Wende im Fall Osamah M.: Bundesgericht verlängert Haft

Robin Blanck | 
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Blick ins Centre de détention administrative et de l'extension in Sion, in dem Osamah M. seit September untergebracht ist. Nach dem kurzfristigen Entscheid des Bundesgerichts wird er auch noch weiter dort bleiben müssen. Bild: Keystone

Das Staatssekretariat für Migration erwirkt mit einer vorsorglichen Massnahme, dass Osamah M. weiter hinter Gittern bleibt. Noch ist aber die Hauptfrage, ob die Ausweisung des Mannes rechtens ist, nicht abschliessend geklärt.

Und wieder sorgt der Iraker Osamah M. für Schlagzeilen: Der auf einen Rollstuhl angewiesene verurteilte Terrorunterstützer soll aus der Ausschaffungshaft entlassen werden – und befindet sich trotzdem noch im Centre de détention administrative in Sion. Fast wäre Osamah M. in diesen Tagen entlassen worden, weil er bereits seit sechs Monaten in Ausschaffungshaft sitzt, nur eine kurzfristige Intervention des Staatssekretariats für Migration (SEM) hat das nun verhindert.

Warten auf das Urteil aus St. Gallen

Rückblick: Bereits 2017 hat das Bundesamt für Polizei (Fedpol) das dem Iraker erteilte Asyl widerrufen, aber seine Ausweisung wurde aufgrund der Risiken, die ihm im Irak drohten, als nicht umsetzbar eingestuft, deshalb wurde sie aufgeschoben. Das änderte sich Anfang September 2024: Das Fedpol verfügte die sofortige Vollstreckung der Ausweisung , zwei Tage später ordnete das Migrationsamt des Kantons Schaffhausen Ausschaffungshaft an. Osamah M. wurde nach Sion ins Centre de détention administrative geflogen und dort in Einzelhaft gesetzt. Angeordnet wurde die Ausschaffungshaft für die Regelhöchstdauer von sechs Monaten, doch dagegen wehrte sich Osamah M. erfolglos vor dem Schaffhauser Zwangsmassnahmengericht, welches das Vorgehen des Migrationsamtes stützte.

Danach gelangte er ans Obergericht und sogar ans Bundesgericht, die allesamt die Anordnung der Haft als gerechtfertigt taxierten. Aber: Gleichzeitig reichte der Terrorsympathisant Beschwerde gegen die verfügte Ausweisung vor Bundesverwaltungsgericht ein – ein Verfahren, das bis heute nicht abgeschlossen wurde und noch immer hängig ist. Wichtig dabei: Das angerufene Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen hat im Oktober 2024 entschieden, dass Osamah M. den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten könne.

Nur: Dieses Verfahren wurde nicht im zu erwartenden Tempo erledigt, sodass sich die Ausschaffung verzögerte – und sich die Frage nach einer Verlängerung der Ausschaffungshaft stellte. Am 25. Februar 2025, also noch vor Ablauf der sechsmonatigen Ausschaffungshaft, verfügte das Migrationsamt des Kantons daher eine Verlängerung der Haft um weitere zwölf Monate, was gemäss Gesetz möglich ist. Das Schaffhauser Zwangsmassnahmengericht bestätigte nach einer mündlichen Anhörung die Verlängerung. Doch auch dagegen wehrte sich Osamah M: Er reichte eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Schaffhauser Obergericht gegen die Verlängerung ein – und hatte damit Erfolg.

Gefährdung kein Haftgrund

Weshalb ist das Obergericht zu einer ganz anderen Einschätzung als das Migrationsamt und das Kantonsgericht gekommen? Grundsätzlich gilt: Eine Ausdehnung der Ausschaffungshaft ist nur möglich, wenn der Häftling nicht mit den Behörden kooperiert und sein Verhalten nachweislich die Umsetzung der Ausschaffung verzögert. Das Migrationsamt hatte dem Mann vorgeworfen, das Verfahren «offenbar bewusst in die Länge zu ziehen» und etwa sein Geburtsdatum nicht bekannt zu geben. Das Kantonsgericht kam zum Schluss, dass Osamah M. noch immer nicht mit den zuständigen Ämtern kooperiere, weil er erklärt habe, nicht freiwillig in den Irak zurückkehren zu wollen. Und: Weil von ihm noch immer eine Gefährdung für die innere und äussere Sicherheit des Landes ausgehe und er gegen die Massnahmen zur Bekämpfung von Terror verstossen habe, sei auch das als fehlende Kooperationsbereitschaft zu betrachten. Oder kurz gesagt: Auch die Gefahr für die Gesellschaft, die von M. auf freiem Fuss ausgehe, sei als Haftgrund anzusehen, denn die Haft würde eine mögliche terroristische Aktion verhindern.  

