jede Aktivität, die zur Attraktivierung von Neuhausen beitrage.