Die Volkshochschule Klettgau hört auf

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An der letzten Veranstaltung der Volkshochschule präsentierte Katharina Schäppi die Mahlzeit der Pfahlbauer, rechts Vereinspräsidentin Anne Chanson. Bild: Roberta Fele

Sie war eine Schule für Schulabgänger. Rund 60 Jahre lang hat die Volkshochschule Klettgau lernbegierig gebliebene Personen unterrichtet und unterhalten. Nun will sich der Vorstand auflösen; die langjährige Präsidentin ist darüber nicht nur unglücklich.

Fast 60 Jahre hat die Volkshochschule Klettgau Einblicke in verschiedene Themenfelder erlaubt: Eine Fahrt ins Wangental, um auf verschlungenen Wegen dem Biber nachzuspüren, ein Sprung über den Röstigraben zum grössten Teilchenbeschleuniger der Welt oder – denn vor allem wollte man interessante Phänomene in der Region beleuchten – die Degustation einer Pfahlbauermahlzeit zusammen mit der Kantonsarchäologin. Noch eine letzte Veranstaltung wird es am kommenden Freitag in Neunkirch geben, dann will sich die Volkshochschule Klettgau auflösen.

Die Organisation zählt zum Verband der Schweizerischen Volkshochschulen, der sich die Förderung der Erwachsenen­bildung und das lebenslange Lernen auf die Fahne geschrieben hat. Ähnlich wie der Dachverband bot die Volkshochschule Klettgau zahlreiche Lernveranstaltungen an, jeweils unter der Leitung eines fachkundigen Referenten. Zu den Veranstaltungsorten zählten unter anderem Hallau, Gächlingen, Siblingen, Beringen, Neunkirch sowie Osterfingen-Wilchingen.

Die VHS Klettgau wurde 1965 gegründet – eine Zeit, in der die Freizeitangebote auf dem Land vergleichsweise spärlich waren. Das Schweizer Fernsehen strahlte seine Sendungen in Schwarz-Weiss aus, das Internet steckte noch nicht einmal in seinen Anfängen und wer sich weiterbilden wollte, musste dafür notgedrungen in eine Grossstadt ziehen.

Viele ähnliche Angebote

«Unsere Gründer wollten den Leuten vor Ort ein Bildungsangebot machen», sagt Anne Chanson, die seit rund 40 Jahren als Präsidentin des Vereins tätig ist. In den vielen Jahren seit der Gründung hätten sich die Rahmenbedingungen aber geändert. «In der Region ist eine ausgeprägte Freizeitkultur entstanden.» Ähnliche Veranstaltungen würden etwa durch die Senioren-Uni Schaffhausen angeboten; darüber hinaus überlappen die eigenen Veranstaltungen mit Angeboten von Schaffhauserland Tourismus, dem Regionalen Naturpark Schaffhausen oder mit Kursen von privaten Anbietern in der Region. «Wir haben gemerkt, uns springen die Leute ab», bringt Chanson die Folgen dieser Konkurrenzsituation auf den Punkt.

«In der Region ist eine ausgeprägte Freizeitkultur entstanden.»

Anne Chanson, Vereinspräsidentin Volkshochschule Klettgau

Sehr schwierig seien die Monate der Pandemie gewesen; für 2021 habe der Vorstand rund zehn Kurse vorbereitet – nur drei davon liessen sich letztlich abhalten, andere habe man auf unbestimmte Zeit verschieben müssen. «Es herrschte eine grosse Unsicherheit, zumal wir ein Publikum ansprechen, das zur Risikogruppe gehört.» Für eine Veranstaltung habe man einen Impfnachweis einfordern müssen, worauf viele Leute ihre Teilnahme spontan abgesagt hätten. Irgendwann sei Aufwand und Ertrag in ein Missverhältnis gekippt; der Druck eines Tausende Franken kostenden Programms sei schlicht nicht mehr sinnvoll gewesen.

Warum nach Aufhebung aller Massnahmen nicht einen Neustart wagen? Die langjährige Präsidentin will aufhören, so lange die Volkshochschule den Leuten noch ein Begriff ist. «Wir haben eine guten Ruf und nach der Bekanntgabe unserer Auflösung viele erhebende Rückmeldungen erhalten.» Die Organisation von weniger Anlässen – beispielsweise nur drei statt den üblichen zehn bis zwölf pro Jahr – sieht sie nicht als gangbare Alternative. «Das wäre übers Jahr hinweg wohl zu wenig, die Leute würden uns vergessen.» Abschied nehmen gehöre nun einmal zu Leben, sagt sie abgeklärt und fügt schmunzelnd hinzu: «Als Hauptprojekt bleibt mir mein schöner, grosser Blumengarten, den ich leidenschaftlich pflege.»

Weiterhin aktiv

Ein gewichtiger Grund für die im Juli geplante Auflösung ist nicht zuletzt die schwierige Suche nach geeigneten Nachfolgern. «Ich hätte mir zwar vorstellen können, das Präsidium zu übernehmen», sagt Vizepräsidentin Daniela Affolter. «Aber für die Organisation der VHS Klettgau braucht es mehr als eine Präsidentin, es braucht ein ganzes Team.» Viele Mitglieder des Vorstands seien unterdessen über 50 Jahre alt und wollten ebenfalls aufhören. Beide Damen werden weiter ehrenamtlich tätig sein und sich für das mechanische Stellwerk in Neunkirch einsetzen. Die aus der Zeit gefallene Anlage soll der Region erhalten bleiben und mit einem kleinen Museum angereichert werden.

Die letzte Veranstaltung der Volkshochschule Klettgau wird morgen, 19.30 Uhr, in der Aula Schulhaus Randenblick in Neunkirch stattfinden. Referent Theo Kübler wird über seine Reise zu den in Sibirien wohnhaften Nenzen berichten, die sich eine eigene Sprache und Kultur bewahrt haben. Kübler wanderte über ein halbes Jahr mit den Nenzen, die in der sibirischen Tundra Temperaturen von bis zu minus 55 Grad Celsius ausgesetzt sind.

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