Marcel Montanari gibt sich am Tag nach seiner Wahl staatsmännisch: «Man kann sich als Regierungsmitglied vor nichts drücken»
Am Tag nach seiner Wahl stellt sich der frisch gewählte Regierungsrat Marcel Montanari den Fragen der «Schaffhauser Nachrichten». Er sagt, ob es beim Spitalneubau Geld des Kantons braucht, und verrät, was er von weiteren Steuersenkungen hält.
Herr Montanari, Sie haben nach Ihrer Wahl gesagt, dass Sie es noch nicht fassen können. Auch in einem Instagram-Post in der Nacht auf Montag schrieben Sie das nochmals. Wie sieht es nun einen Tag später aus?
Marcel Montanari: Langsam kommt es. (lacht) Aber ich bin schon noch überwältigt von den Eindrücken, den Ergebnissen und dem ausgesprochenen Vertrauen. Es braucht wohl noch ein paar Tage, bis ich das richtig verarbeitet habe.
Knallten am Abend nach der Verkündigung des Wahlresultats die Champagnerkorken?
Montanari: Champagner gab es keinen, aber wir haben mit einem Glas Wein angestossen. Zuvor stand ich vielen Interviews zur Verfügung und ich durfte zahlreiche Glückwünsche entgegennehmen, Hände schütteln und Umarmungen empfangen.
Sie treten Ihr Amt am 1. Januar 2025 an. Wie sieht Ihr Alltag bis dorthin aus?
Montanari: In einer ersten Phase wie bisher: Ich arbeite als Anwalt und werde unterrichten. Ich versuche nun, die Mandate abzugeben. Es wird einen schleichenden Rückgang meiner bisherigen Tätigkeiten geben.
Sie haben viele Jahre Erfahrung auf der anderen Seite der Regierung, also als Parlamentarier. Was wird Ihre grösste persönliche Herausforderung als Regierungsmitglied?
Montanari: Die Herausforderung ist sicherlich inhaltlicher Natur. Als Parlamentarier hat man zwar auch schwierige Dossiers, aber man kann sich spezialisieren und das eine oder andere Thema einem Fraktionskollegen überlassen, während man sich auf etwas anderes konzentriert. Als Regierungsrat kann man sich vor nichts drücken, sondern muss machen, was anfällt.
Als Parlamentarier steht man auch nicht unter Dauerbeobachtung oder Dauerkritik. Hat Ihnen Ihr Parteikollege Martin Kessler Tipps im Umgang damit gegeben?
Montanari: Ich habe ihn noch nicht explizit gefragt. Sein Tipp dürfte aber lauten, gute Arbeit zu machen. Er macht das so.
Man kennt Sie als bodenständigen und eigentlich immer lächelnden Mann – können Sie so richtig wütend werden?
Montanari: Ich kann mich pointiert ausdrücken, etwa wenn ich das Gefühl habe, dass Geld der Bevölkerung verschwendet wird.
Sie haben den SN Folgendes geschrieben, als es um die Frage ging, wie der Bund seinen Haushalt in den Griff bekommen soll: «Weniger unnötige Arbeitsgruppen, die sich gegenseitig beschäftigen, dafür mehr Politiker, die Verantwortung übernehmen.» Nun haben wir von Martin Kessler gehört, dass Sie selber gerne mal länger diskutieren. Ist das kein Widerspruch?
Montanari: Ich glaube, es braucht eine Diskussion, aber man muss auch entscheiden. Häufig gibt es auf Bundesebene aber Arbeitsgruppen, die zusätzliche Gutachten ohne nützliche Erkenntnis erstellen.
Bleiben wir bei den Finanzen: Die SP befürchtet nach Ihrer Wahl, dass der Kanton die Steuern noch weiter senken wird. Sie haben im Parlament den Antrag auf die höchste Steuersenkung gemacht. Streben Sie als Regierungsrat eine weitere Steuersenkung an?
Montanari: Über die Festsetzung des Steuerfusses entscheidet der Kantonsrat. In der Vergangenheit wurden bei jeder Steuersenkung die Hände verworfen. Rückblickend kann man aber sagen, dass jede einzelne Steuersenkung richtig war.
Und braucht es weitere Steuersenkungen?
Montanari: Das kommt auf die finanzielle Ausgangslage an. Wenn es möglich und strategisch sinnvoll ist, spreche ich mich sicher nicht dagegen aus.
Der Kanton schwimmt im Geld, wird aber zum Zahler im Nationalen Finanzausgleich. Ändert das etwas an der Situation?
Montanari: Man muss beides einplanen: die Zahlungen und die Investitionen, die sinnvoll sind. Und dann diskutiert man aus, wo man Prioritäten setzt.
Können Sie mir eine sinnvolle Investition nennen, die Sie anpacken wollen?
Montanari: Da gibt es Investitionen im Bildungs- oder im Baubereich, beispielsweise am Rheinfall, über den wir schon länger diskutieren. Aber auch das Spital wird ein Thema werden, wobei hier geklärt werden muss, wie die Modalitäten einer kantonalen Beteiligung aussehen.
Sie sprechen den Spitalneubau an. Der Regierungsrat habe – so hört man – bereits einen Entscheid zur Spitalinitiative, die eine Beteiligung von 60 Millionen Franken fordert, gefällt. Was ist Ihrer Ansicht nach die Lösung für das Schaffhauser Spitalproblem?
Montanari: Die Lösung der Regierung kenne ich nicht. Grundsätzlich gibt es verschiedene Überlegungen, die man machen kann. Eine ist, öffentlichen Spitälern Kosten abzugelten, die ein privates Spital nicht hat. Zum Beispiel die Mehrkosten für einen höheren Dämmwert. Es muss auch angeschaut werden, ob es eine Finanzierung der Investition braucht oder ob es darum geht, den Betrieb voranzutreiben.
Aber es braucht finanzielle Unterstützung?
Montanari: Das müssen wir jetzt anschauen. Ich habe noch keine ausreichend detaillierten Angaben, um das abschliessend sagen zu können. Aber wahrscheinlich geht es in diese Richtung.
Sie haben am Sonntag gesagt, dass der Kanton Schaffhausen ein Problem mit Hausarztpraxen hat, da sich viele in absehbarer Zeit pensionieren lassen. Ist das ein Problem, das der Kanton lösen kann?
Montanari: Man muss den Hebel an verschiedenen Orten ansetzen. Eine Möglichkeit ist es, die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. Hier hat der Kanton nur begrenzte Einflussmöglichkeiten, da wir nicht wie in Deutschland Studienplätze einkaufen können. Das Problem ist auch, dass viele Medizinabsolvierende gar nicht als Ärztinnen und Ärzte arbeiten wollen. Eine andere Frage ist, ob diese in die Hausarztmedizin gehen. Wir müssen uns auch fragen, welche Aufgaben Ärztinnen und Ärzte machen und welche anderen Personen delegiert werden können. Und: Gibt es Varianten der Gesundheitsversorgung, die mit weniger Ärztinnen und Ärzten funktionieren?
Zum Schluss will ich Ihnen ein Versprechen abjagen: Was wollen Sie nach hundert Tagen erreicht haben?
Montanari: Ich will nach hundert Tagen einen Überblick über mein Departement, über die Abläufe und die wichtigsten Dossiers haben.