Osamah M. in einem Bild aus früheren Jahren, vor seiner Verhaftung im Jahr 2014. Bild: zVg

Das Obergericht sieht genau diesen Punkt anders: Zwar habe man per Juni 2022 die Gefährdung der inneren und äusseren Sicherheit als neuen Haftgrund eingeführt, gleichwohl reiche das allein nicht für eine Verlängerung der Haft – sondern es bedürfe eben auch der anderen Haftgründe wie der fehlenden Kooperation. Und weil das Einreichen von Beschwerden nicht als mangelhafte Zusammenarbeit eingestuft werden könne, habe sich Osamah M. in dieser Hinsicht nichts zu Schulden kommen lassen – und die Einsperrung dürfe nicht verlängert werden. Spätestens am Dienstag, 22. April, 12 Uhr,  sollte der Mann wieder entlassen werden: Der Entscheid wurde bereits am, 15. April gefällt, aber man gab den Schaffhauser Behörden bewusst etwas zeitlichen Vorlauf. Spannend sind die Gründe, die das Gericht für die Flexibilität anführt: «Einerseits wegen seiner körperlichen Beeinträchtigungen, der Mittellosigkeit und der Distanz zu seinem Wohnort in Schaffhausen, andererseits zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.»

Zurück auf Feld1?

Dass das Migrationsamt befürchtet hatte, dass der Terrorunterstützer nach seiner Entlassung nicht ausreichend kontrolliert werden könnte, hat das Obergericht also durchaus zur Kenntnis genommen, dieser Problematik könne man aber nicht über die Verlängerung der Ausschaffungshaft Herr werden, sagt das Obergericht: «Dafür müssten nötigenfalls seitens der zuständigen Behörden gestützt auf andere Rechtsgrundlagen Massnahmen angeordnet werden.» Will heissen: Das Fedpol könnte erneut Massnahmen wie Gesprächsteilnahmepflicht, Kontaktverbote, Ausgrenzungen und elektronische Überwachung anordnen. Doch damit würde man zurück zum Anfang gehen, also dorthin, wo man bereits vor Jahren war, als das erste Mal polizeiliche Massnahmen gegen den Terror erlassen wurden – und auch das nur unter anhaltendem juristischem Gezerre, das erneut viel Zeit in Anspruch nehmen würde, weil auch gegen die neuen Massnahmen Beschwerde eingereicht werden könnte.  

Migrationsamt begrüsst Entscheid

Beim Schaffhauser Migrationsamt stösst der superprovisorische Bundesgerichtsentscheid auf Zustimmung, man habe sich ja für eine Verlängerung der Ausschaffungshaft eingesetzt und erkenne – wie das Fedpol auch – weiterhin eine Gefährdung, die von Osamah M. ausgehe. Man fühle sich besser, wenn der Mann weiterhin in Untersuchungshaft ist, erklärt ein Sprecher. Wie es danach weitergehe, hänge nun davon ab, wie das Bundesgericht entscheide.
Klärung sehr anspruchsvoll

Und natürlich auch davon, was das hängige Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht ergebe: Rocco R. Maglio, Medienbeauftragter des Bundesverwaltungsgerichts, sagt, dass man sich nicht zu laufenden Verfahren und möglichen Terminen äussere. Gleichwohl macht er deutlich, dass die Verfahren rund um Osamah M. – es sind mehrere – vom Gericht prioritär behandelt werden. Erschwerend wirke sich aus, dass sich der Sachverhalt selbst ständig entwickle und auch die adressierten Rechtsfragen neu seien, was eine Klärung und Entscheidung «viel aufwendiger» mache als bei Standardverfahren.    

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Kommentare (1)

Mario Läubli Di 22.04.2025 - 11:49

Was für ein Zirkus.
Man könnte ihm ja zusammen mit Erich Schlatter und Brian "Carlos" Keller eine islamistisch- vegane Kickbox- WG anbieten.

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