Der Kanton Schaffhausen braucht liberale und mutige Ideen – das ist die Haltung der «Schaffhauser Nachrichten»

Dario Muffler | 
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fotografiert am 30.08.2024, in Schaffhausen. (Laurin Werner / Schaffhauser Nachrichten)
Die Kantonsratswahlen finden am 22. September statt. Die Schaffhauserinnen und Schaffhauser sind aufgerufen, sich zu äussern und ihre Vertretung im Parlament zu wählen. Bild: Laurin Werner

Das Parlament des Kantons Schaffhausen muss am 22. September neu gewählt werden. Die Stimmbevölkerung entscheidet, wer in den nächsten vier Jahren über Gesetze und grosse Projekte im Kanton bestimmt. Die Teilnahme an der Wahl ist wichtig: Der Kanton Schaffhausen steht vor grossen Herausforderungen. Dafür braucht es liberale Kräfte – und vor allem gute und mutige Ideen.

Politik ist grundsätzlich überall: Wenn wir darüber diskutieren, ob die Abfallsäcke teurer oder günstiger sein oder ob Busse häufiger oder seltener fahren sollten. Wenn wir uns darüber streiten, wie viele Hausaufgaben in der Primarschule sinnvoll sind und ob es Massnahmen braucht, um die schöne Landschaft des Kantons zu schützen.

Aktuell ist Politik auch wortwörtlich überall. Nämlich an den Strassenrändern in Form von Wahlplakaten. Einige fragen sich vielleicht, wieso schon wieder? Eben erst wurden die Regierungen in der Stadt, im Kanton sowie die Gemeindepräsidien in den Gemeinden gewählt. Am 22. September stehen die Kantonsratswahlen an. Dort werden die 60 Sitze des kantonalen Parlaments für die nächsten vier Jahre neu besetzt.

Diese Wahlen sind der Moment, in dem die Stimmbevölkerung den amtierenden Politikerinnen und Politikern sowie ihren Parteien ein Zeugnis ausstellen kann. Wählerinnen und Wähler drücken aus, dass sie zufrieden waren mit der Leistung oder dass sie sich das Gedankengut einer neuen Person im Rat wünschen, indem sie ihr oder ihm eine Stimme geben.

Jede und jeder sollte sich dazu Gedanken machen. Denn das Parlament ist das zentrale Organ in der Demokratie. Es berät über Gesetze und legt fest, in welche Richtung der Kanton in wichtigen Themen gehen soll. In den nächsten vier Jahren stehen dabei grosse Herausforderungen an.

Viele Entscheide mit grossen Konsequenzen stehen bevor

So steht das Parlament kurz davor, über die Zukunft der Spitäler Schaffhausen zu beraten. Diese planen einen Neubau, der zwar dringend nötig ist, den sie sich aber kaum leisten können. Die Gründe dafür sind vielfältig, klar ist einzig: Es läuft auf eine Unterstützung des Staats hinaus, es wird also Steuergeld fliessen. Entsprechend entscheidend ist, dass das Parlament genau hinschaut, wofür genau das Geld ausgegeben werden soll.

Weiter stehen grosse Kosten für die Digitalisierung der Verwaltung an. 18 Millionen Franken will die Regierung in den nächsten vier Jahren ausgeben, um die Bürgerinnen und Bürger besser zu erreichen, indem es digitale Services geben soll. Das ist viel Geld, das nur mit genauen Zielvereinbarungen gesprochen werden sollte – denn zuletzt hat der Kanton in IT-Projekten nicht gerade brilliert (Stichwort Webseite des Kantons).

Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat der Kanton ebenfalls Aufholbedarf. Flächendeckende Tagesstrukturen werden eher früher als später umgesetzt werden müssen – das wird Geld kosten, so viel ist klar. Deshalb braucht es bei der genauen Ausgestaltung Kräfte im Parlament, die dafür sorgen, dass private und staatliche Anbieter gleich lange Spiesse haben.

«Standortattraktivität beschränkt sich nicht mehr nur auf tiefe Steuern für Unternehmen, sondern dreht sich auch um die Lebensqualität der Mitarbeitenden. Denn der Kampf um Fachkräfte dürfte sich in den nächsten Jahren noch akzentuieren.»

Diese Tagesstrukturen haben eine direkte Auswirkung auf die Attraktivität des Kantons für Unternehmen. Denn im internationalen Vergleich hinkt die Schweiz hinterher, wenn es um die ausserfamiliäre Kinderbetreuung geht. Standortattraktivität beschränkt sich nicht mehr nur auf tiefe Steuern für Unternehmen, sondern dreht sich auch um die Lebensqualität der Mitarbeitenden. Denn der Kampf um Fachkräfte dürfte sich in den nächsten Jahren noch akzentuieren.

Fachkräfte fehlen aber nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch in der Bildung: Lehrerinnen und Lehrer müssen angemessene Rahmenbedingungen bekommen, damit sie den Kindern wirklich Bildung bieten können. Diese Rahmenbedingungen sind mit einer Lohnerhöhung nicht verbessert. Auf das Parlament kommen schwierige Fragen zu: Wie integrativ soll die heutige Schule sein? Welches Wissen und welche Fähigkeiten werden in Zukunft benötigt? Klar ist: Investitionen in die Schule lohnen sich wirtschaftlich längerfristig massiv: Wer gut gebildet aus der Schule kommt, kann sozial und ökonomisch mehr zur Prosperität der Gesellschaft beitragen.

