Er fürchtet sich weder vor Ansteckungen noch vor Ungeziefer

Edith Fritschi | 
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Behandlung eines Oberschenkelbruchs an einem Kleinkind im Spital in Silveira/Simbabwe, wo Christian Seelhofer tätig war. Nun bauen er und seine Frau Annemarie dort ein Waisenhaus auf. Bild: zvg

Seit vielen Jahren ist der Beringer Arzt Christian Seelhofer für verschiedene Hilfsorganisationen im Einsatz.

2019 soll, wenn alles klappt und die Genehmigungen da sind, endlich das Waisenhaus in Simbabwe eingeweiht werden. Es ist das Werk von Christian und Annemarie Seelhofer, unterstützt vom Verein Freunde von Silveira. «Eigentlich sollte es dieses Jahr schon belegt sein», sagt Seelhofer. Aber die afrikanischen Bürokratiemühlen mahlen langsam. Erst vor zwei Wochen sind Seelhofers wieder aus Afrika zurückgekommen, wo sie zweimal jährlich hinreisen, um zu sehen, wie die Arbeiten vorankommen. Von 2002 bis 2012 haben sie in Simbabwe gelebt und gearbeitet. Christian Seelhofer hatte seine Praxis in Beringen aufgegeben, war mit Ehefrau Annemarie nach Musiso/Simbabwe gezogen, um für die Schweizer Hilfsorganisation SolidarMed zu arbeiten. Dort war er lange der einzige Arzt und versorgte täglich über 100 Patienten. Derweil kümmerte sich seine Frau Annemarie um die vielen Waisenkinder. Das erste Waisenhaus bauten Seelhofers damals auf dem Spital-areal, doch als es die staatliche Gesundheitsbehörde registrieren wollte, machte der dort zuständige Bischof Ansprüche auf das Gebäude geltend. Und so beschlossen sie, ein neues ausserhalb der Missionsstation zu bauen.

Nicht zur Ruhe gesetzt

Auch nach der endgültigen Rückkehr der beiden 2012 nach Beringen verfolgten und begleiteten sie das Projekt weiter und bettelten das Geld zusammen. Inzwischen ist man auch dank dem dafür gegründeten Verein Freunde von Silveira in der Lage, das Haus zu vollenden und später auch den Betrieb sicherzustellen. Über das Waisenhaus und auch über verschiedene medizinische Einsätze für Méde­cins Sans Frontières wird Seelhofer in seinem Vortrag am Mittwoch berichten. Denn auch nach der Rückkehr nach Beringen setzte sich Seelhofer nicht zur Ruhe. «Da hätte mir viel gefehlt», meint er. Zurückgekommen sind die beiden letztlich, weil Annemarie Seelhofer ihre Enkel öfter sehen wollte. Dafür war Afrika einfach zu weit weg. Einmal im Jahr eine Woche war ihr zu wenig. Und auch Christian Seelhofer ist froh, dass er die Kinder seiner Kinder nun öfter zu Gesicht bekommt. Dennoch zieht es ihn immer wieder in Gebiete, wo seine medizinische Hilfe nötig ist. «Meine Frau wünscht sich, dass ich nicht immer so lange weg bin.» Deshalb hat er sich für kürzere Einsätze gemeldet und war mehrmals in Laos, um junge Ärzte dort anzuleiten und Supervision zu machen. Dies im Auftrag von Swiss Laos.

Einsatz auch im Kongo und im Libanon

Aber auch für Médecins Sans Frontières hat er in den letzten drei Jahren mehrere, meist dreimonatige Einsätze geleistet. Im Libanon etwa und im Kongo. Beim Noteinsatz dort musste er mit einem Team eine Masernepidemie bekämpfen. «Da haben wir in drei Wochen 40'000 Kinder geimpft, von denen viele sonst gestorben wären.» Im Libanon versorgte er lauter Kriegsversehrte und baute eine Kinderklinik mit Geburtshilfestation auf. Natürlich seien die Bedingungen in solchen Ländern eher heftig, betont er. Doch er lässt sich nicht so schnell einschüchtern. «Ein paar Ratten oder Kakerlaken – das macht mir nichts aus», sagt er. Und schiebt nach, dass jemand, der sehr empfindlich und heikel ist, sich nicht für derartige Einsätze eigne. Da müsse man schon robust sein und auf die «Wohlstandsdecke» verzichten können.

Man muss sich arrangieren

Er selbst hat auch das grosse Glück gehabt, dass er sich trotz hygienischer prekärer Umstände nie eine schlimme Krankheit eingefangen hat. «Aber ich fürchte mich auch nicht davor.» Natürlich befolge er die Vorsichtsmassnahmen und schütze sich so gut wie möglich. «Aber eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht.» Vor allem in Kriegsgebieten, wo Ärzte ohne Grenzen oft sind, ist das Risiko hoch. Zwar sei auch die Logistik von Médecins Sans Frontières extrem gut und ausgeklügelt, meint er. «Die Teams bringen alles mit, was man braucht.» Gleichwohl müssen die Helfer mitunter in kleinen Hütten oder Zelten unterkommen oder an Orten, wo es weder Strom noch fliessendes Wasser gibt. «Doch irgendwie geht’s immer, und man muss sich arrangieren», sagt Seelhofer, der solche Herausforderungen bisher immer gemeistert hat, sodass er keinen der Einsätze abbrechen musste.

Schon in sehr jungen Jahren war Seelhofer für das IKRK im Tschad im Einsatz. Und so kam eben dann nach langer Praxistätigkeit als Dorfarzt in Beringen irgendwann der Wunsch auf, nochmals etwas anderes zu wagen. «Ich war über 50 und habe mir überlegt: weitermachen wie bisher oder noch mal etwas Neues wagen?» Da seine Kinder dem Schulalter entwachsen waren, bewarb er sich bei sechs Hilfsorganisationen – und kam schliesslich zu SolidarMed, die ihn nach Simbabwe sandten, wo er zunächst drei Monate lang in einem Regierungsspital diverse Operationstechniken wie Kaiserschnitt neu lernen musste. «Man ist ja fernab von anderen medizinischen Einrichtungen und muss alles selbst machen und entscheiden.» Da er früher schon chirurgisch tätig gewesen war – «ich wollte einst Chirurg werden» –, ging das gut. «Und mit der Zeit lernt man dazu; es gibt auch Bücher, wo man Schritt für Schritt angeleitet wird.»

Grosse Dankbarkeit

Obwohl er in Afrika täglich gut zwölf Stunden arbeitete und kaum Ferien hatte, empfand er die Tätigkeit als weniger anstrengend als in der Schweiz. «Die Leute sind froh, dass sie überhaupt behandelt werden, und warten geduldig. Anders als hier, wo man schon bei einer Viertelstunde Verzögerung ein schlechtes Gewissen hat. Vor allem die Dankbarkeit bleibt ihm in guter Erinnerung. «Selbst wenn ich in der nächsten Stadt war, über 100 Kilometer entfernt, kam plötzlich jemand und bedankte sich.» Hier in der Schweiz macht Seelhofer seit Langem und noch immer Praxisvertretungen. Das tut er gern und auch, um à jour zu bleiben für seine Einsätze irgendwo in Krisengebieten. «Man braucht die Praxis, denn man ist nicht einfach ein guter Arzt, weil man dies und jenes mal gemacht hat», sagt er bescheiden.

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