«Der Abwanderungsdruck ist gross» – Wie Trump Schaffhauser Firmen unter Druck setzt

Sie sollte ein ebenes Spielfeld für alle schaffen. Von wegen, sagt die Schaffhauser Regierung nun. In Wahrheit habe sich die OECD-Mindeststeuer vor allem als Machtinstrument der Grossen entpuppt – zum Nachteil von Schaffhausen.
Wenn der Mensch eines nicht erträgt, dann ist das eine Situation, in der er aus nicht ersichtlichen Gründen schlechter gestellt wird als andere. Eine solche Empfindung von Unfairness ist gerade bei einigen Bundespolitikern zu spüren. Der Tenor: Warum sollen wir eine Regel durchsetzen, die zu unserem Nachteil gereicht, wenn sich andere – namentlich auch die USA – nicht daran halten wollen? Mitte-Nationalrätin Schneider-Schneiter (Basel-Landschaft) forderte deshalb jüngst die Aussetzung dieser Regel, konkret: eine Abschaffung der OECD-Mindeststeuer in der Schweiz. Seit Anfang Jahr sieht diese für grössere internationale Unternehmen eine Mindeststeuer von 15 Prozent vor.
Da Trump im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht mehr für die Regel zu haben ist, kommen nun Befürchtungen auf: Unternehmen könnten in die USA abwandern, da sie dort von der Mindeststeuer entbunden wären und auch nicht unter allfälligen Zöllen gegen die Schweiz leiden würden. Die Diskussion ist auch für Schaffhausen relevant: Unternehmenssteuern werfen auf Kantonsebene und insbesondere in den Zentrumsgemeinden riesige Gewinne ab. In Neuhausen sind 20 Unternehmen für über 80 Prozent des Steuerertrags der juristischen Personen verantwortlich. Der Wegzug von nur wenigen Unternehmen könnte die Kassen schwer belasten – mit spürbaren Auswirkungen auf Bauprojekte und den Service public.
Gross versus klein
Nachdem sich die Schaffhauser Regierung über die OECD-Mindeststeuerregelung Anfang Jahr noch sehr zurückhaltend äusserte, zeigt sie sich unterdessen unzufrieden, ja geradezu desillusioniert über das Abkommen. «Die Entwicklungen der Verhandlungen innerhalb der OECD zur Mindeststeuer haben eindeutig gezeigt, dass es weniger um Fairness im Steuerwettbewerb geht, als vielmehr um eine Stärkung der grossen Industriestaaten zulasten der kleineren und ärmeren Staaten», so Finanzdirektorin Cornelia Stamm Hurter. Länder, die sich Fördermassnahmen für ihre Unternehmen jetzt nicht leisten könnten, würden im internationalen Wettbewerb zunehmend zurückfallen.
Dino Tamagni, Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, spricht mit Wirtschaftsförderer Christoph Schärrer explizit die Schweiz an, welche jetzt ins Hintertreffen zu geraten drohe. Die Absichten der mächtigen Industrienationen zielten darauf ab, «die Standortattraktivität der bis anhin erfolgreicheren Staaten wie der Schweiz im globalen Standortwettbewerb zu reduzieren». Die Regeln wären damit nichts anderes als Ausdruck einer mehr oder weniger rücksichtslosen Interessens- und Machtpolitik. Neben den USA foutieren sich auch Staaten wie China, Indien, Argentinien und Saudiarabien um eine Umsetzung der OECD-Regeln. Demgegenüber haben die meisten europäischen Staaten die Mindeststeuer eingeführt.
«Stark fremdbestimmt»
Stamm Hurter spricht angesichts der heutigen Situation von einem «in der Tat starken Abwanderungsdruck» – und zwar nicht nur bei internationalen, sondern auch bei einheimischen Unternehmen. Sie verweist auf Roche und Novartis, die letzte Woche Investitionen in der Höhe von fast 75 Milliarden Dollar in den USA in Aussicht gestellt haben. Die Schweiz müsse nun dringend Verbündete finden, «damit die zulässigen Massnahmen wieder heterogener werden», also eine grössere Vielfalt von Fördermassnahmen für Firmen möglich wird, die sich mit dem Regelwerk der OECD vertragen. Aktuell werde das Land in dieser Hinsicht «stark fremdbestimmt».
Eine Abschaffung der vom Volk gutgeheissenen Mindeststeuer sieht Stamm Hurter zum jetzigen Zeitpunkt skeptisch. Gemäss den geltenden Regeln würden dann andere OECD-Länder die in der Schweiz ansässigen Unternehmen besteuern, um die Lücke zu den angestrebten 15 Prozent zu schliessen. Schaffhausen würde dann einfach weniger Steuer einnehmen. «Eine Abschaffung der Mindeststeuer ist nur dann erfolgversprechend, falls das heutige OECD-Regelwerk geändert wird.»
Verbreitete Unsicherheit
Tamagni spricht von grösseren Unsicherheiten, welche Unternehmen in Schaffhausen gerade plagten. Geplante Vorhaben würden noch einmal überprüft, verzögert oder gar nicht mehr hierzulande umgesetzt. «Ebenso werden bestehende Standorte und Aktivitäten vor Ort in Bezug auf ihre Zukunftsfähigkeit hinterfragt.» Man befinde sich deshalb in laufendem Austausch mit betroffenen Unternehmen. Dabei stelle die OECD-Mindeststeuer für die Standortattraktivität eine grössere Bedrohung dar als die möglicherweise auf die Schweiz zukommenden Zölle, die von Trump im Rahmen einer 90-tägigen «Gnadenfrist» wieder zurückgenommen wurden.
Da nicht klar ist, wie die Verhandlungen ausgehen, versuche man sich auf verschiedene Szenarien vorzubereiten. Tamagni spricht von einigen Trümpfen, welche die Schweiz im Ärmel habe. So sei die Schweiz eine wichtige Handelspartnerin für die Zulieferung von industriellen Hightech-Produkten und eine ernst zu nehmende Investorin in den Bereichen Produktion, Forschung und Entwicklung in den USA. Eine Lösung in beidseitigem Interesse werde sich also wohl finden lassen – zumindest im Handelsstreit. Die Ungleichheiten rund um die OECD-Steuer stehen derweil auf einem anderen Blatt.