«Wir machen Ferien im Wilden Westen»







Von der Flucht aus der gewohnten Umgebung, der Suche nach dem Abenteuer und einer Liebesgeschichte handelt das Theaterstück «Die Banditenkönigin». Der Jugendclub Momoll-Theater feiert am 29. Oktober Premiere.
Annie O’Brien betritt den Saloon, hängt den Mantel auf und geht hinter die Bar. Josephine Boot sitzt mit May O’Brien am Tisch, sie spielen Pharo. Pearl Taylor putzt die Petrollampe und verfolgt das Kartenspiel. «Annie, lueg», sagt May O’Brien stolz und hält ihrer älteren Schwester das Geldbündel unter die Nase. Diese freut sich, will aber wissen, woher sie das Geld hat. «Gunne. Bim Spile», sagt May.
Die Szene spielt sich im Theaterproberaum Cardinal in Schaffhausen ab. Fünf Schülerinnen erzählen die Geschichte dieser Frauen im Wilden Westen. Das Stück, «Die Banditenkönigin», spielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die zwei Schwestern Annie und May O’Brien sind auf der Suche nach dem Abenteuer, nach ihrer Rolle im Leben. Pearl Taylors familiäre Situation ist schwierig, sie will ihrem Umfeld entfliehen. So begeben sich die drei auf eine Reise in den Wilden Westen – was sie in Arizona erleben, hätten sie sich niemals ausmalen können. Eine Geschichte über Lust, Freiheit, Abenteuer und den Wunsch, sich einen Namen zu machen.
Der Jugendclub Momoll steckt mitten in den Vorbereitungen für die Premiere am 29. Oktober. Die fünf jungen Frauen proben das Stück gemeinsam mit Regisseur Jürg Schneckenburger und Catherina Lampart, Inszenierungsassistentin. Zwei ehemalige Schauspielerinnen des Jungendclubs Momoll wohnen der Probe bei und können dank eigener Erfahrungen Tipps geben.
Ein Ort zum Abschalten
Seit den Sommerferien trifft sich die Theatercrew jeden Donnerstagabend für eine dreistündige Probe und gegebenenfalls am Sonntag für vier weitere Stunden. Die Intensivprobenphase hat in den Herbstferien begonnen. Die ersten beiden Wochen haben sie täglich im Proberaum Cardinal geprobt, zu Beginn der dritten Herbstferienwoche sind sie ins Theater Bachturnhalle umgezogen. «Es ist wichtig, dass die Schauspielerinnen genügend Zeit haben, das Stück auf der Auftrittsbühne zu proben», sagt Lampart.
«Annie ist wie ich, selbstbewusst und hartnäckig. Ich erkenne mich in ihr wieder.»
Linda Müller, Darstellerin vom Jugendclub Momoll-Theater
Die 16-jährige Linda Müller aus Schaffhausen spielt Annie O’Brien. «Annie ist wie ich, selbstbewusst und hartnäckig. Ich erkenne mich in ihr wieder», sagt sie. Philippa Lettau verkörpert Freddie Truman, den Sheriff. «Ich wollte einen Mann spielen, das ist eine Erfahrung, die ich unbedingt machen wollte», erzählt sie. «Wir sind sehr froh, ist die Rollenverteilung so harmonisch verlaufen. Oftmals ist das ein grosser Konfliktpunkt», sagt Lampart.
Die ehemaligen Schauspielerinnen des Jugendclubs Momoll konnten viel Erfahrungen sammeln, vor allem auch darin, einen Mann zu verkörpern. «Beobachte die Männer in der Stadt, wie sie stehen und gehen, das hilft schon ungemein», sagt eine von ihnen zu Philippa.
«Ich wollte einen Mann spielen, das ist eine Erfahrung, die ich unbedingt machen wollte»
Philippa Lettau Schauspielerin beim Jugendclub Momoll
Eine grosse Unterstützung ist auch Catherina Lampart, welche die Schauspielerinnen mit Schneckenburger coacht. Sie ist die Verbindung zwischen dem Ensemble und dem Regisseur. Das Warm-up sowie die musikalischen Proben fallen beispielsweise in ihren Aufgabenbereich. Die Schauspielerinnen schätzen ihre Arbeit sehr.
Das Theater ist für die jungen Frauen eine Bereicherung. «Für mich ist das Theaterspielen eine Ablenkung vom Alltag – die Bühne ist ein Ort des Abschaltens, ich kann den Schulstress vergessen», sagt Linda Müller. Die Proben sind sehr zeitintensiv, für andere Dinge bleibt kaum noch Zeit. Auf Ferienaktivitäten mit Freunden oder Familie müssen sie verzichten. «Dafür machen wir Ferien im Wilden Westen», sagt Linda Müller und lächelt.
Als sie auf die Bühne zurückkehrt, ist kein Lächeln mehr zu sehen. «Bim Spile?», entgegnet Annie O’Brien entsetzt. Sie mache sich bald einen Namen, kontert Josephine Boot grinsend. «En Name? Als Spileri? Gohts eu no?» Annie greift zur Whisky-Flasche, setzt sich an den freien Tisch im Saloon und nimmt einen grossen Schluck.