Warum Plakate Schaffhausen dominieren, obwohl die Menschen kaum mehr hinschauen

Till Burgherr (tbu) | 
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Wahlplakate zur Abstimmung an der Mᅢᄐhlentalstrasse, Plakat Severin Brᅢᄐngger fᅢᄐr den Stᅢᄂnderat, am Freitag, 06. Juni 2025. (Melanie Duchene / Schaffhaus
Die umwerfende Wirkung von Plakaten. Bild: Melanie Duchene

In Schaffhausen dominieren derzeit Wahlplakate das Stadtbild. Doch während die Kandidaten präsent sind wie nie, bleibt fraglich, wie viele Menschen überhaupt noch hinschauen. Trotz hoher Kosten und ökologischem Fussabdruck setzen SP und FDP unbeirrt auf Plakatwerbung, machen sich aber gleichzeitig Gedanken um die Entsorgung.

Sie sind das Mass aller Dinge, diesen Eindruck hat man, wenn man derzeit durch Schaffhausen fährt oder spaziert – Plakate. Die beiden Ständeratskandidaten Simon Stocker und Severin Brüngger springen einem buchstäblich ins Gesicht. Die Wahlkampfteams setzen voll auf dieses Produkt. Dies, obwohl Plakate nicht besonders wetterbeständig sind. Gelegentlich liegen sie am Boden, wenn sie von einem Windstoss flachgelegt wurden. Bei Regen knicken Plakate öfters ein, das Resultat sind hängende Köpfe.

«Plakate wirken im öffentlichen Raum unmittelbar und rund um die Uhr. Sie sind ein einfaches, aber wirkungsvolles Mittel, um Bekanntheit aufzubauen.»

Nina Schärrer, Wahlkampfleiterin FDP

Die Parteien scheuen keine Kosten, wenn es um Plakate geht. So hat die SP für den Wahlkampf von Simon Stocker insgesamt 1930 Plakate gedruckt, darunter 330 F4-Plakate (im sogenannten «Weltformat»), 300 A1-Kandelaberplakate und 1300 A1-Plakate für private Aushänge. Total wurden 22’022 Franken für Plakatwerbung ausgegeben, heisst es auf Anfrage.

Wahlplakate zur Abstimmung, am Freitag, 06. Juni 2025. (Melanie Duchene / Schaffhauser Nachrichten)
Früher waren die Plakate von Simon Stocker gelb, inzwischen gibt es sie auch in Blau. Bild: Melanie Duchene

Bei der FDP sind es ebenfalls rund 1900 Plakate, Banden und Blachen, die laut Wahlkampfleiterin Nina Schärrer gedruckt wurden. «Plakate wirken im öffentlichen Raum unmittelbar und rund um die Uhr. Sie sind ein einfaches, aber wirkungsvolles Mittel, um Bekanntheit aufzubauen», sagt die Wahlkampfleiterin.

«Der private Plakataushang ist eine niederschwellige Art für unsere Unterstützerinnen und Unterstützer, sich politisch zu engagieren und Sichtbarkeit zu schaffen.»

Naemi Solla, Parteisekretärin SP Schaffhausen

Die Freisinnigen haben ein deutlich höheres Budget von rund 37’000 Franken für die verschiedenen Formate zur Verfügung. Dieser Unterschied von rund 15’000 Franken erklärt sich nicht durch die Anzahl der Plakate, sondern durch die unterschiedliche Verteilung und Qualität der Formate.

Das geht ins Geld

Die FDP investiert einen grossen Teil des Budgets in APG-Plakatflächen, also klassische, zentral platzierte Werbestandorte im öffentlichen Raum. Allein diese schlagen mit rund 20’000 Franken zu Buche, inklusive Produktionskosten. Hinzu kommen Bandenwerbung, grossflächige PVC-Blachen sowie professionell aufgestellte Ständerplakate – Formate, die teurer in der Produktion und im Aufbau sind.

Die SP setzt ebenfalls auf APG-Flächen, allerdings in geringerem Umfang und wendet dafür rund 11’000 Franken auf. Ihr Trumpf liegt im privaten Aushangsystem. 446 Plakate hängen in Fenstern, an Garagen oder auf Balkonen von Unterstützern – ohne Mietkosten. «Der private Plakataushang ist eine niederschwellige Art für unsere Unterstützerinnen und Unterstützer, sich politisch zu engagieren und Sichtbarkeit zu schaffen», sagt Naemi Solla, Parteisekretärin der SP Schaffhausen.

Manchmal treten Plakate in Dialog miteinander. Bild: Till Burgherr

Würde man alle Wahlplakate der beiden Parteien nebeneinander aufreihen, ergäbe das ein eindrückliches Bild. Die Plakate der SP, von kleineren A1-Formaten bis zu klassischen F4-Plakaten, würden aneinandergereiht eine Strecke von rund 1,25 Kilometern ergeben. Die FDP käme mit ihren teils grösseren Formaten, Banden und Blachen sogar auf rund 1,5 Kilometer Plakatstrecke. Allerdings liegen hier nicht detaillierte Angaben der einzelnen Formate vor.

Junge schauen nicht hin

Auch in anderen Kantonen setzen Parteien auf Plakatwerbung. Trotzdem ist der Zürcher PR-Berater Raoul Stöhlker erstaunt, wie viel in Schaffhausen in diese Kampagnen investiert wird. Er sagt: «Bei Plakatwerbung gibt es einen hohen Streuverlust. Die Jungen schauen die Plakate nicht an, die schauen auf die Handys und Bildschirme.» Das gelte jedoch längst nicht nur für die Generation Z. «Auch Über-50-Jährige wie ich schauen oft ins Smartphone», gibt Stöhlker zu.

Plakativ ausgedrückt, kann man festhalten: Es bleibt zu hoffen, dass Verkehrsteilnehmer nicht die erste Bekanntschaft mit Brüngger oder Stocker machen, wenn sie mit einem Plakat zusammenstossen. Trotzdem räumt letztlich auch der PR-Berater von der Zürcher Goldküste ein: «Plakatkampagnen sind absolut zwingend.» Und: «Weil überdurchschnittlich viele ältere Personen abstimmen, erreichen sie überdurchschnittlich viele Menschen mit Plakaten.» In Schaffhausen spielt hier aber die Stimmpflicht noch mit, auch die Generation Z verzichtet gerne auf eine Busse.

Wohin mit dem Karton

Bei der Menge von Papier, Karton und Kunststoff bleibt nach dem Wahlkampf noch der ökologische Fussabdruck. Beide Parteien betonen, dass sie Massnahmen ergreifen, um Abfall zu vermeiden und Ressourcen zu schonen. Die FDP setzt auf eine gestaffelte Produktion, um Übermengen zu verhindern, und will für eine sorgfältige Entsorgung der Materialien sorgen. «Wir haben deshalb während des ganzen Wahlkampfs in mehreren Etappen fortlaufend Material bestellt, um eine Überproduktion zu vermeiden», erklärt Schärrer. Einige der PVC-Banden sollen sogar weiterverwendet werden – zum Beispiel von einer Handarbeitslehrerin, die mit ihren Schülern Taschen daraus näht, sagt sie.

Auch bei der SP betont man, dass die Nachhaltigkeit im Fokus steht. «Wir versuchen, die verursachten Abfälle zu minimieren, sammeln nach den Kampagnen alle Plakate zentral und bringen sie zurück, sie werden recycelt», sagt SP-Parteisekretärin.

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