Orakel im Stadttheater: 44. Bleigiessen mit drei lokalen Persönlichkeiten und einem Bundesrat

Tobias Bolli | 
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Für das 44. Bleigiessen liessen sich drei lokale Persönlichkeiten und ein Bundesrat auf die Bühne locken. Wie immer lieferte das ins Wasser gekippte Metall – vom Orakel raunend gedeutet – vielschichtige Hinweise auf den Verlauf des angebrochenen Jahres.

«Fisch oder Schiff, Wolf oder Katz?» Wenn Führungspersönlichkeiten vor Publikum skurrile Formen zu deuten versuchen und dabei mehr oder weniger Fantasie beweisen, dann findet das traditionelle Bleigiessen der «Schaffhauser Nachrichten» statt. Gut 270 Gäste versammelten sich am Donnerstagabend im Stadttheater, um mit dem Orakel – einem geheimnisumwitterten Weisen – einen Blick in die Zukunft zu wagen.

SN-Chefredaktor Robin Blanck und der Geschäftsführer der Meier + Cie AG Beat Rechsteiner führten durch den seit 1978 begangenen Traditionsanlass und konnten mit der Hilfe von ChatGPT bereits die wichtigsten Schlagzeilen für 2024 enthüllen: «Alpakas statt Hirsche im Graben: Minder wird Munotwächter». Und: «FDP unterstützt Kim Jong-un, um die Wiederwahl von Stapi Neukomm zu verhindern».

Die eigentlichen Protagonisten waren aber die vier geladenen Ehrengäste, von denen Alain Schmid, der neue CEO der Schaffhauser Kantonalbank, den Anfang machte. Im zischend erstarrten Blei erkannte er zunächst einen Pokal, schwenkte dann aber davon ab und legte sich – überaus spezifisch – auf ein Fitnessgerät für Bauchmuskeltraining fest. (Wie viele Kilo er derzeit im Studio stemmt, wollte er nicht verraten.) Er sei froh, den Absprung von der CS noch rechtzeitig geschafft zu haben, sagte er halb im Scherz und habe sich mit der Region schnell angefreundet, auch wenn der hiesige Dialekt für Zürcher Ohren noch etwas komisch klinge.

Das Orakel konnte nicht umhin, in seinem Spruch die von der Zürcher Kantonalbank abgeschafften Kontogebühren hervorzuheben und auf die Schliessung von lokalen Filialen hinzuweisen, entliess den KB-Chef aber trotzdem mit einem Schmunzeln. Dann betrat die Rektorin der Kanti Schaffhausen Barbara Sulzer Smith die Bühne und verpetzte ausgerechnet ihren ehemaligen Schulkollegen, den im Publikum sitzenden Staatsschreiber Stefan Bilger! Er habe dazumal die eine oder andere Kanti-Lektion ausgelassen, vielleicht sei indes auch sie selbst nicht immer mustergültig aufgekreuzt.

Das überaus charaktervoll in den Kessel geworfene Blei interpretierte sie nach einigem Hin und Her (es brach entzwei) als «ein Fisch und ein Seepferdchen, die sich gut miteinander vertragen». Das Orakel las aus den Tierchen ihre Zukunft und sah im Seepferdchen viele fragile Menschlein, die auszubilden ihr anheimgegeben seien. Ebenfalls schloss es einen Lottogewinn nicht aus, was Sulzer Smith erfreut zur Kenntnis nahm.

Das sind die Bleifiguren aus diesem Jahr

Alles, nur kein Wolf, deutete Bundesrat Albert Rösti.

 

Bundesrat Albert Roesti beim 44. Bleigiessen und 10. Neujahrsapero im Stadttheater Schaffhausen, am Donnerstag, 11. Januar 2024. (Melanie Duchene / Schaffhauser Nachrichten)
Ein Fisch und ein Seepferdchen, so lautete die Interpretation von Kanti-Rektorin Barbara Sulzer Smith.

 

Ganz klar ein Schaffhauser Bock, sagte Simon Stocker.

 

Der CEO der Schaffhauser Kantonalbank Alain Schmid erkannte im Blei ein Fitnessgerät.

Aus Bern nach Schaffhausen geeilt, präsentierte sich sodann der neu gewählte Ständerat Simon Stocker. Er habe «seinen 100-Jährigen», mit denen er als Altersexperte ab und zu zugange sei, viel Gelassenheit abschauen können, gerade auch im Hinblick auf die Wahlbeschwerde, die noch immer gegen ihn hängig ist. Je länger je mehr könne er sogar «über diesen Seich» lachen. Blitzartig erblickte der SP-Ständerat im Schattenriss seines Bleis einen Schaffhauser Bock mit gestutzten Hinterbeinen, «der noch nicht loslaufen kann». Das Orakel verhiess ihm dennoch einen Sprung in eine vielversprechende Zukunft, allenfalls sogar ein Amt als erster Schaffhauser Bundesrat.

Rösti kann auch hässig sein

Ebenfalls aus Bern kam der prominente Überraschungsgast des Abends: SVP-Bundesrat Albert Rösti (mutmasslich ohne auf dem Weg einen Wolf bedrängt zu haben). So oft sei er in letzter Zeit in Schaffhausen, dass er sich geradezu das Einrichten eines Büros auf der Vordergasse vorstellen könne. Als Wolf im Schafspelz, wie ihn Rechsteiner keck charakterisierte, sehe er sich nicht. «Man merkt sehr schnell, wenn ich hässig werde.» Das sei vor allem dann der Fall, wenn er hungrig und müde sei und sich schlimmstenfalls mit einem veganen Aperitif begnügen müsse.

«Ich bin kein Wolf im Schafspelz, man merkt sehr schnell, wenn ich hässig werde.»

Albert Rösti, SVP-Bundesrat

Im Blei sah er – nicht einen Wolf, sondern einen Iltis. So flink wie das putzige Tierchen werde er sich durch das angebrochene Jahr bewegen, weissagte das Orakel. Darauf blieb der Stimme aus dem Off nur noch, die unmittelbare Zukunft zu verkünden: das gesellige Beieinandersein bei einem Apéro riche auf dem Herrenacker. Eine verheissungsvolle Zukunft, welcher die Gäste gerne entgegeneilten.

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