Schaffhausen soll für Schaffhausen leben, aber auch für andere

Gleich lange Spiesse wünschen sich auch die Gemeinden, wenn es um ihre Finanzen geht. Die Kluft zwischen Stadt und Land ist in den letzten Jahren massiv aufgegangen. Gerade läuft eine Debatte, wie genau der finanzielle Ausgleich zwischen den Gemeinden im Kanton gestaltet werden soll. Hier braucht es Lösungen, die dafür sorgen, dass die ländlichen Gemeinden attraktiv bleiben – auch für junge Familien und Unternehmen, nicht nur als Alterswohnsitz.

Schaffhausen soll leben – nicht nur von und mit Einheimischen, sondern auch von Touristinnen und Touristen. Die intakte Landschaft, das Naturschauspiel Rheinfall und die malerischen Altstädte haben es verdient, in die Welt hinausgetragen zu werden. Dazu hat der Regierungsrat eine Tourismusstrategie präsentiert, die nun aber noch umgesetzt werden muss. Und klar ist zudem, dass es am Rheinfall grosse Investitionen braucht, um aus dem Tourismus auch Wertschöpfung ziehen zu können.

«Damit die Landschaft intakt und lebenswert bleibt, braucht es in Zukunft Investitionen. Denn die Natur und der Mensch in ihr werden bedroht: Die Erderwärmung wurde uns mit Extremwettereignissen im Klettgau dieses Jahr erneut vor Augen geführt.»

In der Zeit von Overtourism und davon gebeutelten Orten in den Bergen machen diese Investitionen vielleicht Angst. Deshalb braucht es ein Parlament, das Ideen für qualitativen Tourismus unterstützt. Die Rahmenbedingungen für Unternehmen mit innovativen Ideen müssen verbessert werden. Der Staat darf nicht alles dirigieren und mit zu kurzer Leine führen.

Damit die Landschaft intakt und lebenswert bleibt, braucht es in Zukunft Investitionen. Denn die Natur und der Mensch in ihr werden bedroht: Die Erderwärmung wurde uns mit Extremwettereignissen im Klettgau dieses Jahr erneut vor Augen geführt. Die Debatte um die Versorgungssicherheit mit Strom bei gleichzeitigem Umbau der Energieversorgung muss nicht nur geführt werden, sondern es braucht jetzt auch Massnahmen, die umgesetzt werden.

Geldsegen bringt die Politik in eine schwierige Situation

Die OECD-Mindestbesteuerung für umsatzstarke internationale Unternehmen spült dem Kanton aktuell zwar mehr Steuereinnahmen in die Kasse. Doch die Unternehmen werden nicht einfach mehr abliefern, ohne dass sie von der Standortwahl Schaffhausen profitieren. Dazu gehören auch Massnahmen, welche den Kanton ganz allgemein attraktiver machen. Hierzu braucht es gute und die eine oder andere mutige Idee.

Der aktuelle Geldsegen ist zwar schön, führt die Politik aber in eine heikle Situation. Niemand garantiert, dass die hohen Einnahmen immer weiter sprudeln werden. Es braucht also eine umsichtige Politik und keine Anhäufung von immer wiederkehrenden Ausgaben, die «nice to have» sind. Eine Politik, die auf Eigenverantwortung setzt und nicht noch stärker eine Vollkasko-Gesellschaft fördert.

Wer leistet, soll belohnt werden, wer wirklich Hilfe braucht, soll sie bekommen. Doch noch besser ist, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass möglichst wenige abhängig vom Staat werden. Dazu braucht es unternehmerisch und sozial denkende Parlamentarierinnen und Parlamentarier.

Die FDP muss dringend mit eigenen Ideen aufwarten

Vor diesem Hintergrund empfehlen die «Schaffhauser Nachrichten» dem Schaffhauser Stimmvolk, für die kommenden Kantonsratswahlen auf liberale Kräfte zu setzen. Klassischerweise gehören Vertreterinnen und Vertreter der FDP dazu, aber auch weiter rechts und weiter links gibt es Politikerinnen und Politiker, die für eigenverantwortliche Lösungen eintreten.

So viel Staat wie nötig und so wenig wie möglich: Allen voran die FDP steht dafür. Die Liberalen sollten in diesem Sinne mit Ideen, die Eigenverantwortung fördern, aufwarten. Das hat die FDP in den letzten Jahren viel zu wenig gemacht. Zu sehr hat sie sich auf Parkplatzerhalt und Steuersenkungen konzentriert, zu wenig mit innovativen und staatstragenden Vorschlägen geglänzt. Das muss sich ändern – zum Wohle des Kantons.

Ein wichtiger Schritt wäre – und das gilt insbesondere für die Bürgerlichen –, dass die jüngeren Kandidierenden auf den Listen nicht zu weit hinten platziert werden. Je weiter vorne jemand ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie gewählt wird. So erhält die Bevölkerung die Möglichkeit, das Parlament jünger und diverser zu besetzen. Ebenso, dass es wirklich ein Abbild der Bevölkerung des Kantons Schaffhausen ist.

Denn der Kantonsrat vertritt das Volk für die kommenden vier Jahre. Er vertritt die Interessen und sollte die Ängste sowie Wünsche kennen. Er muss den Kanton Schaffhausen vorwärtsbringen.

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